Wieso gibt es in der Landwirtschaft so viele Verstösse gegen das Gewässerschutzgesetz? Das Einhalten der entsprechenden Vorschriften ist ja Voraussetzung für den Bezug von Direktzahlungen, oder nicht? Folgendes steht in der Direktzahlungsverordnung (aktualisiert 1.1.14):
Art. 105 Kürzung und Verweigerung der Beiträge
1 Die Kantone kürzen oder verweigern die Beiträge gemäss der Richtlinie der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz vom 27. Januar 200535 zur Kürzung der Direktzahlungen (Fassung vom 12. September 2008) sowie nach Anhang 8, wenn der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin…….
d. landwirtschaftsrelevante Vorschriften der Gewässerschutz-, der Umweltschutz- oder der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung oder, bei der Sömmerung, der Tierschutzgesetzgebung nicht einhält;
……. weiter geht es quasi mit dem Kleingedruckten:
2 Kürzungen und Verweigerungen von Beiträgen gestützt auf Absatz 1 Buchstabe d dürfen nur erfolgen, wenn die Nichteinhaltung mit einem rechtskräftigen Entscheid festgestellt wurde.
3 Erfolgen Widerhandlungen nach Absatz 1 vorsätzlich oder wiederholt, so können die Kantone die Gewährung von Beiträgen während höchstens fünf Jahren verweigern.
35Die Richtlinie ist einsehbar unter http://www.blw.admin.ch > Themen > Direktzahlungen > Voraussetzungen.
Ein rechtskräftiger Entscheid, das bedeutet im Klartext, dass jemand Anzeige erstatten muss. Dies reicht aber noch nicht, denn die Anzeige muss von der Polizei oder den Behörden weitergeleitet werden und zu einem „rechtskräftigen Entscheid“ führen, siehe Gülle-Schock Mitte Februar 2008. Zwar können die Direktzahlungsverantwortlichen kürzen, aber die Bauern lesen das Kleingedruckte in einem solchen Fall auch und werden sich allenfalls wehren.
Das Trinkwasser stammt zum grössten Teil aus dem Grundwasser, also trinken wir das verschmutzte Wasser und kochen damit. Die Oberflächengewässer verarmen, weil viele Kleinlebewesen unbemerkt verschwinden; gehandelt wird meist erst, wenn der Schaden offensichtlich ist, zum Beispiel Fische sterben, siehe Sorgen der Frau eines Fischers. Kein Wunder, dass es mit dem Grundwasser nicht zum Besten steht, siehe Grundwasser: wichtigste Trinkwasserquelle.
Anders sieht es beim Tierschutz aus. Bei Verstössen kann der Kontrolleur oder die Amtstelle unmittelbar die Direktzahlungen kürzen. Seit dies möglich ist, haben die Verstösse merklich abgenommen, denn die Bauern reagieren immer schnell auf „Anreize“. Klar: Tiere leiden zu sehen, das bewegen uns. Aber die Wirkung von verschmutztem Wasser ist ebenfalls dramatisch, nur halt nicht sichtbar, nicht so offensichtlich: durch hohe Nitratgehalte verursachte Krankheiten wie Krebs; das Blue Baby Syndrom (Zyanose), Wikipedia bei Kleinkindern wird zwar nicht allein durch Nitrat verursacht, aber im Zusammenwirken mit Bakterien, welche von den reichlich vorhandenen Nährstoffen profitieren und oft in verschmutztem Wasser vorhanden sind. Von den Wasserlebewesen und -pflanzen nicht zu reden! In den stark mit Nitrat belasteten Gegenden kostet die Trinkwasser-Beschaffung den Gemeinden und Kantonen dreistellige Millionen Beträge.
Nitrat im Trinkwasser steigert Blasenkrebs-Risiko, Pressetext
Es wäre also höchste Zeit, Verstösse gegen das Gewässerschutzgesetz ebenso unbürokratisch mit Kürzungen der Direktzahlungen zu bestrafen wie Verstösse gegen das Tierschutzgesetz!
Nachtrag 16.11.14: Vier Jahre nachdem Heidi diesen Artikel geschrieben hatte, wurde der Gewässerschutz besser in die Direktzahlungsverordnung verankert, siehe Gewässerschutz besser in der Direktzahlungsverordnung verankert.
Nachtrag 31.12.15: Leider war dies eine Illusion. Wieso? Das wird Heidi 2016 in einem Artikel darlegen.
28.10.10/1.1.14/31.12.15 HOME
Schlagwörter: Blue Baby Syndrom, Direktzahlungen, Fische, Gewässerschutzgesetz, Grundwasser, Landwirtschaft, Tierschutz, Vollzug, Wasser
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