
Titelbild der Vollzugshilfe für das Ausbringen aus der Luft von Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Düngern, Copyright Samuel Sommer, Oberbipp
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) haben am 13.9.16 eine Vollzugshilfe für das Ausbringen aus der Luft von Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Düngern veröffentlicht. Das 43-seitige Dokument regelt die Anwendung von Pestiziden und Düngern aus der Luft im Detail. Darin sind auch die neuen stark verkleinerten Abstandsvorschriften festgehalten.
Das BAFU rechtfertigt diese massive Verschlechterung mit dem Argument, dass in der Vergangenheit nur die Ausnahmen in der Praxis Anwendung gefunden hätten und macht mit dem Zauberstab aus der Verschlechterung eine Verbesserung. Wieso hat das BAFU die Regeln nicht durchgesetzt? Einen kleinen Lichtblick gibt es: Gegenüber der Grundwasserschutzzone S2 muss, abweichend vom ursprünglichen Vorschlag in der Vernehmlassung, eine Schutzdistanz eingehalten werden, und zwar dieselbe wie für die enge Grundwasserschutzzone S1: 30 m ab Helikoptermitte. Störend bleibt, dass die Distanz zu den Grundwasserschutzzonen von 60 m auf 30 m verkleinert wurde.
Heidi möchte nur zwei weitere Beispiele aus der Vollzugshilfe zitieren, sie gehören zu den (beliebten) Ausnahmen:
c Zusätzliche Abstandregeln für Hecken, Feldgehölze, Wald und bestockte Weiden
„… Gewisse Hecken oder Vegetationsgürtel können eine Schutzfunktion vor Abdrift haben (z. B. Hecken entlang von Flüssen). Mit Einverständnis des Kantons wird der Sicherheitsabstand gegenüber einer solchen Hecke oder einem solchen Vegetationsgürtel nicht angewandt. Der Sicherheitsabstand kann auf 10 m (Heidi: ab Helikoptermitte!) reduziert werden, sofern alle behandelten Parzellen dauerhaft begrünt sind oder wenn diese nach den Anforderungen für den ökologischen Leistungsausweis bewirtschaftet werden. Alternativ können auch andere Massnahmen gemäss Gesetzen oder Verordnungen zum Bodenschutz angewendet werden.“
Heidi nennt diese Hecken Todeshecken. Es ist ja jedes Tierchen selber schuld, wenn es sich in die Nähe von Agrikultur wagt. Zudem dürfte Abdrift aus Flugzeugen bei einer derart kleinen Distanz auch ins Gewässer gelangen, meint Heidi, und zwar schon bei Windstärken weit unter der erlaubten Grenze.
a Abstandsregeln für Gebäude, öffentliche Areale und private Wohnzonen
„Unter privaten Gebäuden werden bewohnte Gebäude verstanden. Rebhäuschen fallen z. B. nicht darunter. Der Sicherheitsabstand für private und öffentliche Gebäude und Zonen kann auf 30 m reduziert werden, falls ausschliesslich Produkte verwendet werden, die vom BLV im Rahmen des normalen Zulassungsverfahrens evaluiert und für diese Distanz bewilligt werden. Falls Produkte mit einem bewilligten Sicherheitsabstand von 30 m verwendet werden, muss dies im Bewilligungsgesuch (in der Spalte «Art der Produkte») vermerkt werden. Damit ist aber ausgeschlossen, dass andere Produkte verwendet werden; dies gilt für die ganze Dauer der Bewilligung.“
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat im Rahmen der Vernehmlassung eine nicht abschliessende Liste der für 30 m bzw. 60 m zugelassenen PSM erstellt. Heidi hat sie durchleuchtet und einige Eigenschaften in einer Liste zusammengestellt, Stand 16.3.16: Pflanzenschutzmittel in der Luftapplikation 30 m/60 m. Unter diesen PSM befinden sich zahlreiche sehr schädliche Mittel.
Nebenbei gesagt: Heidi hatte im März 2016 in mühsamer Arbeit alle PSM ihrer Liste mit dem Pflanzenschutzmittelverzeichnis des BLW verlinkt, damit ihre LeserInnen die Tabelle einfach kontrollieren bzw. die Mittel studieren können. Doch schon bald darauf gab’s eine Revision und aus PSM X wurde PSM A … usw., denn jedes PSM hat zwar im Pflanzenschutzmittelverzeichnis eine Platznummer und lässt sich exakt verlinken, doch bei einer Revision – was häufig passiert – werden die Plätze neu zugeteilt.
Vollzug
Der Vollzug funktioniert auch bei der Luftapplikation nicht gut. Ein Leser erzählte Heidi, dass er auf einem Campingplatz im Wallis vom Helikopter aus mit PSM besprüht worden sei. Einheimische beschreiben in Medienberichten immer wieder massive Spritzfehler.
Heidi ist überzeugt, dass die kleinräumige Schweiz irgendwann ihre Richtlinien der EU anpassen wird und die Luftapplikation verbietet. Die Frage ist nur: Wann?
Weitere Informationen:
Pflanzenschutzmittel-Sprühflüge: massive Lockerung der Abstandsvorschriften?, Heidis Mist 3.3.16
Pflanzenschutzmittel-Sprühflüge: Ausnahmen, Heidis Mist 8.3.16
16.9.16 HOME
Schlagwörter: BAFU, BAZL, BLV, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Bundesamt für Umwelt, Bundesamt für Zivilluftfahrt, Grundwasserschutzzone, Hecken, Helikopter, Luftapplikation, Pflanzenschutzmittel, PSM, S1, S2
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