
Eigentlich ist es stockdunkel im Grundwasser. Heidi hat einen Lichtstrahl geschickt, damit Sie dieses Tierchen sehen. Es hat sich für den Anlass Goldschmuck angelegt, denn es weiss, was es wert ist im Reinigungsdienst des Grundwasssers und möchte auch, dass die Menschen dies estimieren. Das Bild ist keine naturwissenschaftlich korrekte Darstellung der Verhältnisse im Grundwasser.
Gesetz
Was hat man den Lebewesen im Grundwasser und uns BewohnerInnen der Schweiz in der Gewässerschutzverordnung versprochen? Im Anhang 1, Art. 1 Ökologische Ziele für Gewässer, 2 Unterirdische Gewässer, 3:
Die Grundwasserqualität soll so beschaffen sein, dass
- a) die Temperaturverhältnisse naturnah sind;
- b) im Wasser keine künstlichen, langlebigen Stoffe enthalten sind;
- c) andere Stoffe, die Gewässer verunreinigen können und die durch menschliche Tätigkeit ins Wasser gelangen können:
– in der Biozönose und in der unbelebten Materie des Grundwasserleiters nicht angereichert werden,
– im Grundwasser nicht vorhanden sind, wenn sie dort natürlicherweise nicht vorkommen,
– keine nachteiligen Einwirkungen auf die Nutzung des Grundwassers haben.
Wirklichkeit
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) zeigt mit Indikatoren den Zustand und die Entwicklung der Umwelt anhand ausgewählter Kenngrössen. Heidi hat Grundwasser nachgeschlagen:
Nitrat und Pflanzenschutzmittel stammen zum Grossteil aus der Landwirtschaft, die flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) aus Kläranlagen; sie gelangen über Bäche und Flüsse ins Grundwasser. Bei den Pflanzenschutzmitteln und den VOC wagt das BAFU offenbar keine Prognose. Quelle: Indikatoren.
Schauen wir etwas genauer hin, zwar sind es nicht die allerneuesten Zahlen, aber die Verschmutzung dürfte kaum abgenommen haben, im Gegenteil!
Abseits der Acker- und Gemüsebaugebiete, Siedlungen und Strassen sieht die Lage besser aus, denn dort kommen weniger Schadstoffe in die Umwelt und es spielt der Verdünnungseffekt, der auch bei grossen Gewässern Intaktheit vortäuscht. Durch Abschmelzen von Gletschern gelangen auch längst verbotene Chemikalien in die Gewässer. Diese wurden einst über die Luft abgelagert, stammen zum Teil von weit entfernten Gebieten. Ein aktueller Blick in die globalen Windströmungen und die Verschmutzung mit Feinstaub (PM2.5) ist immer wieder interessant:
Worldwide air quality index (AQI) and PM2.5 air pollution
Nitrat im Grundwasser
Quelle: BAFU Grundwasser
Pflanzenschutzmittel im Grundwasser
Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln können giftiger sein als die Mittel selbst.
Quelle: BAFU Grundwasser
Weitere Stoffe
Im Grundwasser gefunden werden auch Arzneimittel und perfluorierte Chemikalien, beide aus Kläranlagen.
Perfluorierte Chemikalien (VOC) kommen in urbanen Gebieten an 14% der Messstellen in Konzentrationen über dem Grenzwert vor. Es handelt sich dabei v.a. um die flüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffe (FHKW) Tri- und Tetrachlorethen. Beide Chemikalien kommen z.B. als Lösungsmittel in der Textilreinigung und der metallverarbeitenden Industrie zum Einsatz.
Eine weitere, im Grundwasser häufig nachgewiesene Substanz ist Methyl-tert-butylether (MTBE), das seit Mitte der 80-er Jahre als Antiklopfmittel dem Benzin zugesetzt wird. MTBE ist gut wasserlöslich und im Untergrund relativ persistent, da es kaum an Bodenpartikel bindet und von Mikroorganismen schlecht abgebaut wird. MTBE findet in der organischen Chemie zunehmend Verwendung als Lösungsmittel sowie Extraktionsmittel (Wikipedia).
Über gesundheitliche Aspekte von MTBE ist wenig bekannt. Wahrscheinlich beeinflusst es das Nervensystem. Es kann Kopfschmerzen verursachen, Übelkeit, Schwindel, Reizung der Nase oder des Halses und Verwirrung (Agency for Toxic Substances and Disease Registry USA). Hauptsächliche Aufnahmequelle für Menschen sind: Abgase beim Autofahren und Tanken sowie verschmutztes Grundwasser. In kleinen Mengen ist MTBE auch in der Stadtluft enthalten oder in der Nähe von Autobahnen.
Quelle: BAFU Flüchtige organische Verbindungen
Grundwasserschutz mehr Theorie, denn Praxis
Das Grundwasser ist unsere wichtigste Trinkwasserquelle. Wir brauchen es auch zum Bewässern … Was würden Sie tun, wenn Sie im Bundesrat sässen? Was tun Sie als Bewohner der Schweiz? Vorbeugen ist besser und wesentlich kosteneffizienter als „heilen“. Das Grundwasser wieder sauberzukriegen ist eine langwierige und teuere Angelegenheit und ob es gelingt? Das steht in den Sternen!
Soeben eingetroffen: Umwelt Schweiz 2018
Der Bericht des Bundesrates zur Umweltlage thematisiert ausführlich das Problem mit den Stickstoffüberschüssen. Schon 2011 schrieb das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eine Medieninformation mit dem Titel Stickstoff in Landwirtschaft und Umwelt: Eine Herausforderung. Eine der zwei besprochenen Studien wurde an der ETHZ unter der Leitung von Bernhard Lehmann erarbeitet. Die Links zu den Studien funktionieren zwar nicht mehr, aber wenn man die Titel in einer Suchmaschine eingibt, dann findet man sie.
Kurz nach Abschluss der ETHZ-Studie wurde Lehmann zum Direktor des BLW gewählt. „Was hat sich seither verbessert?“, frägt sich Heidi und meint: „Nichts Grundlegendes!“
Heidi hat die neuesten Ergebnisse zur Grundwasserverschmutzung nachgeschlagen (Seite 109): „Vor allem in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft weist das Grundwasser zu viel Nitrat auf (BAFU 2019a) (-> Abbildung 32) sowie Spuren von Pflanzenschutzmitteln und deren Abbauprodukten (Reinhardt et al. 2017).“ Nichts weiteres über die Pflanzenschutzmittel! Heidi las zwischen den Zeilen und meint: „Man will den UnterstützerInnen der zwei Pestizid-Initiativen keine Argumente liefern.“
Der Bericht Reinhardt ist nur für AbonnentInnen von Aqua & Gas zugänglich. Heidi hat ihn aber gefunden und für Sie im Sinne des Öffentlichkeitsprinzips in der Linkliste aufgeführt: Monitoring von PSM-Rückständen im Grundwasser. Monitoring wird systematisch nur für relativ wenige Pestizide durchgeführt, denn es wäre zu teuer, alle mitsamt den Abbauprodukten zu analysieren. Ob man die problematischsten erwischt hat? Heidi kommt Atrazin in den Sinn, das von der Industrie als nicht Grundwasser-gängig propagiert wurde und noch heute im Grundwasser ist, samt Abbauprodukten. In zahlreichen Ländern ist das Herbizid immer noch erlaubt und wird von Syngenta eifrig produziert und verschickt. Attrazin ist wohl immer noch ein Kassenschlager.
Vor allem Abbauprodukte von Pestiziden treten in Konzentrationen über dem Grenzwert auf. Diese wurden im Zulassungsverfahren (BLW) als nicht relevant eingestuft. Jedoch sind gerade diese Stoffe sehr schwer abbaubar und werden daher noch lange im Grundwasser sein. Eine unabhängige Risikobewertung liegt nicht vor.
Aus dem Artikel Reinhardt:
Zitate:
„… Im Vergleich zu den PSM-Wirkstoffen sind viele Metaboliten mobiler und zudem häufig langlebiger. So werden 11 PSM-Metaboliten (von 7 verschiedenen Wirkstoffen) an insgesamt rund 20% der Messstellen in Konzentrationen von mehr als 0,1 µg/l nachgewiesen (Tab. 4). An mehr als 50% der Messstellen treten PSM-Metaboliten im Grundwasser auf …
… Unabhängig von ihrer Toxizität zählen PSM-Metaboliten zu den künstlichen langlebigen Substanzen, deren Eintrag ins Grundwasser im Sinn eines vorsorgenden Grundwasserschutzes verhindert bzw. minimiert werden sollte. Einmal ins Grundwasser gelangt, werden sie dort kaum oder nur sehr langsam abgebaut. Da sich das Grundwasser häufig erst innerhalb mehrerer Jahre bis Jahrzehnte erneuert und daher ein ausgesprochenes «Langzeitgedächtnis» besitzt, ist es besonders wichtig, frühzeitig und vorausschauend zu agieren …
… Aktuell findet in Zusammenarbeit mit der Eawag erneut ein Target– und Suspect-Screening
statt, bei dem ausgewählte Messstellen auf knapp 200 PSM-Wirkstoffe und bis zu 1000 PSM-Metaboliten untersucht werden.“ …
Und all die Untersuchungen – auch Kantone sind dran – kosten. Wer bezahlt? Wir! „So kann es nicht weitergehen“, meint Heidi.
Weitere Informationen: Zustand des Grundwassers, BAFU
Umweltverschmutzung folgt nicht der Kuznets-Kurve! Heidis Mist vom 9.11.17
Das Grundwasser konsequent schützen, BAFU 2009
Das Grundwasser lebt, Heidis Mist vom 22.2.13
Umwelt Schweiz 2018, Bericht des Bundesrates
Monitoring von PSM-Rückständen im Grundwasser, Artikel Aqua & Gas 6/17
Stickstoff in Landwirtschaft und Umwelt: Eine Herausforderung, Medieninformation Bundesamt für Landwirtschaft vom 11.1.11
Stickstoff in Landwirtschaft und Umwelt: Eine Herausforderung, Heidis Mist vom 12.1.11
13.1.19 HOME
Schlagwörter: BAFU, Bäche, Bernhard Lehmann, BLW, Bundesamt für Landwirtschaft, Bundesamt für Umwelt, flüchtige organische Verbindungen, Flüsse, Gewässer, Gewässerschutzverordnung, Grundwasser, Grundwasserlebewesen, Grundwasserverschmutzung, GSchV, Kläranlage, Methyl-tert-butylether, MTVE, Nitrat, Pestizide, Pflanzenschutzmittel, PSM, Stickstoff, Tetrachlorethen, Trichlorethen, Umwelt Schweiz 2018, Umweltindikatoren, VOC
14. Januar 2019 um 08:17 |
Liebe Heidi
„Wenn ich mir die rot-gelb-grünen Abbildungen so ansehe, frage ich mich, wieso die Goldenen Kälber Verkehr und Landwirtschaft seit mehr als 30 Jahren sudeln können, wie sie möchten. Als gäbe es keine Kenntnisse über Gesundheit und Umwelt, als gäbe es keine Gesetze. Und das gilt für Grundwasser- wie Oberflächenwasser sowie Bodenschutz gleichermaßen.
Wenn wir seinerzeit die rot-gelb-grüne Realität der Abwasserbelastung genau so angefasst hätten, organische und chemische Belastung in ihren breiten Facetten, würden wohl immer noch Schaumberge sowie viele Kilometer vom Gewässerleben „befreiter“ Gewässerstrecken das Bild bestimmen.
Wer wollte in solch einer Welt leben ?!
Die Umsetzung von Fachlichkeit und Recht brachte uns kurzfristig zum Verschwinden der roten, zum Minimieren der gelben Situationen hin zum fachlich und politisch als Ziel erklärten „Grün“.
Ich wünsche mir für das fast noch neue Jahr 2019 die seinerzeitige Konsequenz (zurück): mit regelhaftem Handeln in überschaubarer (kurzer) Zeit – das Nichthandeln der vergangenen 3 Jahrzehnte bei den Themen Verkehr und Landwirtschaft in Verbesserungen umzusetzen.“
Herzlich grüßt
Ludwig
14. Januar 2019 um 12:01
Danke, Osmerus, für den absolut treffenden Kommentar.
Es ist mir unerklärlich wie die Politiker, die Beamten … funktionieren, wo wir sie doch so teuer bezahlen für ihre Ignoranz. Ein Hoffnungsschimmer sind die tapferen KämpferInnen wie Franziska Herren (Trinkwasser-Initiative). Ich habe sie letzte Woche in Zürich HB flüchtig gesehen und es wurde mir warm ums Herz. Sie war auf dem Weg zu einem Vortrag … nimmermüde kämpft sie für sauberes Wasser. Neu demonstrieren in der Schweiz Schüler für ihre Klima-Zukunft, schwänzen einfach die Schule. Ziviler Ungehorsam gewinnt an Bedeutung, wenn wir nicht im Zivilisationssumpf ersticken wollen. Der Wille für Massnahmen fehlt bei den Zuständigen. Das Grundwasser ist ja nur ein Ort der Misswirtschaft.
So müssen wir 2019 weiter agieren!
Herzliche Grüsse aus der Schweiz
Heidi