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Weltweite Bedrohung der Ernährungssicherheit durch Pilzkrankheiten

18. Mai 2023
Der Einsatz von Fungiziden nimmt zu, was zu mehr fungizidresistenten Krankheitserregern führt.

Der Einsatz von Fungiziden nimmt zu, was zu mehr fungizidresistenten Krankheitserregern führt.

Quelle: Address the growing urgency of fungal disease in crops. Eva Stukenbrock, Sarah Gurr, Nature Comment 2.5.23

Eine stärkere Sensibilisierung von Politik und Öffentlichkeit für die Notlage der weltweiten Nutzpflanzen in Bezug auf Pilzkrankheiten sei von entscheidender Bedeutung, um eine grosse Bedrohung für die weltweite Ernährungssicherheit abzuwenden, das schreiben Eva Stukenbrock, Professorin und Leiterin der Gruppe Umweltgenomik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland, und Sarah Gurr, Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Ernährungssicherheit an der Universität von Exeter, UK, in einem Kommentar in Nature vom 2.5.23.

Im Oktober 2022 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre erste Liste von Pilzerregern, die Menschen infizieren, und warnte davor, dass bestimmte, immer häufiger auftretende krankheitsverursachende Pilzstämme Resistenzen gegen bekannte Antimykotika erworben haben. Obwohl jedes Jahr mehr als 1,5 Millionen Menschen an Pilzkrankheiten sterben, ist die WHO-Liste der erste globale Versuch, systematisch Prioritäten für die Überwachung, Forschung und Entwicklung sowie für Massnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Bezug auf Pilzerreger zu setzen.

Pilzproblem in der Landwirtschaft steigt

Das Bewusstsein für die durch Pilzkrankheiten verursachte Notlage der weltweiten Nutzpflanzen müsse viel stärker geschärft werden, ebenso wie die Investitionen der Regierungen und des privaten Sektors in die Erforschung von Pilzkulturen, schreiben Stukenbrock und Gurr.

Hunderte von Pilzkrankheiten befallen die 168 Kulturpflanzen, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) als wichtig für die menschliche Ernährung eingestuft werden. Trotz des weit verbreiteten Einsatzes von Fungiziden und des Anbaus krankheitsresistenterer Sorten verlieren die Landwirte weltweit jedes Jahr zwischen 10 und 23 Prozent ihrer Ernte durch Pilzkrankheiten und weitere 10 bis 20 Prozent gehen nach der Ernte verloren. Die fünf wichtigsten Kalorienpflanzen – Reis, Weizen, Mais, Sojabohnen und Kartoffeln – können z.B. vom Reisblastpilz, Weizenstängelrost, Maisrost, Sojarost und der Kartoffelfäule befallen werden. Die Verluste durch diese Pilze entsprechen einer Menge an Lebensmitteln, die ausreicht, um 600 bis 4’000 Millionen Menschen ein Jahr lang mit 2’000 Kalorien pro Tag zu versorgen. Diese Verluste werden in einer sich erwärmenden Welt wahrscheinlich zunehmen.

Pilze sind äusserst effektive Krankheitserreger. Sie produzieren riesige Mengen an Sporen. Die Sporen einiger Arten können im Boden überleben und bis zu 40 Jahre lang lebensfähig bleiben und z.B. die Sporen des Weizenstängelrosts können zwischen Kontinenten reisen. Pilze weisen auch ein phänomenales Mass an genetischer Variation und Plastizität auf. In einigen Fällen ist auch der Gen-Transfer zwischen Pilzen und Bakterien oder Pflanzen möglich.

Probleme verursacht durch moderne Landwirtschaft

Die aktuellen Probleme sind entstanden, weil die Anpassungsfähigkeit der Pilze auf moderne landwirtschaftliche Praktiken trifft. Die meisten Monokulturen bestehen aus riesigen Flächen mit genetisch einheitlichen Pflanzen. Die grösste Monokultur der Welt ist ein mehr als 14’000 Hektar grosses Feld mit genetisch einheitlichem Weizen in Kanada. Diese bieten einer so produktiven und sich schnell entwickelnden Gruppe von Organismen ideale Nahrungs- und Brutstätten. Hinzu kommt, dass der zunehmend verbreitete Einsatz von Fungiziden, die auf einen einzelnen zellulären Prozess des Pilzes abzielen zum Entstehen von Fungizidresistenzen geführt hat.

Seit den 1990er Jahren bewegen sich die Pilzerreger mit einer Geschwindigkeit von rund 7 km pro Jahr polwärts. Landwirte haben bereits Weizenstängelrost-Infektionen, die normalerweise in den Tropen auftreten, in Irland und England gemeldet. Steigende Temperaturen könnten auch die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und ihrem Mikrobiom, einschliesslich Symbionten, die in Pflanzen leben, beeinträchtigen. Solche harmlosen Pilze könnten pathogen werden, wenn Pflanzen ihre Physiologie als Reaktion auf Umweltstress verändern. Darüber hinaus könnte die Toleranz von Pilzen gegenüber höheren Temperaturen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass opportunistische, im Boden lebende Krankheitserreger den Wirt wechseln und bei Tieren oder Menschen pathogen werden.

Zu diesen Problemen kommt noch der Druck auf das Nahrungsmittelsystem durch die wachsende Bevölkerung hinzu. Die Menschheit steht vor noch nie dagewesenen Herausforderungen für die Nahrungsmittelproduktion.

Nutzpflanzen besser schützen

Um die Nutzpflanzen der Welt besser vor Pilzkrankheiten zu schützen, bedürfe es eines viel einheitlicheren Ansatzes als bisher – mit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Landwirten, der Agrarindustrie, Pflanzenzüchtern, Biologen für Pflanzenkrankheiten, Regierungen und politischen Entscheidungsträgern und sogar philanthropischen Geldgebern.

Es reicht nicht mehr aus, sich auf Pflegemassnahmen wie die Beseitigung oder Verbrennung von erkranktem Pflanzengewebe abzustützen, konventionelle Methoden zur Züchtung von Pflanzen auf einzelne Krankheitsresistenzgene oder das Sprühen von Fungiziden, die überwiegend nur an einer Stelle wirken, zu konzentrieren. Landwirte und andere Beteiligte müssen sich verschiedene technische Innovationen zunutze machen, um Pflanzenkrankheiten wirksamer zu überwachen, zu verwalten und zu bekämpfen. Es werden bereits mehrere Ansätze entwickelt oder eingesetzt, um die Auswirkungen von Krankheiten zu begrenzen und die Ernteerträge zu schützen.

  • Entdeckung und Entwicklung von Pilzbekämpfungsmitteln
    Es sei an der Zeit, sich nicht mehr auf Fungizide zu verlassen, die nur an einer Stelle angreifen, sondern nach Verbindungen zu suchen, die auf mehrere Prozesse im Krankheitserreger abzielen. Im Jahr 2020 entdeckte ein interdisziplinäres Forschungsteam an der Universität von Exeter (Grossbritannien) ein interessantes Kandidatenmolekül – ein lipophiles Kation (C18-SMe2+), das auf mehrere Pilzprozesse abzielt.
  • Für eine grössere Vielfalt auf den Feldern
    Der Anbau von Saatgutmischungen, in denen mehrere Kulturpflanzen mit unterschiedlichen Resistenzgenen kombiniert werden, könnte eine wichtige Möglichkeit sein, die Entwicklung von Krankheitserregern zu verlangsamen. Im Jahr 2022 wurden in Dänemark rund 25 Prozent der gesamten Weizenproduktion mit gemischten Sorten angebaut, die ausgewählt wurden, weil sie ähnlich schnell wachsen und komplementäre Krankheitsresistenzgene tragen. Diese Sorten könnten die Ausbreitung von Krankheiten und die Erosion von Resistenzgenen verringern.
  • Krankheitsfrüherkennung und -überwachung
    Künstliche Intelligenz, Satelliten, Fernerkundungsinstrumente (z. B. Drohnen), Anreize für Landwirte, Krankheiten zu melden, und gemeinschaftliche Wissenschaftsprojekte, die die Öffentlichkeit in die Meldung von Pflanzenkrankheiten bei Nutzpflanzen und bei Wildarten einbeziehen, führen allmählich zu einer wirksameren Überwachung von Pilzkrankheiten. Genauere Krankheitsvorhersagen könnten wiederum frühzeitige Interventionen auslösen, um Ernteausfälle zu vermeiden.
  • Krankheitsresistenz und Pflanzenimmunität
    Bei der konventionellen Pflanzenzüchtung werden in eine bestimmte Sorte ein oder zwei Gene eingeführt, die eine Resistenz gegen eine bestimmte Krankheit verleihen, die so genannten R-Gene. Doch obwohl Krankheitserreger diese durch R-Gene vermittelte Resistenz innerhalb weniger Jahre überwinden können, kann es 10 bis 20 Jahre dauern, bis die Forscher ein R-Gen entlarven und ein Agrarunternehmen die neue Sorte verkauft. Die Einbindung von zwei oder mehr R-Genen kann die Resistenz gegen eine Vielzahl von Krankheitserregern erweitern. Feldstudien haben jedoch gezeigt, dass die auf diese Weise erreichte Resistenz nur von kurzer Dauer sein kann.
    Pflanzen verfügen jedoch über ein früheres Erkennungssystem für Krankheitserreger.  Diese Rezeptoren werden als Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) bezeichnet. Diese Art der „Immunstärkung“ könnte mit neuen, mit R-Genen veränderten Sorten oder durch R-Gen-Pyramidierung mit Hilfe der konventionellen Züchtung kombiniert werden, um eine dauerhaftere und umfassendere Resistenz gegen die wichtigsten Krankheitserreger zu erreichen. Ein wesentliches Hindernis für die schnelle und effiziente Nutzung dieses Ansatzes – insbesondere in Europa – sei der öffentliche und politische Widerstand gegen den Einsatz transgener Pflanzen.
  • Nutzung von Biologika und Pflanzenbiotika
    Biologika sind eine breite Kategorie von Produkten, die von lebenden Organismen stammen. So wie das Interesse an Probiotika in der Medizin in den letzten zehn Jahren zugenommen hat, so ist auch das Interesse an der Verwendung von Biologika im Pflanzenschutz gestiegen.
    Pflanzen wachsen nicht allein – sie gehen Verbindungen mit verschiedenen mikrobiellen Gemeinschaften ein, die eine Rolle bei der Pflanzenentwicklung, Stresstoleranz und Krankheitsresistenz spielen können. In den letzten zehn Jahren haben neue Methoden zur Erstellung von Mikrobenprofilen die Existenz von nützlichen mikrobiellen Netzwerken offenbart. Solche könnten im Boden zur Förderung des Pflanzenwachstums und zur Verbesserung des Krankheitsschutzes eingesetzt werden. Sie dürfen aber die im Boden vorhandenen Mikroben nicht schädigen oder selber pathogen werden.
  • RNA-Verkehr zwischen Pflanzen und Pilzen
    Im Jahr 2013 zeigte ein Forscherteam, dass kleine RNAs (sRNAs) aus dem Grauschimmelpilz Botrytis cinerea an der Immunität beteiligte Gene des Pflanzenwirts ausschalten können. Einige der Forscher zeigten dann, dass doppelsträngige RNAs (dsRNAs) und sRNAs aus dem Pilz Gemüse und Obst bis zu zehn Tage lang vor Grauschimmelkrankheiten schützen können. RNAs werden jedoch nicht nur vom Pilz auf den Wirt übertragen – auch Pflanzenwirte senden Vesikel aus, um Virulenzgene des Pilzes zu unterdrücken. Eine wachsende Zahl von Forschern und neu gegründeten Technologieunternehmen versucht nun, diese natürlich vorkommenden, auf RNA-Interferenz (RNAi) basierenden Transportsysteme zu nutzen, um Nutzpflanzen besser gegen Pilzkrankheiten zu schützen. Dieser Ansatz ist jedoch langwierig und kostspielig und kann in den vielen Ländern, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen verboten sind, nicht umgesetzt werden. Daher liegt das Hauptaugenmerk jetzt auf dem sprühinduzierten Gen-Silencing oder SIGS, bei dem sRNAs oder dsRNAs direkt auf Pflanzen aufgebracht werden, als neue, umweltfreundliche und nicht gentechnisch veränderte Pflanzenschutzstrategie. Hiezu besteht jedoch noch Forschungsbedarf.

Eine globale Einrichtung für die Pflanzengesundheit

Zwischen Januar 2020 und Januar 2023 stellte der britische Forschungs- und Innovationsrat (UKRI) rund 686 Millionen US-Dollar für die COVID-19-Forschung zur Verfügung, und weltweit wurden fast 225’000 Artikel über COVID-19 veröffentlicht. Im gleichen Zeitraum gab das UKRI etwa 30 Millionen Dollar für die Erforschung von Pilzkulturen aus, und weltweit wurden etwa 4’000 Arbeiten über Kulturpflanzen und Pilzkrankheiten veröffentlicht. Da die Ernährungssicherheit Gesundheit und Wohlbefinden bedingt, sind Landwirtschaft und Landwirte für die menschliche Gesundheit wohl ebenso wichtig wie Medizin und Gesundheitsdienstleister.

Um der Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch Pilzkrankheiten bei Nutzpflanzen zu begegnen, müssten sich Regierungen, philanthropische Organisationen und private Unternehmen stärker mit dem Problem auseinandersetzen und mehr in diese Forschung investieren.

Das Internationale Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC) ist ein von der FAO unterstütztes Gremium, das die Pflanzenressourcen der Welt vor Krankheitserregern schützen soll. Es ist weit weniger bekannt als andere Gremien, die sich mit Bedrohungen für das menschliche Wohlergehen befassen, wie z. B. die WHO. Die 180 Mitgliedsstaaten, die das IPPC-Abkommen unterzeichnet haben, müssen zusammenarbeiten, um dies zu ändern, finden Stukenbrock und Gurr.

Da Viren und Bakterien als Erreger menschlicher Krankheiten dominieren, wurde diesen Mikroben viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt als Pilzen. Dabei sind Pilze in Nutzpflanzen die mit Abstand wichtigsten Krankheitserreger. Die WHO-Liste der Pilzerreger, die Menschen infizieren, ist ein Schritt, um dieser aussergewöhnlichen, aber wenig erforschten Gruppe von Mikroben mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Um die grössten Bedrohungen für die Lebensmittelsicherheit – und damit für die menschliche Gesundheit – zu bekämpfen, müsse man sich jedoch auch mit den verheerenden Auswirkungen befassen, die Pilze auf die weltweite Lebensmittelversorgung haben und weiterhin haben werden.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag hier: Address the growing urgency of fungal disease in crops. Nature Comment 2.5.23

Natur 617, 31-34 (2023)

doi: https://doi.org/10.1038/d41586-023-01465-4

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Mehr als 700 WissenschaftlerInnen fordern eine ehrgeizige Pestizidpolitik für die europäische Landwirtschaft

7. April 2023

Der Agrarpolitik-Blog hat den offenen Brief von mehr als 700 WissenschaftlerInnen, die eine ambitionierte europäische Pestizidpolitik fordern, auf Deutsch veröffentlicht.

Was in der EU passiert, das betrifft auch die Schweiz. Gerade die Pestizidregulierungen werden von unseren Behörden mehr oder weniger übernommen, Verbote von Wirkstoffen oft mit einiger Verspätung. Daher ist dieser Aufruf von WissenschaftlerInnen, auch Schweizer, wichtig für uns. Heidi hat den offenen Brief aus der Wissenschaft von mehreren Seiten verlinkt erhalten, was die Bedeutung des folgenden Beitrags unterstreicht:

Der intensive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft verursacht grosse Risiken für Mensch und Umwelt. Die EU hat sowohl in der «Farm to Fork“-Strategie als auch im Rahmen des globalen Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework ambitionierte Reduktionsziele fixiert, die in wenigen Jahren erreicht werden sollen. Diese Ziele geraten zunehmend unter politischen Druck. Mehr als 700 WissenschaftlerInnen forderten in einem offenen Brief die unverzügliche und definitive Verabschiedung einer ehrgeizigen Pestizidpolitik für die europäische Landwirtschaft. In einem in der Zeitschrift Nature Food veröffentlichten Artikel haben wir die Diskussion und Argumente zusammengefasst (Candel et al. 2023).

Lesen Sie bitte den vollständigen Artikel! Es ist wichtig, dass wir uns informieren, denn die Wissenschaft hat allenthalben Mühe, von der Politik gehört zu werden, da dort viele LobbyistInnen sitzen: Mehr als 700 WissenschaftlerInnen plädieren für eine ambitionierte europäische Pestizidpolitik. Jeroen Candel, Guy Pe’er & Robert Finger, Agrarpolitik-Blog 5.4.23

Candel, J., Pe’er, G., Finger, R. (2023). Science calls for ambitious European pesticide policies. Nature Food 31.3.23 https://www.nature.com/articles/s43016-023-00727-8

Scientists call for ambitious Sustainable Use of Pesticides Regulation. Candel, Jeroen, offener Brief, Stand vom 22.12.22

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Konventionelle und biologische Pestizide im Vergleich

13. März 2023
Quelle: Global 2000

Quelle: Global 2000

Heidi hat einen Hinweis auf folgenden Beitrag von Global 2000 erhalten: Konventionelle und biologische Pestizide im Vergleich, 23.2.23. Sie hatte schon am 7.12.22 über die wissenschaftliche Studie berichtet, die diesem Beitrag zugrunde liegt: Toxische Pestizide: So weit haben wir es gebracht! Weil das Thema so wichtig ist, zitiert Heidi im Folgenden aus dem Artikel von Global 2000:

„Die BefürworterInnen der industriellen Landwirtschaft behaupten, Bio-Bäuerinnen und -Bauern würden Gifte sprühen – und das nicht zu knapp. Ob Chemie oder Naturstoff spiele keine Rolle. Damit beschädigen sie den Ruf der Bio-Landwirtschaft. Zeit für einen Faktencheck!

Die negativen Auswirkungen des massenhaften Einsatzes von Pestiziden auf die biologische Vielfalt, das Klima und die Gesundheit nehmen stetig zu. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, hat die EU-Kommission im Mai 2020 im Rahmen des European Green Deal die Farm to Fork-Strategie vorgestellt.

Damit soll der Übergang zu einem fairen, widerstandsfähigen und artenfreundlichen Landwirtschafts- und Lebensmittelsystem in Europa eingeleitet werden. Zu den wichtigsten Massnahmen gehören:

  • Schutz sensibler Gebiete vor negativen Pestizidwirkungen
  • Halbierung des Einsatzes und der Risiken von Pestiziden
  • Ausweitung der Bio-Landwirtschaft auf 25% der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis 2030

Pestizide im Vergleich

BefürworterInnen der industriellen Landwirtschaft sind der Meinung, dass die biologische Landwirtschaft nicht das sei, was sie vorgibt zu sein. Dabei argumentieren sie vor allem mit zwei Behauptungen:

  • Bio-Bäuerinnen und -Bauern verwenden Pestizide, und zwar ähnlich häufig wie konventionelle.
  • Bio-konforme, natürliche Pestizid-Wirkstoffe sind ähnlich giftig wie synthetische.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Johann Zaller von der BOKU (Universität für Bodenkultur Wien) haben wir im Auftrag von IFOAM Organics Europe, dem Europäischen Dachverband der Bio-Landwirtschaft, die Behauptungen einem Faktencheck unterzogen. Dabei wurde auch ein systematisch toxikologischer Vergleich durchgeführt.

Getestet wurden:

  • 256 Pestizide, die in der konventionellen Landwirtschaft zugelassen sind
  • 134 Pestizide, die auch in der biologischen Landwirtschaft erlaubt sind

Sind konventionelle und biologische Pestizide ähnlich giftig?

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Antwort lautet: nein. Nimmt man die Gefahren-Klassifizierungen und gesundheitliche Richtwerte aus dem EU-Zulassungsverfahren als Massstab für die Bewertung der Giftigkeit von Pestiziden – dann sind die synthetischen deutlich gefährlicher als die natürlichen.

Stellt man die Pestizide anhand ihrer Gefahren-Klassifizierung gegenüber, so zeigen sich deutliche Unterschiede:

  • 55% der meist synthetischen Pestizid-Wirkstoffe, die in der konventionellen Landwirtschaft zugelassen sind, tragen zwischen 1 und 9 Gefahrenhinweise.
  • 3% der natürlichen Pestizid-Wirkstoffe, die auch in der biologischen Landwirtschaft erlaubt sind, tragen zwischen 1 und 5 Gefahrenhinweise.

Nach genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass sich in 16% der in der konventionellen Landwirtschaft verwendeten Pestizide Warnhinweise über mögliche Schäden für das ungeborene Kind, den Verdacht auf Karzinogenität oder akute tödliche Wirkungen finden, aber in keinem Pestizid mit Bio-Zulassung!

40% der synthetischen Pestizid-Wirkstoffe werden als sehr giftig für Wasserorganismen eingestuft, aber nur 1,5% der natürlichen Pestizid-Wirkstoffe.

Keine dieser Gefahren kann derzeit bei den natürlichen Pestizid-Wirkstoffen, die in der Bio-Landwirtschaft erlaubt sind, festgestellt werden.

Unterschiede zwischen den Pestiziden zeigen sich auch, wenn man die gesundheitsbezogenen Richtwerte als Massstab heranzieht: In 93% der meist synthetischen Pestizid-Wirkstoffe, die in der konventionellen Landwirtschaft zugelassen sind, aber nur in 7% der natürlichen Pestizid-Wirkstoffe, die auch in der biologischen Landwirtschaft erlaubt sind, wurde die Festlegung gesundheitsbezogener Richtwerte von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als relevant erachtet.

Die Gegenüberstellung zeigt, dass den biologischen Pestiziden ein deutlich geringeres Risikopotenzial für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zugeschrieben wird, als den konventionellen.

Eine Erklärung für den erheblichen Unterschied in der Giftigkeit liegt in der Art und Herkunft der jeweiligen Pestizid-Wirkstoffe. Fast 90% der 256 konventionellen Pestizide bestehen aus synthetisch hergestellten Substanzen der Erdölchemie.

Im Gegensatz dazu sind alle 134 biologischen Pestizide natürliche oder natürlich gewonnene Stoffe (wie in der EU-Öko-Verordnung (EU) 2018/848 gefordert).

Nun wissen wir, dass „natürlich“ nicht automatisch „ungiftig“ bedeutet. Denken Sie zum Beispiel an die tödlichen Gifte einiger Pflanzen oder Schlangen. Schaut man sich aber die in der EU-Pestiziddatenbank gelisteten biologischen Pestizide an, stellt man schnell fest, dass deren überwiegende Mehrheit aus Substanzen besteht, die als ungiftig gelten können. So sind 75 nicht einmal „Stoffe“ im eigentlichen Sinne, sondern lebende Mikroorganismen (z.B.: Bakterien oder Pilze).

Dieser signifikante Unterschied im Gefahrenprofil der biologischen und konventionellen Pestiziden hängt mit einer grundlegend anderen Wirkungsweise zusammen:

Fast alle synthetischen Pestizid-Wirkstoffe entfalten ihre Wirkung durch Beeinflussung biochemischer Prozesse in den jeweiligen Zielorganismen (z.B.: Schädlinge). Sie wirken als sogenannte „Single-Site“-Inhibitoren von Enzymen oder Rezeptoren. Diese sind für den Zellstoffwechsel und für die Kommunikation innerhalb der Zelle und zwischen verschiedenen Zellen wesentlich. Das grosse Problem daran ist, dass unerwünschte Nebenwirkungen in Nicht-Zielorganismen (z.B.: bei Nützlinge) auftreten können.

Unter den biologischen Pestiziden findet sich solch ein Wirkungsmodus nur bei den Insektiziden „Azadirachtin“, „Pyrethrinen“ und „Spinosad“. Das Insektizid „Azadirachtin“ hemmt die hormonell induzierte Häutung von Insektenlarven. Die Insektizide „Pyrethrine“ als auch „Spinosad“ drosseln die Übertragung von Nervenimpulsen bei Insekten.

Die anderen biologischen Pestizide wirken auf andere Weise, indem sie beispielsweise Schädlinge vertreiben oder die Abwehrkräfte der Pflanze stärken. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass in der biologischen Landwirtschaft nur selten eine Resistenzentwicklung beobachtet wird.

So wirken die biologischen Pestizide

Natürliche Pestizid-Wirkstoffe, wie Essig oder Seife, wirken auf physikalisch-chemische Weise, indem sie die Zellmembran schädigen. Backnatron (Kaliumhydrogencarbonat) oder Löschkalk (Kalziumhydroxid) verändern den pH-Wert und trocknen den Zielorganismus aus. Pflanzenöle bilden eine physische Barriere zwischen der Pflanze und den Schadinsekten.

Einsatz von Pestiziden in der Bio-Landwirtschaft

Die unwahre Behauptung, biologische Pestizide seien vergleichbar giftig wie konventionelle, ist oft mit einer anderen Unterstellung verbunden: Die Häufigkeit ihrer Verwendung in der Bio-Landwirtschaft sei mit jener von synthetischen Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft vergleichbar.

Der einfachste Weg, den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung zu überprüfen, wäre ein Vergleich der Daten zum Pestizideinsatz. Doch leider ist dies nicht möglich. Denn obwohl die EU-Pestizidverordnung von den landwirtschaftlichen Betrieben verlangt, ihre Pestizidanwendungen detailliert und täglich zu dokumentieren, haben sich eine Gruppe von EU-Mitgliedstaaten sowie bis vor kurzem auch Bauernverbände erfolgreich gegen die Verwendung dieser Anwendungsdaten für statistische Zwecke gewehrt.

Im Juni 2022 einigten sich die EU-Mitgliedstaaten darauf, ab 2028 jährlich Daten zum Pestizideinsatz zu erheben und zu veröffentlichen. Doch bis dahin stehen nur die Verkaufsdaten zur Verfügung. Und genau auf diese Daten berufen sich die KritikerInnen der Bio-Landwirtschaft, wenn sie ihr vorwerfen, einen vergleichbaren oder sogar höheren Pestizidverbrauch zu haben als die konventionelle Landwirtschaft.

Grundlage solcher Behauptungen ist eine irreführende Interpretation der Pestizidverkaufsdaten, die die EU-Mitgliedsstaaten jährlich veröffentlichen müssen. In unserem Faktencheck haben wir für Sie ein konkretes Beispiel aus Österreich. Damit kann die Behauptung, der Pestizideinsatz in der biologischen Landwirtschaft sei mit dem in der konventionellen Landwirtschaft vergleichbar, erfolgreich widerlegt werden.

Was können KonsumentInnen tun?

Dass die in der Bio-Landwirtschaft verwendeten natürlichen Pestizid-Wirkstoffe eine ähnliche Giftigkeit aufweisen, wie die in der konventionellen Landwirtschaft verwendeten synthetischen Pestizid-Wirkstoffe, bestätigen die Ergebnisse der Studie nicht.

Daher empfehlen wir beim Einkauf auf saisonale und regionale Produkte zu achten, denn diese sind in der Regel weniger mit Pestiziden belastet. Wirklich sicher sind aber nur Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft, da hier gar keine synthetischen Pestizide eingesetzt werden dürfen.“

Den ausführlichen Bericht von Global 2000 lesen Sie hier: Konventionelle und biologische Pestizide im Vergleich. 23.2.23

Faktencheck

Toxicological Comparison of Pesticide Active Substances Approved for Conventional vs. Organic Agriculture in Europe. Helmut Burtscher-Schaden et al. Toxics 2022, 10(12), 753; https://doi.org/10.3390/toxics10120753 2.12.22

Toxische Pestizide: So weit haben wir es gebracht! Heidis Mist 7.12.22

Pestizidreduktion in Apfelplantagen und Einfluss des Klimawandels. Heidis Mist 5.3.23

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Pestizide: Ein Wunder ist geschehen … oder doch nicht?

11. März 2023
Schweizer Agrarpolitik: Lieber fressen und profitieren statt handeln.

Schweizer Agrarpolitik: Lieber fressen und profitieren statt handeln.

Wir wissen es: Unser Parlament ist bauern- und industriefreundlich. Grundsätzlich wäre das nicht so schlecht, wenn sie nicht auch noch umwelt- und gesundheitsfeindlich wären. Einmal mehr haben die vom Schweizer Volk gewählten PolitikerInnen mehr Ökologie in der Landwirtschaft abgelehnt. Sie wollen einen neuen Bericht und per 2030 soll die nächste Reform in Kraft treten. In sage und schreibe sieben Jahren! Das ist die übliche Verzögerungstaktik. So wird es weiterhin zu viele Tiere geben, zu wenig Klimaschutz, Gewässerschutz, Artenschutz, Gesundheitschutz …

Einen Lichtblick gibt es trotzdem. Die Bauern wollten sogar das Beschwerderecht der Umweltverbände bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, sprich Pestiziden, versenken. So weit ging der Nationalrat dann doch nicht. Er lehnte es ab. Das ist vernünftig und eigentlich schon ein Wunder!

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Pestizide: Einst ein Wildwest-Geschäft – heute immer noch mangelhaft geregelt

9. März 2023
Copyright: Hans Maurer

Quelle: Umweltrecht in der Praxis URP 7/2022, Hans Maurer

Heidi findet im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen immer wieder Pestizide, die das Kind im Mutterleib schädigen oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder vermutlich Krebs erzeugen können usw. Viele Pestizide sind sehr giftig für Wasserorganismen. Heidi frägt sich dann: „Wie kommt es, dass solche Pestizide überhaupt bewilligt wurden, ja sogar für das Sprühen aus der Luft mit Helikoptern. Das Folgende schafft hier Klarheit.

Massnahmen an der Quelle nötig

„Mein Vater, Bauer in Buchs/ZH, mischte in den 1950er Jahren DDT direkt in die Kalkmilch für das Weisseln des Kuhstalls. In den ersten Jahren starben die Fliegen phänomenal, dann liess die Wirkung nach. Höhere Dosen mussten eingesetzt werden.“ Das schreibt Hans Maurer Bauernsohn, Chemiker und Rechtsanwalt im Beitrag „Schädliche Pestizide in der Umwelt: Rechtsmängel, Vollzugsmängel, Verbesserungsmöglichkeiten“, der in der Fachzeitschrift Umweltrecht in der Praxis URP 7 | 2022 erschienen ist. Er zeigt auf, was alles schief läuft … – heute noch – und das ist viel!

Maurer kennt sich in der Pestizidproblematik aus wie kaum ein anderer. Für ihn ist klar, dass Verbesserungen dringend nötig sind. Das vom Bund im Jahre 2017 eingeleitete Programm zur Risikoverringerung (Aktionsplan Pflanzenschutzmittel) bekämpfe das Problem nicht an der Quelle. Ob es die Natur und Artenvielfalt zu schützen vermag, sei zweifelhaft. Nötig seien Massnahmen, die das Zulassungssystem verbessern, vermehrte Massnahmen an der Quelle sowie eine Verhaltensänderung der KonsumentInnen.

Pestizide schädigen die Natur und Artenvielfalt. Lange Zeit waren nur ein paar natürliche «Wirkstoffe» wie Schwefel oder Arsen gegen Schadinsekten oder Pilzkrankheiten bei Pflanzen bekannt. Erst ab den 1940er Jahren wurden immer mehr «chemische» Stoffe für den Pflanzenschutz entwickelt und eingesetzt.

Veraltete Pflanzenschutzgesetzgebung

Maurer: „Rechtsstaatlich und im Lichte einer vollzugstauglichen Gesetzgebung ist die PSMV ein Lehrbeispiel, wie man es nicht machen sollte.“ 1992 trat in der EU die erste Pflanzenschutzgesetzgebung in Kraft, die von der Schweiz einschliesslich der seither erfolgten Revisionen übernommen wurde (Pflanzenschutzmittelverordnung – PSMV). Noch heute basiert die PSMV auf dem Konzept von 1992, das jedoch durch den wissenschaftlichen Fortschritt und grossen Mehreinsatz von Pestiziden überholt sei, so Maurer.

2019 und 2021 hat der Bund die PSMV mit Regeln ergänzt, die das Zulassungsverfahren schwächen. Per 1. Januar 2019 setzte das BLW durch, dass die 10-jährige Befristung für PSM aufgehoben wird. Per 1. Januar 2021 setzte das BLW zudem ein Denkverbot für Mitarbeitende durch: Danach soll bei der Wirkstoffprüfung nur noch auf die «Beurteilungsergebnisse der EFSA sowie die Erwägungen der Kommission der EU» abgestellt werden, die meist nur einige zehn Seiten umfassen.

Diese Änderung sei verfassungswidrig, weil sie dazu führt, dass die Bundesaufgaben zum Schutz der Gesundheit der Menschen (Art. 118 BV), der Umwelt (Art. 74 BV), der Gewässer (Art. 76 BV) und Natur (Art. 78 BV) nicht umgesetzt werden. Die Bestimmung widerspreche auch dem übergeordneten Gesetzesrecht, namentlich dem Vorsorgeprinzip (Art. 1 Abs. 2 Umweltschutzgesetz [USG]) und dem Gebot der Rücksichtnahme auf schützenswerte Tiere und Pflanzen bei der Schädlingsbekämpfung (Art. 18 Abs. 2 NHG), denn beide Bestimmungen stellen auf wissenschaftliche Erkenntnisse ab, nicht auf Umstände, die sich aus (veralteten oder mangelhaften) Beurteilungen der EU ergeben.

Mangelhafter Vollzug

Zum einen seien es Rechtsmängel, welche die Schädigung von Natur und Artenvielfalt zur Folge haben. Zum anderen würden die bestehenden Vorschriften mangelhaft umgesetzt. Die EU-Regeln lassen sich zudem nicht 1:1 auf die Schweiz übertragen, da die Verhältnisse (z.B. Niederschläge) anders sind. Die Vollzugsmängel gehen auf eine unvollständige Rechtsanwendung und insbesondere Missachtung des Vorsorgeprinzips zurück. Dieses verlangt, dass umweltschädliche Stoffe primär an der Quelle bekämpft werden, also durch die Streichung von zugelassenen Wirkstoffen oder den Widerruf bestehender Pflanzenschutzmittelbewilligungen.

Das Inhaltsverzeichnis

Der Beitrag ist in klarem Deutsch verfasst, also für ALLE verständlich. Er ist in folgende Kapitel aufgeteilt:

I. Historisches

1. Von der Antike bis 1930

2. Erste Regulierung bis heute (Übersicht)

II. PSMV: schwer verständlich und veraltete Konzeption

1. Eugen Hubers Alptraum

2. Heutiges Recht beruht auf Konzeption von 1992

III. Systemversagen

1. Hintergründe

2. Rechtsmängel

3. Vollzugsmängel

4. Besondere Verhältnisse in der Schweiz vernachlässigt

IV. Bedeutung des Vorsorgeprinzips im Pflanzenschutzmittelrecht

V. Verbesserungsmöglichkeiten

1. Grundsätze

2. Bisherige Massnahmen des Bundes

3. Notwendige Massnahmen zum Schutz der Biodiversität

Lesen Sie den ganzen Beitrag!

Heidi empfiehlt ihren Leserinnen und Lesern den ganzen Artikel zu lesen. Immer wieder ist man erstaunt, z.B.:

„Einer Bemerkung wert sind die Gebühren für die Bewilligung von Pflanzenschutzmitteln. Diese sind mit einer Maximalhöhe von CHF 2’500.– für ein PSM mit einem neuen Wirkstoff (Art. 24c Gebührenverordnung GebV BLV]; Gesamteinnahmen rund CHF 100’000.–/Jahr, Angabe für 2018) überaus tief und vermögen den Aufwand der beteiligten Behörden (BLV, BAFU, SECO, BLW, Agroscope; total 27 Vollzeitäquivalente) bei weitem nicht zu decken. Bei durchschnittlichen Kosten von CHF 150’000.–/Stelle resultiert ein Kostendeckunsgrad von mageren 2 Prozent.

Die tiefen Gebühren erklären wohl, warum auf dem Schweizer Pestizidmarkt basierend auf nur 300 Wirkstoffen geschätzt 4’000 Produkte zugelassen sind, was die Marktüberwachung durch die dafür zuständigen Kantone (Art. 80 PSMV) faktisch verunmöglicht, und warum ein aufgestauter Berg von 700 Gesuchen (Stand Juni 2022) teils seit über sechs Jahren einer behördlichen Behandlung harrt. Da die Pestizidvermarktung ein kommerzielles Geschäft bildet, ist die Gesuchsbehandlung zu Lasten der Staatskasse verfehlt. In Deutschland beträgt die Gebühr CHF 64’000.– bis 251’000.– pro Bewilligung eines PSM mit einem neuen Wirkstoff.“

Die KonsumentInnen könnten handeln!

„Es wäre im Gesamten allerdings zu kurz gegriffen, die KonsumentInnen zu vergessen. Sie haben es in der Hand, durch den Einkauf (Bio statt konventionell), Konsum (mehr pflanzliche statt tierische Produkte) und weniger Food-Waste den Einsatz von Pestiziden, auch im Ausland, stark zu verringern …

Indem der Bund die Produktion von tierischen Lebensmitteln massiv subventioniert und die Fleischwerbung unterstützt, wirkt er dem eigenen Ziel eines nachhaltigen Ernährungssystems entgegen.“

Nun aber genug copy & paste! Hier finden Sie den vollständigen Artikel; er ist ausgesprochen aufschlussreich:

Schädliche Pestizide in der Umwelt: Rechtsmängel, Vollzugsmängel, Verbesserungsmöglichkeiten. Hans Maurer, Umweltrecht in der Praxis URP 7 | 2022

Heidis Frage: „Wollen wir weiterhin so schlampige oder eher verantwortungslose Regulierungen der Pestizide akzeptieren?“

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Pestizideinsatz reduzieren: Wenn Nachbarn miteinander reden …

7. März 2023

Quelle: Nachbarschaftseffekte und die Umstellung zu pestizidfreien Weizenanbausystemen. Yanbing Wang, Niklas Möhring, Robert Finger, Agrarpolitik-Blog 7.3.23

„Wir untersuchen die räumliche Dimension der Umstellung zu pestizidfreien Weizenanbausystemen. Landwirte, deren Nachbarn auf pestizidfreien Weizenanbau umgestellt haben, stellen mit bis zu 18 Prozentpunkten höherer Wahrscheinlichkeit ebenfalls um, insbesondere, wenn Landwirte offen für den Austausch mit anderen sind. Eingesetzte Anreize (z.B. Direktzahlungen und Preiszuschläge) sind effizienter eingesetzt, wenn sie mit gezielter Investition in Netzwerke und lokalen Austausch kombiniert werden.“

Das ist die Einleitung eines Blog-Artikels von Robert Finger, Professor für Agrarökonomie und -politik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. „Die Verringerung negativer Auswirkungen der landwirtschaftlichen Produktion auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit ist eine grosse Herausforderung für den Agrarsektor. Die Schweiz und andere europäische Länder haben sich kürzlich ehrgeizige Ziele für die Reduzierung von Risiken durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gesetzt (Finger 2021). Die Einführung nachhaltiger Pflanzenschutzstrategien steht im Mittelpunkt dieser Herausforderung. Essenziell ist dabei, dass neue Produktionsmethoden auch wirklich bei Landwirten ankommen und von diesen angenommen werden. Das Verständnis der Faktoren, die zu den Entscheidungen der Landwirte führen, ist daher von zentraler Bedeutung für eine Verbreitung nachhaltiger landwirtschaftlicher Systeme in grossem Massstab.“

Lesen Sie hier weiter: Nachbarschaftseffekte und die Umstellung zu pestizidfreien Weizenanbausystemen. Yanbing Wang, Niklas Möhring, Robert Finger, Agrarpolitik-Blog 7.3.23

P.S.: Ein Kritiker des pestizidfreien IP-Weizenanbaus hat Heidi diesen Beitrag auch geschickt. Je nach Unkrautdruck werden nach dem Anbau von pestizidfreiem Weizen Herbizide eingesetzt. Bei Direktsaat, Mulchsaat oder zur Bekämpfung von Problemunkräutern ist der Einsatz von Glyphosat zwischen der Ernte der Vorkultur und der Saat der Hauptkultur (IP-SUISSE Getreide PSM-frei) mittels Sonderbewilligung möglich. Antrag auf www.ipsuisse.ch oder auf der Geschäftsstelle.

Richtlinien Pflanzenbau, IP 3 Getreide ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel (Getreide «pestizidfrei» / «PSM-frei»,)

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Blick in den Umweltbericht 1993

20. Februar 2023

Beim Stöbern im Archiv hat Heidi zufällig den Umweltbericht 1993 gesehen. 30 Jahre sind vergangen seit seiner Veröffentlichung. Heidi hat in diesem Dokument „Zur Lage der Umwelt in der Schweiz“ des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL, heute Bundesamt für Umwelt BAFU) geblättert.

Vorwort von Philippe Roch

Müssen wir uns von der Wohlstandsgesellschaft verabschieden? … Wenn sich die nachhaltige Entwicklung auf allen Ebenen durchgesetzt haben wird, werden wir vermutlich realisieren, dass es sich mit weniger, besser verteilt, nicht schlechter leben lässt…

Seite 11:

Zusammenfassung – Klima

… Zudem hat unser Land gemeinsam mit den anderen OECD-Staaten vereinbart, nationale Politiken zu beschliessen und Massnahmen zu ergreifen, um anthropogene Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf das Niveau von 1990 zurückzuführen.

Seite 192:

Schwerpunkte des Grundwasserschutzes

Schäden im Grundwasser sind im Gegensatz zu Fliessgewässern deshalb so schwerwiegend, weil sie

  • akkumulieren und lange andauern
  • schwer konkrollierbar sind und
  • kaum repariert beziehungsweise nie völlig saniert werden können.

Dem Grundwaserschutz muss deshalb höchste Priorität gelten, und die Gefahr späterer Schäden muss durch verstärkte Vorsorgemassnahmen vermindert werden.

Seite Seite 131:

8. KLIMA

Von all den Problemen, die im Zusammenhang mit der Umweltzerstörung stehen, sind einige für das Überleben der Menschheit ausschlaggebend. Der Schutz der Atmosphäre ist folglich von grundsätzlicher Bedeutung. Denn die heutigen wissenschaftlichen Kenntnisse lassen den Schluss zu, dass menschliche Aktivitäten die Zusammensetzung der Atmosphäre merklich verändern: Es werden dadurch Gase freigesetzt, die Wärme an der Erdoberfläche zurückhalten, was zu einer Erwärmung der Erdatmosphäre führen kann. Ein Ansteigen des Meeresspiegels, extreme Klimaerscheinungen und eine Zunahme von Niederschlägen dürften direkte Folgen sein – indirekt muss aufgrund der Zunahme von Dürreperioden und des Verlustes an Ressourcen mit grossen Völkerwanderungen und einem zunehmenden Risiko zwischenstaatlicher Konflikte gerechnet werden.

Was haben wir in der Zwischenzeit getan?

Rückblick auf den Gipfel von Rio: Für den Klimaschutz wäre in den vergangenen dreissig Jahren viel mehr möglich gewesen. Sven Titz, NZZ 11.6.22:

„… Denn eines ist auch klar: Der menschengemachte Klimawandel ist inzwischen nicht nur klar nachgewiesen, sondern seine Folgen werden auch immer deutlicher. Sollen ärgere Konsequenzen noch abgewendet werden, müssen die internationalen Massnahmen viel rascher kommen und die Emissionen markanter gesenkt werden, als dies bis anhin der Fall gewesen ist.

Immerhin hat der Klimaschutz mit dem Pariser Abkommen nun eine Grundlage, auf der internationale Fortschritte einfacher zu erzielen sind als früher. Auf diesen pragmatischeren Geist sollte man auch weiterhin setzen.“

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Weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch: „Was würden Sie tun?“

19. Februar 2023
Aus Mikroorganismen hergestelltes Protein für die Käseherstellung

Aus Mikroorganismen hergestelltes Protein für die Käseherstellung im Labor. Film auf 3sat Zukunft des Essens: Lebensmittel aus dem Labor

Quelle: So What Would You Do? George Monbiot, The Guardian 1.2.23

George Monbiot stellt in seiner Kolumne im Guardian vom 1.2.23 die Frage „Was würden Sie tun?“ Er zitiert Zahlen über den steigenden Konsum von tierischen Produkten und verweist auf die Möglichkeit der Herstellung von Fleisch und Milchprodukten im Labor. Diese richten sich nicht an Veganer, sondern an die weitaus grössere Zahl von Menschen, die den Geschmack und die Beschaffenheit von tierischen Produkten mögen. Viele andere schrecken instinktiv vor der Vorstellung von Lebensmitteln zurück, die vertraut erscheinen, es aber nicht sind.

Das Bennett’sche Gesetz besagt: Je reicher die Menschen werden, desto mehr Eiweiss und Fett essen sie, vor allem das Fleisch und die Sekrete von Tieren. „Was gedenken Sie gegen die weltweit steigende Nachfrage nach tierischen Produkten und ihre verheerenden Auswirkungen zu unternehmen? Wenn Sie die neuen Technologien nicht mögen, welche Lösung schlagen Sie dann vor?“ Diese Fragen stellte Monbiot immer wieder und die Antwort ist entweder wütend oder ausweichend. „Das ist die falsche Frage!“ „Wer bezahlt Sie?“ „Wollen Sie, dass wir Schleim essen?“

Bislang hat nur eine der Personen, die Monbiot gefragt hat, direkt geantwortet: die Lebensmittelaktivistin Vandana Shiva. „Sie wiederholen blindlings den Mythos, dass die Menschen mehr Fleisch essen, je reicher sie werden. Inder sind weiterhin Vegetarier, auch wenn sie reich sind. Esskulturen werden durch kulturelle und ökologische Werte geprägt“. Aber der Fleischkonsum in Indien nimmt rapide zu, auch wenn viele Menschen dies heimlich tun. Mit anderen Worten: Trotz religiöser Verbote, die mit Selbstjustiz und in einigen Fällen auch mit Mord durchgesetzt werden, gilt Bennetts Gesetz noch immer, schreibt Monbiot.

Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart ist die Viehzucht wahrscheinlich der mächtigste Akteur der kolonialen Landnahme und der Vertreibung indigener Völker. Das Fleisch frisst den Planeten auf.

Der Widerstand der Fleisch- und Milch-Lobby dürfte noch lange ihren Einfluss walten lassen, auch in der Schweiz, jedoch Investitionen in neue Arten von tierischen Produkten sind hoch. Das zeigt der Film Zukunft des Essens: Lebensmittel aus dem Labor auf 3sat. Danke, lieber Leser, für den Hinweis. Natürlich braucht dies auch Infrastrukturen und Energie, doch dürften diese sehr klein sein im Vergleich mit der heutigen Tierproduktion.

Lesen Sie den vollständigen Artikel hier: So What Would You Do? George Monbiot, The Guardian 1.3.23

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Wenn Marketing krank macht …

5. Februar 2023
Film Dick, dicker, fettes Geld. Copyright: Arte F. Mit einem Klick kommen Sie zum Film.

Film Dick, dicker, fettes Geld. Copyright: Arte F. Mit einem Klick kommen Sie zum Film.

Liebe Heidi

In letzter Zeit gibt es immer mehr Artikel über nachhaltiges Essen. Alle Grossverteiler geben damit an, am Nachhaltigsten zu sein. Sie verkaufen aber Luxuslebensmittel aus Hungerländern usw.

Im heutigen Infosperber ist ein interessanter Bericht über übergewichtige Leute. Und noch ein Link, den ich noch nicht genau studiert habe.

Leute in den armen Ländern essen immer mehr billige Lebensmittel wie die Instantnudeln, die man nur mit heissem Wasser anschütten muss – so einfach und bequem! Mir ist heute eine gesunde Ernährung wichtig und die Rücksicht auf die Umwelt bei der Produktion der Lebensmittel.

Hier die beiden Links:

Fette Menschen, fette Profite. Pascal Derungs, Infosperber 5.2.23

Dick, dicker, fettes Geld. Arte F. Film abrufbar bis 20.5.23

Beste Grüsse

Fabienne

Heidi hat den Beitrag im Infosperber gelesen, der wie folgt beginnt: 2030 wird die Hälfte der Menschheit übergewichtig sein. Fehlt es an Selbstdisziplin? Ein Arte-Film nennt andere Gründe. Weil das Thema so wichtig ist, hat Heidi auch den 88-minütigen Film von Arte F angeschaut.

125 Jahre Coca Cola 2011

Am Schanzengraben in Zürich feuerte Coca Cola 125 Jahre.

Am Schanzengraben in Zürich feuerte Coca Cola 125 Jahre. Zufällig schlenderte Heidi dort vorbei und trank ein Coca Cola aus einer historischen Glasflasche.

Dick, dicker, fettes Geld

Einführungstext zum Film: „Mediziner sprechen von einer Zeitbombe: Bis 2030 ist die Hälfte der Weltbevölkerung übergewichtig oder fettleibig. Adipositas sorgt für einen rasanten Anstieg von Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs – und wird zum schwersten Gesundheitsproblem weltweit. Doch überall wehren sich Menschen gegen dieses Schicksal und versuchen, die Kontrolle über ihre Körper zurückzugewinnen.

Warum ist es noch keinem Land gelungen, diese Epidemie zu stoppen? Laut Lebensmittelindustrie und staatlichen Behörden ist sie auf einen Mangel an individueller Selbstdisziplin zurückzuführen. Stimmt das? Oder ist sie nicht vielmehr das Ergebnis eines kollektiven Versagens, das Symptom einer liberalen Gesellschaft, die Fett verabscheut und fette Menschen produziert? Macht die Gesellschaft ihre Bürger dick?

Frauen und Männer in den USA, Kanada, Mexiko, Chile, Frankreich und Deutschland wehren sich heute gegen dieses Schicksal. Mit den Waffen des Rechts, der Wissenschaft und der Politik kämpfen sie dafür, dass den Lügen ein Ende bereitet wird und die Menschen die Kontrolle über ihre Körper zurückgewinnen. In ihrem Visier: zuckerhaltige Getränke, die so süchtig machen wie harte Drogen; irreführende Werbung, die auf Kinder und Geringverdienende abzielt; Regierungen, die den Junkfood-Konzernen gegenüber beide Augen zudrücken; Lobbyarbeit an der Grenze zur Illegalität.

Diese mutigen Menschen fordern neue Gesetze, um der feindlichen Übernahme unserer Nahrung Einhalt zu gebieten, die seit vier Jahrzehnten andauert. Chile weist bei diesem Kampf den Weg. Welches Land wird folgen und als nächstes den Lebensmittelriesen im Namen der öffentlichen Gesundheit die Stirn bieten?“

Die grosse Zuckerlüge

Noch bis 19.2.23 ist auf Arte diese Film zu sehen: Die grosse Zuckerlüge

„Ist Zucker Gift? Wie ist es der Lebensmittelindustrie gelungen, dass wir uns diese Frage kaum noch stellen? Es begann mit einer geheimen PR-Kampagne in den 70er Jahren. Über 40 Jahre lang hat „Big Sugar“ es geschafft, die Welternährung zu verzuckern. Doch die Kritiker der Industrie haben dazugelernt, die Wissenschaft sammelt neue Erkenntnisse. Eine bittersüße Investigation.“

Wie das Seco nach Nestlés Pfeife tanzte

Diese Warn-Etiketten in Mexiko, wo viele Leute fettleibit sind, wurden von Nestlé heftig bekämpft.

Diese Warn-Etiketten in Mexiko, wo viele Leute fettleibig sind, wurden von Nestlé heftig bekämpft.

Quelle Mexiko: Nestlé ist mitverantwortlich für Todesursache Nr. 1. Infosperber, Timo Kollbrunner, PublicEye vom : „Mit schwarzen Stoppschildern auf ungesunden Lebensmitteln geht Mexiko gegen die grassierende Fettleibigkeit im Land vor.

Doch das Vorhaben stösst auf erbitterten Widerstand der Industriekonzerne und ihrer Sitzstaaten. An vorderster Front: Nestlé und die Schweiz. Dokumente und Mailwechsel belegen, wie willfährig sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) vom Nahrungsmittelgiganten aus Vevey einspannen liess, um gegen Mexikos Gesundheitspolitik zu agitieren. Gemäss exklusiven Marktdaten, die sich Public Eye beschafft hat, stand ein Geschäft von über einer Milliarde Franken auf dem Spiel. Dieses Lobbying der Schweiz für die Geschäftsinteressen von Nestlé ist kein Einzelfall. In Mexiko begann es im November 2019.“

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Reduktion des Fleischkonsums JA – aber nicht so!

31. Januar 2023
Unsere Beziehung zu Tieren ist gespalten. Wer isst das Fleisch seiner Katze? Aber wir fressen das Fleisch der herzigen Kälber!

Unsere Beziehung zu Tieren ist gespalten. Wer isst das Fleisch seiner Katze? Aber wir mästen diese herzigen Kälber und fressen dann ihr Fleisch!

Zahlreiche Studien zeigen, dass wir den Fleischkonsum massiv senken müssen, unserer Gesundheit zuliebe, für einen vernünftigen Selbstversorgungsgrad, für die Umwelt und das Klima. Doch wie sollen wir diesen Weg zusammen mit den Bauern gehen? Schliesslich machen die Bauern das, was ihnen aufgrund der Agrarpolitik existenzsichernd erscheint. Besonders stossend ist, dass Hans Burger, ein früherer Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, die Mutter- oder besser Fleischkuhhaltung stark gefördert hatte. Wenn halt viele Direktzahlungen in die Tierproduktion fliessen, dann ist es nicht verwunderlich, dass dieser bei den Bauern beliebte Zweig floriert.

Wie steht es aber mit dem Absatz? Bei den Schweinen (Überproduktion) momentan katastrophal, auch etwa Rindvieh-Label-Bauern klagen über stockenden Absatz, über Fleischimporte und die Veganuary-Aktionen: Im Januar sollen sich die Leute vegan ernähren. Der Veganuary wurde 2014 von Privatpersonen in Grossbritannien gegründet. Er wird von diversen Supermarkt-Ketten unterstützt, welche für den veganen Januar vegane Produkte promoten oder eigens neue Produkte in ihr Programm aufnehmen.

Gemäss einem Bericht von Keystone-SDA verkauft COOP im Veganuary mehr vegane Produkte, jedoch nicht weniger Fleisch?! (Übrigens hat Coop 2023 den dritten Plant Based Food Report in Zusammenarbeit mit LINK erstellt.) Migros lässt verlauten, dass es noch zu früh sei, um in diesem Jahr klare Trends zu erkennen, äussert sich aber wie folgt: „Andererseits verstehe es sich von selbst, dass ein höherer Verkauf von Alternativen zu tierischen Proteinen zu einem geringeren Verkauf der entsprechenden Fleischprodukte führt.“

Was klar ist, nicht an den Veganuary halten sich die Tiere. Sie müssen weiter gefüttert werden (meist mit viel Importfutter) und setzen Fleisch an. Ein Teil wäre schlachtreif, aber eben!

Vegane Ernährung fördern ist eine gute Sache, denn tierische Produkte benötigen für die gleiche Produktion von Energie das Mehrfache an Land, abgesehen von den Umweltwirkungen. Zudem ist pflanzenbetonte Ernährung erst noch viel billiger, v.a. wenn man nicht auf industriell Verarbeitetes setzt und z.B. Plätzlis aus Hülsenfrüchten selber herstellt und nach eigenem Gutdünken würzt – es muss ja nicht nach Fleisch schmecken! Inzwischen ist das Internet voll von Rezepten für schmackhafte Proteinalternativen. Übrigens, wer Brot selber herstellt und die Körner selber durch die kleine Hausmühle lässt, hat auch die wertvollen Inhaltsstoffe der Keime im Brot, d.h. mehr Protein, Vitamine usw. und es schmeckt erst noch aromatischer.

Der Umstieg auf eine pflanzenbetonte oder gar vegane Landwirtschaft muss kontinuierlich erfolgen und die Amortisation der Investitionen unserer Bäuerinnen und Bauern berücksichtigen. Also darf man nicht die Bauern mit ihren Tieren ins Januarloch fallen lassen. Der Veganuary ist keine gute Idee! Das heisst nicht, dass wir die Reduktion der Tierbestände auf die lange Bank schieben sollen, sondern sofort planen müssen, damit die Bäuerinnen und Bauern die nötige Zeit für den Umstieg haben, inkl. Weiterbildung.

Was ist uns eine gesunde und umweltschonende Ernährung wert?

Keine Steuergelder mehr für Fleisch-, Käse- und Milchwerbung: Greenpeace erhöht den Druck auf die Politik. Chiara Stähli, Luzerner Zeitung 30.1.23

Schweizer Schweine leiden unter Platznot. Georg Humbel und Mischa Christen, NZZmagazin 14.1.23

Wenig Fleischverzicht im Veganuary. htr.ch, (Keystone-SDA) 16.1.23

Plant based Food Report 2023, Coop

Vegetarische und vegane Ernährung, Merkblätter. Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (sge)

Veganuary, Wikipedia

Postletale Landwirtschaft. Stefan Mann, Agroscope

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31.1.23 HOME

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