
Der Einsatz von Fungiziden nimmt zu, was zu mehr fungizidresistenten Krankheitserregern führt.
Quelle: Address the growing urgency of fungal disease in crops. Eva Stukenbrock, Sarah Gurr, Nature Comment 2.5.23
Eine stärkere Sensibilisierung von Politik und Öffentlichkeit für die Notlage der weltweiten Nutzpflanzen in Bezug auf Pilzkrankheiten sei von entscheidender Bedeutung, um eine grosse Bedrohung für die weltweite Ernährungssicherheit abzuwenden, das schreiben Eva Stukenbrock, Professorin und Leiterin der Gruppe Umweltgenomik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland, und Sarah Gurr, Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Ernährungssicherheit an der Universität von Exeter, UK, in einem Kommentar in Nature vom 2.5.23.
Im Oktober 2022 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre erste Liste von Pilzerregern, die Menschen infizieren, und warnte davor, dass bestimmte, immer häufiger auftretende krankheitsverursachende Pilzstämme Resistenzen gegen bekannte Antimykotika erworben haben. Obwohl jedes Jahr mehr als 1,5 Millionen Menschen an Pilzkrankheiten sterben, ist die WHO-Liste der erste globale Versuch, systematisch Prioritäten für die Überwachung, Forschung und Entwicklung sowie für Massnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Bezug auf Pilzerreger zu setzen.
Pilzproblem in der Landwirtschaft steigt
Das Bewusstsein für die durch Pilzkrankheiten verursachte Notlage der weltweiten Nutzpflanzen müsse viel stärker geschärft werden, ebenso wie die Investitionen der Regierungen und des privaten Sektors in die Erforschung von Pilzkulturen, schreiben Stukenbrock und Gurr.
Hunderte von Pilzkrankheiten befallen die 168 Kulturpflanzen, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) als wichtig für die menschliche Ernährung eingestuft werden. Trotz des weit verbreiteten Einsatzes von Fungiziden und des Anbaus krankheitsresistenterer Sorten verlieren die Landwirte weltweit jedes Jahr zwischen 10 und 23 Prozent ihrer Ernte durch Pilzkrankheiten und weitere 10 bis 20 Prozent gehen nach der Ernte verloren. Die fünf wichtigsten Kalorienpflanzen – Reis, Weizen, Mais, Sojabohnen und Kartoffeln – können z.B. vom Reisblastpilz, Weizenstängelrost, Maisrost, Sojarost und der Kartoffelfäule befallen werden. Die Verluste durch diese Pilze entsprechen einer Menge an Lebensmitteln, die ausreicht, um 600 bis 4’000 Millionen Menschen ein Jahr lang mit 2’000 Kalorien pro Tag zu versorgen. Diese Verluste werden in einer sich erwärmenden Welt wahrscheinlich zunehmen.
Pilze sind äusserst effektive Krankheitserreger. Sie produzieren riesige Mengen an Sporen. Die Sporen einiger Arten können im Boden überleben und bis zu 40 Jahre lang lebensfähig bleiben und z.B. die Sporen des Weizenstängelrosts können zwischen Kontinenten reisen. Pilze weisen auch ein phänomenales Mass an genetischer Variation und Plastizität auf. In einigen Fällen ist auch der Gen-Transfer zwischen Pilzen und Bakterien oder Pflanzen möglich.
Probleme verursacht durch moderne Landwirtschaft
Die aktuellen Probleme sind entstanden, weil die Anpassungsfähigkeit der Pilze auf moderne landwirtschaftliche Praktiken trifft. Die meisten Monokulturen bestehen aus riesigen Flächen mit genetisch einheitlichen Pflanzen. Die grösste Monokultur der Welt ist ein mehr als 14’000 Hektar grosses Feld mit genetisch einheitlichem Weizen in Kanada. Diese bieten einer so produktiven und sich schnell entwickelnden Gruppe von Organismen ideale Nahrungs- und Brutstätten. Hinzu kommt, dass der zunehmend verbreitete Einsatz von Fungiziden, die auf einen einzelnen zellulären Prozess des Pilzes abzielen zum Entstehen von Fungizidresistenzen geführt hat.
Seit den 1990er Jahren bewegen sich die Pilzerreger mit einer Geschwindigkeit von rund 7 km pro Jahr polwärts. Landwirte haben bereits Weizenstängelrost-Infektionen, die normalerweise in den Tropen auftreten, in Irland und England gemeldet. Steigende Temperaturen könnten auch die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und ihrem Mikrobiom, einschliesslich Symbionten, die in Pflanzen leben, beeinträchtigen. Solche harmlosen Pilze könnten pathogen werden, wenn Pflanzen ihre Physiologie als Reaktion auf Umweltstress verändern. Darüber hinaus könnte die Toleranz von Pilzen gegenüber höheren Temperaturen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass opportunistische, im Boden lebende Krankheitserreger den Wirt wechseln und bei Tieren oder Menschen pathogen werden.
Zu diesen Problemen kommt noch der Druck auf das Nahrungsmittelsystem durch die wachsende Bevölkerung hinzu. Die Menschheit steht vor noch nie dagewesenen Herausforderungen für die Nahrungsmittelproduktion.
Nutzpflanzen besser schützen
Um die Nutzpflanzen der Welt besser vor Pilzkrankheiten zu schützen, bedürfe es eines viel einheitlicheren Ansatzes als bisher – mit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Landwirten, der Agrarindustrie, Pflanzenzüchtern, Biologen für Pflanzenkrankheiten, Regierungen und politischen Entscheidungsträgern und sogar philanthropischen Geldgebern.
Es reicht nicht mehr aus, sich auf Pflegemassnahmen wie die Beseitigung oder Verbrennung von erkranktem Pflanzengewebe abzustützen, konventionelle Methoden zur Züchtung von Pflanzen auf einzelne Krankheitsresistenzgene oder das Sprühen von Fungiziden, die überwiegend nur an einer Stelle wirken, zu konzentrieren. Landwirte und andere Beteiligte müssen sich verschiedene technische Innovationen zunutze machen, um Pflanzenkrankheiten wirksamer zu überwachen, zu verwalten und zu bekämpfen. Es werden bereits mehrere Ansätze entwickelt oder eingesetzt, um die Auswirkungen von Krankheiten zu begrenzen und die Ernteerträge zu schützen.
- Entdeckung und Entwicklung von Pilzbekämpfungsmitteln
Es sei an der Zeit, sich nicht mehr auf Fungizide zu verlassen, die nur an einer Stelle angreifen, sondern nach Verbindungen zu suchen, die auf mehrere Prozesse im Krankheitserreger abzielen. Im Jahr 2020 entdeckte ein interdisziplinäres Forschungsteam an der Universität von Exeter (Grossbritannien) ein interessantes Kandidatenmolekül – ein lipophiles Kation (C18-SMe2+), das auf mehrere Pilzprozesse abzielt.
- Für eine grössere Vielfalt auf den Feldern
Der Anbau von Saatgutmischungen, in denen mehrere Kulturpflanzen mit unterschiedlichen Resistenzgenen kombiniert werden, könnte eine wichtige Möglichkeit sein, die Entwicklung von Krankheitserregern zu verlangsamen. Im Jahr 2022 wurden in Dänemark rund 25 Prozent der gesamten Weizenproduktion mit gemischten Sorten angebaut, die ausgewählt wurden, weil sie ähnlich schnell wachsen und komplementäre Krankheitsresistenzgene tragen. Diese Sorten könnten die Ausbreitung von Krankheiten und die Erosion von Resistenzgenen verringern.
- Krankheitsfrüherkennung und -überwachung
Künstliche Intelligenz, Satelliten, Fernerkundungsinstrumente (z. B. Drohnen), Anreize für Landwirte, Krankheiten zu melden, und gemeinschaftliche Wissenschaftsprojekte, die die Öffentlichkeit in die Meldung von Pflanzenkrankheiten bei Nutzpflanzen und bei Wildarten einbeziehen, führen allmählich zu einer wirksameren Überwachung von Pilzkrankheiten. Genauere Krankheitsvorhersagen könnten wiederum frühzeitige Interventionen auslösen, um Ernteausfälle zu vermeiden.
- Krankheitsresistenz und Pflanzenimmunität
Bei der konventionellen Pflanzenzüchtung werden in eine bestimmte Sorte ein oder zwei Gene eingeführt, die eine Resistenz gegen eine bestimmte Krankheit verleihen, die so genannten R-Gene. Doch obwohl Krankheitserreger diese durch R-Gene vermittelte Resistenz innerhalb weniger Jahre überwinden können, kann es 10 bis 20 Jahre dauern, bis die Forscher ein R-Gen entlarven und ein Agrarunternehmen die neue Sorte verkauft. Die Einbindung von zwei oder mehr R-Genen kann die Resistenz gegen eine Vielzahl von Krankheitserregern erweitern. Feldstudien haben jedoch gezeigt, dass die auf diese Weise erreichte Resistenz nur von kurzer Dauer sein kann.
Pflanzen verfügen jedoch über ein früheres Erkennungssystem für Krankheitserreger. Diese Rezeptoren werden als Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) bezeichnet. Diese Art der „Immunstärkung“ könnte mit neuen, mit R-Genen veränderten Sorten oder durch R-Gen-Pyramidierung mit Hilfe der konventionellen Züchtung kombiniert werden, um eine dauerhaftere und umfassendere Resistenz gegen die wichtigsten Krankheitserreger zu erreichen. Ein wesentliches Hindernis für die schnelle und effiziente Nutzung dieses Ansatzes – insbesondere in Europa – sei der öffentliche und politische Widerstand gegen den Einsatz transgener Pflanzen.
- Nutzung von Biologika und Pflanzenbiotika
Biologika sind eine breite Kategorie von Produkten, die von lebenden Organismen stammen. So wie das Interesse an Probiotika in der Medizin in den letzten zehn Jahren zugenommen hat, so ist auch das Interesse an der Verwendung von Biologika im Pflanzenschutz gestiegen.
Pflanzen wachsen nicht allein – sie gehen Verbindungen mit verschiedenen mikrobiellen Gemeinschaften ein, die eine Rolle bei der Pflanzenentwicklung, Stresstoleranz und Krankheitsresistenz spielen können. In den letzten zehn Jahren haben neue Methoden zur Erstellung von Mikrobenprofilen die Existenz von nützlichen mikrobiellen Netzwerken offenbart. Solche könnten im Boden zur Förderung des Pflanzenwachstums und zur Verbesserung des Krankheitsschutzes eingesetzt werden. Sie dürfen aber die im Boden vorhandenen Mikroben nicht schädigen oder selber pathogen werden.
- RNA-Verkehr zwischen Pflanzen und Pilzen
Im Jahr 2013 zeigte ein Forscherteam, dass kleine RNAs (sRNAs) aus dem Grauschimmelpilz Botrytis cinerea an der Immunität beteiligte Gene des Pflanzenwirts ausschalten können. Einige der Forscher zeigten dann, dass doppelsträngige RNAs (dsRNAs) und sRNAs aus dem Pilz Gemüse und Obst bis zu zehn Tage lang vor Grauschimmelkrankheiten schützen können. RNAs werden jedoch nicht nur vom Pilz auf den Wirt übertragen – auch Pflanzenwirte senden Vesikel aus, um Virulenzgene des Pilzes zu unterdrücken. Eine wachsende Zahl von Forschern und neu gegründeten Technologieunternehmen versucht nun, diese natürlich vorkommenden, auf RNA-Interferenz (RNAi) basierenden Transportsysteme zu nutzen, um Nutzpflanzen besser gegen Pilzkrankheiten zu schützen. Dieser Ansatz ist jedoch langwierig und kostspielig und kann in den vielen Ländern, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen verboten sind, nicht umgesetzt werden. Daher liegt das Hauptaugenmerk jetzt auf dem sprühinduzierten Gen-Silencing oder SIGS, bei dem sRNAs oder dsRNAs direkt auf Pflanzen aufgebracht werden, als neue, umweltfreundliche und nicht gentechnisch veränderte Pflanzenschutzstrategie. Hiezu besteht jedoch noch Forschungsbedarf.
Eine globale Einrichtung für die Pflanzengesundheit
Zwischen Januar 2020 und Januar 2023 stellte der britische Forschungs- und Innovationsrat (UKRI) rund 686 Millionen US-Dollar für die COVID-19-Forschung zur Verfügung, und weltweit wurden fast 225’000 Artikel über COVID-19 veröffentlicht. Im gleichen Zeitraum gab das UKRI etwa 30 Millionen Dollar für die Erforschung von Pilzkulturen aus, und weltweit wurden etwa 4’000 Arbeiten über Kulturpflanzen und Pilzkrankheiten veröffentlicht. Da die Ernährungssicherheit Gesundheit und Wohlbefinden bedingt, sind Landwirtschaft und Landwirte für die menschliche Gesundheit wohl ebenso wichtig wie Medizin und Gesundheitsdienstleister.
Um der Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch Pilzkrankheiten bei Nutzpflanzen zu begegnen, müssten sich Regierungen, philanthropische Organisationen und private Unternehmen stärker mit dem Problem auseinandersetzen und mehr in diese Forschung investieren.
Das Internationale Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC) ist ein von der FAO unterstütztes Gremium, das die Pflanzenressourcen der Welt vor Krankheitserregern schützen soll. Es ist weit weniger bekannt als andere Gremien, die sich mit Bedrohungen für das menschliche Wohlergehen befassen, wie z. B. die WHO. Die 180 Mitgliedsstaaten, die das IPPC-Abkommen unterzeichnet haben, müssen zusammenarbeiten, um dies zu ändern, finden Stukenbrock und Gurr.
Da Viren und Bakterien als Erreger menschlicher Krankheiten dominieren, wurde diesen Mikroben viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt als Pilzen. Dabei sind Pilze in Nutzpflanzen die mit Abstand wichtigsten Krankheitserreger. Die WHO-Liste der Pilzerreger, die Menschen infizieren, ist ein Schritt, um dieser aussergewöhnlichen, aber wenig erforschten Gruppe von Mikroben mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Um die grössten Bedrohungen für die Lebensmittelsicherheit – und damit für die menschliche Gesundheit – zu bekämpfen, müsse man sich jedoch auch mit den verheerenden Auswirkungen befassen, die Pilze auf die weltweite Lebensmittelversorgung haben und weiterhin haben werden.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag hier: Address the growing urgency of fungal disease in crops. Nature Comment 2.5.23
Natur 617, 31-34 (2023)
doi: https://doi.org/10.1038/d41586-023-01465-4
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