Posts Tagged ‘artenreiche Wiesen’

Es ist Sommer – die Grillen zirpen! Oder nicht?

16. Mai 2020
Aus dem Leben der Grillen. Copyright: Sandra

Aus dem Leben der Grillen. Copyright: Sandra

Hoi Heidi

Fällt Dir auch auf, dass überall, wo gemäht und gegüllt wurde, die Grillen verschwunden sind und mit ihnen das wunderschöne Konzert.

Über 50% weg oder getötet …

Und das hat nichts mit der Temperatur zu tun, denn bei den ungemähten Wiesen war das Zirpen heute noch munter zu hören.

Wann verschwindet diese grässliche Gülle endlich von den Feldern?

Liebe Grüsse

Sandra

Liebe Sandra

Die Gülle wird nicht so schnell verschwinden. Es ist aber klar, dass in der Schweiz der Tierbestand massiv gesenkt werden muss, denn Überdüngung führt zur Verschmutzung von Gewässern – denke nur an das Grundwasser – und die Ammoniak-Emissionen sind die zweithöchsten in Europa gemäss Agrarbericht 2016. Sie schaden dem Wald, den Mooren, den Naturschutzgebieten und nicht zuletzt unserer Gesundheit. Zudem ist auch der hohe Fleischkonsum nicht gesund.

Mit dem Rückgang der Tierzahlen fällt zwar weniger Gülle an, aber es wird dann kaum extensiver bewirtschaftet werden, ausser es gibt Auflagen, die kontrolliert werden. Was geschieht mit den frei werdenden Flächen? Kaum neuer Lebensraum für Grillen.

Die Grillen leben in einer selbstgebauten Höhle im Boden und sind somit, wie du richtig beobachtet hast, stark vom Ausbringen von Gülle betroffen. In Deutschland sind die Grillen auf der roten List als „gefährdet“ eingestuft.

Pro Natura kürte die Feldgrille (Gryllus campestris) zum Tier des Jahres 2014 und schrieb: „Pro Natura macht 2014 die Bühne frei für die scheuen Meistergeiger und wirbt so für mehr artenreiche Blumenwiesen in der Schweiz.“

Die Feldgrille liebt warme, trockene Standorte bis 1’800 m ü.M. Sonnige Hänge wurden aber seit 1950 vielerorts überbaut, die Trockenwiesen verschwanden und mit ihnen die Grillen. Ein wesentlicher Grund für den Verlust solcher Wiesen ist aber die Intensivierung der Landwirtschaft und die Verbuschung von Steilhängen. Blütenreiche Lebensräume bieten unzähligen Tierarten Lebensraum. Oft gibt es nur noch kleine Inseln. Dies ist problematisch für das Überleben der Tiere.

Seit 1900 sind 95% der Trockenwiesen und -weiden in der Schweiz verschwunden. Um dem anhaltenden Rückgang dieses Lebensraums entgegenzuwirken, hat der Bundesrat die Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung (TWW) in ein Inventar nach Artikel 18a des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG) aufgenommen. In dieser Karte Trockenwiesen und -weiden kannst du nachschauen, ob es in deiner Nähe geschützte Flächen gibt. Grillen kommen aber auch an anderen Orten vor.

Wir müssen also dafür sorgen, dass die Artenvielfalt nicht noch mehr schwindet, und uns für eine bessere Agrarpolitik einsetzen, denn diese kommt nicht „von selbst“. Da müssen wir wacker Druck ansetzen!

Ich finde es schön, dass du Augen für die kleinen Lebewesen hast, denn auch diese sind wichtig … und was wäre ein Sommer ohne Grillenkonzert?

Herzliche Grüsse

Heidi

Tier des Jahres 2014: Die Feldgrille. Pro Natura

Feldgrille, Wikipedia

Gryllus campestris, Orthoptera

Trockenwiesen und -weiden. Medieninformation Bundesamt für Umwelt vom 29.9.17

Ammoniakemissionen: Ammoniak verändert sensible Ökosysteme. Agrarbericht 2016, Bundesamt für Landwirtschaft

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Bauern sind Umweltschützer. Wirklich?

17. März 2015
Güllen mit dem Schleppschlauchverteiler: Die Bauern wollen den Fünfer und das Weggli - zulasten der Umwelt.

Güllen mit dem Schleppschlauchverteiler: Die Bauern wollen den Fünfer und das Weggli – zulasten der Umwelt.

„Die Ammoniak-Emissionen sind seit 1990 nur leicht zurückgegangen. Die aktuellen Konzentrationen verursachen Schäden an der Vegetation und den Böden. Massnahmen zur Senkung der Ammoniak-Emissionen sind deshalb nötig, z.B. konsequente Anwendung emissionsarmer Techniken beim Ausbringen von Hofdünger (z.B. Schleppschlauch, Injektion), konsequente Ausrüstung von Hofdüngerlagern mit festen Abdeckungen, Berücksichtigung emissionsmindernder Techniken beim Stallbau und Einsatz von Abluftreinigungsanlagen.

Die Reduktion von Ammoniak Emissionen ist ein aktuelles und zentrales Thema im Bereich Landwirtschaft und soll durch die Umsetzung der Umweltziele Landwirtschaft betreffend Luft in der Agrarpolitik realisiert werden.“ Quelle: Bundesamt für Umwelt (BAFU) Indikator Ammoniak-Emissionen.

Stickstoffhaltige Luftschadstoffe schädigen unsere Gesundheit, überdüngen Moore, artenreiche Wiesen, Wälder, versauern alpine Bergseen, Flüsse, verschmutzen das Grundwasser usw. „Rund zwei Drittel der Stickstoffeinträge in empfindliche Ökosysteme haben heute in der Schweiz ihren Ursprung in Ammoniak-Emissionen der Landwirtschaft.“ Quelle BAFU Stickstoffhaltige Luftschadstoffe beeinträchtigen auch die Biodiversität.

Ammoniak-Emissionen Landwirtschaft: Wo stehen wir?

Thurgauer Bauern nahmen am sechsjährigen Pilotprojekt Güllen mit Schleppschlauch teil; am Schluss war es die Hälfte. Ziel der Fördergelder: Die Ammoniak-Emissionen senken. Pro Gülleaustrag und Hektare erhielten sie 45 Franken, was bei 5 Wiesennutzungen 225 Franken pro Hektare und Jahr ausmacht bzw. 4’500 Franken für einen Betrieb mit 20 Hektaren „Güllefläche“. Im überbetrieblichen Einsatz der Schleppschlauchverteiler decken die „Anreize“ die Mehrkosten, siehe ART-Bericht 739, Schleppschlauch- und Breitverteiler im Vergleich.

Das Pilotprojekt lief 2013 aus. Neu können die Thurgauer Bauern – wie alle andern Bauern auch – am Bundesprojekt teilnehmen, erhalten allerdings nur noch 30 Franken pro Hektare und Gülleaustrag. Das haben die Bauern gerade noch geschluckt, doch die zweite Neuerung nicht. In Zukunft wird ihnen der Stickstoff, welcher vor Anwendung der Schleppschlauchtechnik die Luft verschmutzte, in der Düngerbilanz angerechnet, d.h. 3 kg Stickstoff pro Hektare und Gabe. Dagegen laufen sie jetzt Sturm. Nur noch ein Viertel der Fläche im Thurgau wird zur Zeit mit Schleppschläuchen begüllt.

Der Kanton Thurgau ist in dieser Grafik leicht zu finden (viel rot im Nordosten).

Der Kanton Thurgau ist in dieser Grafik leicht zu finden (viel rot im Nordosten).

Sind Bauern Umweltschützer?

Der Regierungsrat solle beim Bundesamt für Landwirtschaft vorstellig werden, fordern die Bauern. „Will man mehr Ammoniak in der Luft oder erlaubt man eine noch stärkere Düngung des Bodens, das ist die Frage.“ schrieb die Thurgauer Zeitung am 3.3.15 unter dem Titel Bauern stinkt der Schleppschlauch.

Rückblickend heisst das, dass die Pilotprojekt-Bauern wesentliche mehr düngen durften als die übrigen, nämlich bei 5 Güllegaben 15 kg pro Hektare. Wie viel davon sickerte ins Grundwasser oder wurde in Bäche geschwemmt? Gülle ist im Kanton Thurgau in grossen Mengen vorhanden, deshalb vermutet Heidi, dass der „Anreiz“ bei zahlreichen Bauern das Mehrdüngen nicht etwa die Reduktion der gesundheits- und umweltschädigenden Ammoniak-Gase war. So fliessen viele Bundesgelder in falsche Kassen.

Die Zahl der „Anreize“ steigt, die Steuergelder für die Landwirtschaft ebenfalls. Geht es uns und der Umwelt im gleichen Ausmass besser? Nimmt die Artenvielfalt zu? Viele unklare Regelungen, viele Schlupflöcher, Zielkonflikte, ein unberechenbares System: Unsere Agrarpolitik.

Ein informativer Bericht über die Geschichte von Gülle und Mist und den Thurgauer Schleppschlauch-Protest von Jürg Hotz:
Gülle liegt in der Luft – es wird Frühling

Wie viel Stickstoff ist zuviel?, Stickstoffeinträge aus der Luft sind in der Schweiz zu hoch und schädigen naturnahe Ökosysteme, Medieninformation BAFU vom 17.2.15

Ammoniak-Immissionen und Stickstoffeinträge, Abklärungen der Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (EKL), 2014, 62 Seiten.

17.3.15 HOME


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