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Kanton Luzern: Pestizid-Konzentrationen in Fliessgewässern und Seen

2. Mai 2021

Der Sempachersee ist ein beliebtes Ausflugsziel.

Zuschrift eines Wasserfachmanns vom 2.5.21.

Die www.lebensmittelkontrolle.lu.ch meldet:

“Neuste Messungen vom März 2020 zeigen, dass der Sempacher- und Baldeggersee ebenfalls mit dem Abbauprodukt von Chlorothalonil (R471811) über dem Anforderungswert für Organische Pestizide (0,1 µg/l je Einzelstoff) belastet sind (Baldeggersee um 0,5 µg/l, Sempachersee um 0,3 µg/l).”

Das Seewasserwerk der Korporation Sempach-Stadt musste bereits Ende der 1990-er Jahre wegen zu hohen Atrazin-Konzentrationen in der Trinkwasseraufbereitung zusätzlich einen Aktivkohlenfilter einbauen.

Untersuchung Zuflüsse Sempachersee:

Die Abteilung Oberflächengewässer der kantonalen  Gewässerschutzfachstelle (uwe) zeigte im Jahr 2005 in einer Tabelle auf, dass drei Zuflüsse und der Abfluss des Sempachersees ein- bis zehnmal bezüglich Pestizide über dem Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter (μg/l) liegen.

 Zentralplus vom 12.12.2019 publiziert:

“Acht Wasserwerke nach wie vor ausser Betrieb: Man habe acht Wasserwerken in den Gemeinden Nottwil, Sempach und Oberkirch «vorsorglich» vom Netz genommen. Das kommunizierte Aquaregio Sursee-Mittelland Ende Oktober. Der Grund: Unabhängige Wasseruntersuchungen haben ergeben, dass die erlaubten Pestizidwerte (namentlich von Chlorothalonil und seinen Abbauprodukten) bei den besagten Werken teilweise deutlich überschritten oder aber fast erreicht worden seien.”

Die gemeinsame Untersuchung 2002 – 2007 der Pestizide in Aargauer und Luzerner Fliessgewässern stellt fest:

“Die höchste Konzentration wurde mit 7,2 μg/l für Glyphosat gemessen. Die Pestizid-Grundbelastung ist hoch und gibt zur Besorgnis Anlass … An allen 46 Messstellen wurden Pestizide nachgewiesen, bei 36 sogar Überschreitungen der gesetzlichen Anforderung.“

Die Öffentlichkeit wird zu wenig informiert

Die Faktenlage der Pestizid-Anreicherung in den Gewässern und den Trinkwasserversorgungen – auch im Kanton Luzern – ist somit schon lange bekannt. Offensichtlich herrscht bei der kantonalen Lebensmittelkontrolle und bei der zuständigen kantonalen Gewässerschutzfachstelle (uwe) Stillschweigen.

Dabei müsste die Öffentlichkeit darüber vorsorglich auch im Zusammenhang mit beiden Pestizid-Initiativen besser informiert werden.

Bei den öffentlichen Trinkwasserbezugsorten aus Grundwasser und Seewasser zeigt die Auflistung die ganze Problematik mit teilweise massiver Verunreinigung von Pestiziden auch im Kanton Luzern auf. Dies hat negative Folgen für die Wasserlebensräume mit Pflanzen und Tieren und auf die Trinkwasserqualität. Auch ältere Sportfischer Fliegenfischer stellen bei der Ausübung der Fliegenfischerei eine starke Verminderung von Wasserinsekten fest, einhergehend mit deutlichem Rückgang der Forellenfangerträge.

Wenn nach der Gewässerschutzverordnung des Bundes Grenzwert-Konzentrationen für Nitrate und Pestizide im Wasser überschritten werden, müssten Massnahmen mit Ursachenbekämpfung eingeleitet werden. Zu diesem gesetzlichen Vollzug sind die Kantone gemäss Art. 28 des Gewässerschutzgesetzes verantwortlich:

Art. 28 Massnahmen am Gewässer

Reichen bei einem Gewässer die Massnahmen nach den Artikeln 7–27 nicht aus, um die Anforderungen an die Wasserqualität (Art. 9 Abs. 1) zu erfüllen, so sorgt der Kanton dafür, dass zusätzlich Massnahmen am Gewässer selbst getroffen werden.

Von den landwirtschaftlichen Kreisen wird leider kein Lösungsansatz für die Pestizid-Problematik angeboten, obwohl viele Bauern aus ihren eigenen Quellwasserbezugsorten mit Fremdstoffen verunreinigtes Wasser trinken.

In der Diskussion um die Trinkwasserinitiative sprechen Wortführer aus den Landwirtschaftskreisen verharmlosend statt von Pestiziden von Pflanzenschutzmittel, die sogar „Medizin“ für die Nutzpflanzen  sind. Ich bin einverstanden, dass die Bauern vieles befolgten, was die Agrarwissenschaften, Landwirtschaftliche Schulen, Berater von Agrochemie empfahlen. Dies erfolgte auch mit Förderbeiträgen von biodiversitätsschädigenden Bundessubventionen.

Wir befinden uns in einer Sinnkrise, dieses Problem wird von der Politik verkannt.

An der Frühlingsession 2021 hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat unter Unterstützung der Bauernverbände beschlossen, die Beratung über die Agrarpolitik (AP22+) zu sistieren.

Heidi meint: Das Problem „Gewässerverschmutzung“ wird seit Jahrzehnten auf die Seite geschoben. Wir müssen es gezielt und energisch angehen, denn es wird lange dauern bis Grundwasser und Bäche wieder sauber sind! Jetzt den KonsumentInnen den Schwarzen Peter zuzuschieben – wie man das immer wieder lesen kann – ist eine Frechheit!

2.5.21 HOME

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Poison Papers – Wir wollten einfach nur nicht vergiftet werden.

28. August 2017

Drei Tonnen Dokumente sammelte Carol Van Strum im Laufe von 50 Jahren und lagerte sie in ihrer Scheune. Sie zeugen davon, dass die chemische Industrie und die zuständigen amerikanischen Regulierungsbehörden die ausserordentliche Toxizität vieler chemischer Produkte kannten, trotz anders lautenden Beteuerungen. Sie zeigen auch wie eng die Parteien zusammenarbeiteten, um diese Informationen vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Copyright: Risa Scott Photography.

Drei Tonnen Dokumente sammelte Carol Van Strum im Laufe von 50 Jahren und lagerte sie in ihrer Scheune. Sie zeugen davon, dass die chemische Industrie und die zuständigen amerikanischen Regulierungsbehörden die ausserordentliche Toxizität vieler chemischer Produkte kannten, trotz anders lautenden Beteuerungen. Sie zeigen auch wie eng die Parteien zusammenarbeiteten, um diese Informationen vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Copyright: Risa Scott Photography.

Carol Van Strum sagt, die nackte Wahrheit sei, dass die gesamte Pestizidindustrie nicht existieren konnte ohne Lügen, Vertuschen, grassierenden Betrug und staatliche Helfer. Am 26.7.17 wurden diese „Poison Papers“ online gestellt, für ALLE einsehbar. Das Bioscience Resource Project und das Center for Media and Democracy haben dies möglich gemacht. Die meisten Dokumente hat Van Strum gesammelt.

Ziel der Veröffentlichung ist, dass die Gefahren, welche von Chemikalien ausgehen, besser wahrgenommen werden, denn das Ausmass des Betrugs, mit dem diese Stoffe marktfähig gemacht wurden, ist gross. Die Behörden haben die chemische Industrie massiv unterstützt, statt ihre Aufgabe wahrzunehmen, nämlich: Uns und die Umwelt schützen.

Bernd Schröter schreibt in Telepolis: „Die am häufigsten in den Dokumenten diskutierten Chemikalien betreffen Herbizide und Pestizide (zum Beispiel Dicamba, Permethrin, Atrazine und Agent Orange), Dioxine und PCBs. Einige dieser Stoffe gehören zu den giftigsten und in der Umwelt langlebigsten, die jemals hergestellt wurden.“

Einen der zwei Wirkstoffe von Agent Orange zog die US-Umweltschutzbehörde EPA 1985 zur Verwendung in den USA aus dem Verkehr (2,4,5-T). Die verwandte 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D) war erst kürzlich von der EPA im Verbund mit Dows neuem GM-Soja-Saatgut zugelassen worden.

Der ausführliche Bericht von Bernd Schröter basiert auf der Medieninformation des Center for Media and Democracy vom 26.7.17. Schröter hat bemerkenswerte Links angebracht, auch zu Poison Papers.

Die Poison Papers bestehen aus über 20'000 Dokumenten, die über den Freedom of Information Act und durch Anfragen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten von den Bundesbehörden und Chemikalienherstellern eingeholt worden waren. Copyright: Risa Scott Photography.

Die Poison Papers bestehen aus über 20’000 Dokumenten, die über den Freedom of Information Act und durch Anfragen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten von den Bundesbehörden und Chemikalienherstellern eingeholt worden waren. Copyright: Risa Scott Photography.

Van Strum hält einen Vortrag über die Herbizid-Sprühflüge des Forstdienstes, die den Beginn ihrer Tätigkeit als Aktivistin markieren. Sie und ihre Nachbarn wollten einfach nur nicht vergiftet werden: "Der Forstdienst soll doch die eigenen Flächen behandeln, aber nicht die unseren und nicht uns."

Van Strum hält einen Vortrag über die Herbizid-Sprühflüge des Forstdienstes, die den Beginn ihrer Tätigkeit als Aktivistin markieren. Sie und ihre Nachbarn wollten einfach nur nicht vergiftet werden: „Der Forstdienst soll doch die eigenen Flächen behandeln, aber nicht die unseren und nicht uns.“

Van Strum war 1974 nach Oregon gezogen. Schon bald erfuhr sie, dass der Forstdienst ihre Gegend aus der Luft mit dem Herbizid 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (2,4,5-T) besprühte, einem der zwei Wirkstoffe von Agent Orange, dem in Vietnam eingesetzten Entlaubungsmittel, welches schwere Schäden an Mensch, Tier und Umwelt verursacht. Weil der Forstdienst sich weigerte, auf das Herbizid zu verzichten, gingen Van Strum und Nachbarn vor Gericht und erreichten 1977 einen zeitweisen Sprühstopp für ihre Gegend. Nach diesem Erfolg half Van Strum weiteren Betroffenen bei ähnlichen Prozessen.

Jedenfalls ist das Horrorszenario, das man Van Strum schilderte, nicht Wirklichkeit geworden: Der Wald wird sterben, viele Entlassungen bei der Chemiefabrik, welche für die Produktion von Agent Orange/Vietnamkrieg gebaut worden war und für die man jetzt zivile Anwendungen „brauchte“ …

Was können wir daraus lernen?

Wir müssen von den Behörden Transparenz einfordern im Sinne des Öffentlichkeitsrechts, etwa wenn es um die Bewilligung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) geht. Auch bei uns wird nur allzu oft das Geld über unsere Zukunft gestellt.

In der Schweiz ist die Bewilligungsbehörde für PSM beim Bundesamt für Landwirtschaft angesiedelt. Diese Aufgabe muss einer unabhängigen Instanz übertragen werden.

Nicht zuletzt gilt es, beim Einkaufen von Chemikalien vorsichtig und zurückhaltend zu sein und die Etiketten von Produkten sorgfältig zu lesen.

Poison Papers: Schatztruhe voll toxischer Geheimnisse mit zahlreichen Links zu Dokumenten von Bernd Schröter, Telepolis/heise.de, 10.8.17.

Kapitulation vor der Agrarchemie-Industrie? Bernd Schröder, Telepolis/heise.de, 16.11.16

The Poison Papers

The Poison Papers Expose Decades of Collusion between Industry and Regulators over Hazardous Pesticides and Other Chemicals, Medieninformation Center for Media and Democracy, 26.7.17

Carol Van Strum schrieb das Buch: A Bitter Fog: Herbicides and Human Rights, 1983

Struggles with dioxin in rural Oregon. A bitter fog: herbicides and human rights by Carol Van Strum. New Scientist 29.9.83, Google Books

Carol Van Strum on Freedom from Aerially Spraying, vollständiger Film 43:24

Carol Van Strum Freedom from Aerially Pesticide Spraying, youtube, Kurzversion Video 4:43

 28.8.17 HOME

Kritik am Aktionsplan Risikoreduktion Pflanzenschutzmittel des Bundes

2. Oktober 2016

Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes, Seite 9: "... Erst als letzte Massnahme sollen chemische PSM zur Anwendung gelangen. Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind."

Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes, Seite 9: „… Erst als letzte Massnahme sollen chemische PSM zur Anwendung gelangen. Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind.“

Die Direktzahlungsverordnung schreibt gemäss Art. 11 Grundsatz vor: Beiträge werden ausgerichtet, wenn die Anforderungen des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) nach den Artikeln 12-25 auf dem gesamten Betrieb erfüllt sind. Art. 18 Gezielte Auswahl und Anwendung der Pflanzenschutzmittel lautet wie folgt:

1 Beim Schutz der Kulturen vor Schädlingen, Krankheiten und Verunkrautung sind primär präventive Massnahmen, natürliche Regulationsmechanismen sowie biologische und mechanische Verfahren anzuwenden.

2 Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln müssen die Schadschwellen sowie die Empfehlungen von Prognose- und Warndiensten berücksichtigt werden.

Der Ökologische Leistungsnachweis wird oft nicht erfüllt …

Der Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln des Bundes weist darauf hin, dass Art. 18 der Direktzahlungsverordnung oft missachtet wird: „… Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind.“

Das heisst konkret, dass offenbar zahlreiche Bauern Direktzahlungen beziehen, obwohl sie gar kein Anrecht darauf hätten. Heidi hat von sehr unterschiedlichen Seiten gehört, dass Bauern oft Pflanzenschutzmittel (PSM) unter Missachtung von Art. 18 der Direktzahlungsverordnung spritzen. Kontrolliert wird kaum, doch Direktzahlungen werden trotzdem ausgeschüttet.

… das Reduktionsziel PSM-Einsatz des Bundes wäre heute schon erreicht

Fachleute weisen darauf hin, dass allein durch das Einhalten der Vorschriften der Direktzahlungsverordnung eine Reduktion des PSM-Einsatzes von 12% erreicht werden könnte, d.h. soviel wie der Aktionsplan des Bundes innerhalb von 10 Jahren vorsieht! Es ist bekannt, dass z.B. nach der Ernte oft Herbizide vor dem Pflügen auf die Stoppeln ausgebracht werden. Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes:

„… Mit den in Kapitel 6.1.1 beschriebenen Massnahmen, kann in gewissen Fällen auf die Anwendung von PSM zum Schutz der Kulturen verzichtet werden. Das in den nächsten 10 Jahren umsetzbare Potential zur Reduktion der Anwendungen wird auf 12% berechnet. Dieses Potential soll genutzt werden. Die Zielerreichung wird mit einem Indikator, der die Reduktion der behandelten Fläche beschreibt, überprüft (siehe 7.1)…“

Dies ist zwar nicht das einzige Ziel des Aktionsplans, aber ein Zeichen dafür, dass die Ziele nicht hoch gesteckt sind.

Zukunftsweisender Pestzid-Reduktionsplan Schweiz

Der Pestizid-Reduktionsplan Schweiz der Vision Landwirtschaft, der von den Trinkwasserversorgern (SVGW) und einem breiten Bündnis von weiteren Organisationen unterstützt wird, geht wesentlich weiter. Er sieht als langfristige Perspektive einen weitgehenden Verzicht auf PSM vor, d.h. PSM sollen nur im Notfall eingesetzt werden.

Abbildung 4 aus dem Aktionsplan PSM der Vision Landwirtschaft: Pflanzenschutzpyramide: Pestizide nur im Notfall

Abbildung 4 aus dem Aktionsplan PSM der Vision Landwirtschaft: Pflanzenschutzpyramide: Pestizide nur im Notfall

Es würde den Rahmen dieses Artikel sprengen, wenn Heidi den Aktionsplan des Bundes (75 Seiten) detailliert mit jenem der Vision Landwirtschaft (76 Seiten) vergleichen würde. In Anbetracht der mit PSM stark verschmutzten Gewässer und dem steten massiven Rückgang der Biodiversität tut ein grundsätzliches Umdenken Not.

Auswirkungen von PSM zu wenig bekannt

Über die Probleme im Boden, den Einfluss auf das Bodenleben usw. weiss man wenig. Es ist aber bekannt, dass PSM, welche schlecht abgebaut werden, langsam ins Grundwasser „wandern“ können, wie das aktuell bei Chloridazon geschieht, das als Herbizid für den Anbau von Rüben und Randen zugelassen ist. Die Abbauprodukte Desphenyl-Chloridazon und Methyl-Desphenyl-Chloridazon wurden mit Abstand am häufigsten in Konzentrationen von mehr als 0,1 μg/l im Grundwasser nachgewiesen. Beide Substanzen werden erst seit 2010 im Rahmen von NAQUA analysiert. Liste der PSM und ihrer Abbauprodukte im Grundwasser, soweit heute untersucht. Es ist zu hoffen, dass durch Massnahmen, wie Sonderbewilligungen im Zuströmbereich, die Wasserqualität von betroffenen Trinkwasserfassung verbessert werden kann. Doch langfristig ist auch dies keine Lösung des Problems.

Bereits 2006 wurde Desphenyl-Chloridazon vornehmlich in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in anderen Deutschen Bundesländern in Gewässern gefunden. Aus diesem Grund ist der Wirkstoff vor allem bei den Trinkwassergewinnungsunternehmen verstärkt in die Kritik geraten. Chloridazon und seine Metaboliten, Umweltbundesamt Österreich.

Wir müssen also in Zukunft mit „Überraschungen“ rechnen. Die gezielten Überprüfung von in der Schweiz bewilligten Pflanzenschutzmitteln des Bundesamts für Landwirtschaft führt dies drastisch vor Augen, mussten doch 2015 für 88 PSM neue Anwendungsvorschriften eingeführt werden.

Eine besonders schlechte Erfahrung hat man schon mit Atrazin und dessen Abbauprodukt Desethylatrazin gemacht, die noch heute in vielen Grundwasserleitern nachgewiesen werden. Atrazin im Grundwasser, Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit des Kantons Graubünden, 9.7.14:

„Die Proben widerspiegeln die Ergebnisse der letzten Jahre einer insgesamt geringfügigen Belastung unserer Grundwässer. Allerdings spricht der Nachweis des Herbizids Atrazin und dessen Abbauprodukts Desethylatrazin in zehn von elf Messstellen für die unerwünschte Persistenz dieser Stoffe in der Umwelt und deren langsame aber stete Infiltration ins Grundwasser. In der Schweiz ist Atrazin deshalb seit dem Jahr 2008 nicht mehr zugelassen. Bis Ende 2011 durfte Atrazin allerdings noch eingesetzt werden. Der Wirkstoff wurde vorwiegend im Maisanbau verwendet.

Zusätzlich zu einem Verbot von Atrazin sind weitere Massnahmen zum Schutz der Grundwässer vor Pflanzenschutzmitteln erforderlich. Zu diesen Massnahmen gehört beispielsweise ein Verbot für deren Ausbringung in Risikozonen wie den Grundwasserschutzzonen S2.“

Volkswirtschaftliche Kosten höher als Nutzen?

Es wäre schön, wenn die Behörden aus alten Problemen lernten. Vorsorge ist ein wichtiges Prinzip!

PSM verursachen hohe Kosten durch Umwelt- und Gesundheitsschäden sowie Verlust an Biodiversität. Diese Kosten fallen der Öffentlichkeit an, werden nicht als Aufschlag bei der Berechnung der entsprechenden Lebensmittelpreise berücksichtigt. Eine exakte Gesamtkostenrechnung ist zwar nicht möglich, aber es ist wahrscheinlich, dass die volkswirtschaftlichen Kosten des Einsatzes von PSM höher sind als ihr Nutzen.

Breites Bündnis für eine starke Reduktion des Pestizideinsatzes, Heidis Mist 24.5.16

GÜ – Neue Anwendungsvorschriften für 88 Pflanzenschutzmittel, Heidis Mist 3.2.16

Pflanzenschutzmittel: Kosten sie uns mehr als sie nützen? Heidis Mist 23.3.16

Pestizid-Cocktail in Schweizer Äpfeln, Dani Müller SRF Kassensturz 27.9.16

Mach mit bei der Volksvernehmlassung! Greenpeace zum Aktionsplan des Bundes 27.9.16

55 von 68 in Südtirol verwendete Pestizide auf „EU-Pestizid-Blacklist“, Alexander Schiebel, Das Wunder von Mals, 27.9.16

2.10.16 HOME

Pestizide Grundwasserschutzzone S2: Vorschlag Graubünden

11. Mai 2015

In der Gewässerschutz-Verordnung verankerte Ziele für das Grundwasser: Theorie und Praxis  klaffen auseinander. Wer kümmert sich um den Vollzug? Jedenfalls nicht jene Bundesämter, die wir eigentlich dafür bezahlen, dass sie uns schützen.

In der Gewässerschutz-Verordnung verankerte Ziele für das Grundwasser: Theorie und Praxis klaffen auseinander. Wer kümmert sich um den Vollzug? Jedenfalls nicht jene Bundesämter, die wir eigentlich dafür bezahlen, dass sie uns schützen.

Heidi schreibt häufig über Missstände in der Bündner Landwirtschaft. Vielleicht ist es wieder einmal an der Zeit, Positives aus Graubünden zu berichten. Ein Leser schrieb letzte Woche: „Offenbar gibt es neben Dir noch ein paar weitere Vernünftige in GR.“ Gemeint ist damit das Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT). Hier der vollständige Text auf der Internetseite des ALT, Rubrik Lebensmittelsicherheit > Produktkontrollen:

Atrazin in Grundwasser

09.07.2014

Im Mai 2014 liess das Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit wiederholt Grundwässer auf Verunreinigungen durch Spritzmittel (Pflanzenschutzmittel) im Interkantonalen Labor Schaffhausen untersuchen. Im Durchschnitt weisen bis zu 80% der Messstellen in von Ackerbau und Siedlungen dominierten Einzugsgebieten Pflanzenschutzmittel auf.

In Graubünden wurden 22 Grundwasserpumpwerke beprobt. An elf Messstellen (50%) konnten bis zu drei Substanzen, und zwar Spuren von Triazinherbiziden, Metolachlor und 2,6-Dichlorbenzamid, dem Abbauprodukt von Dichlobenil, nachgewiesen werden. Die Konzentrationen erreichten hingegen nicht mehr als ein Zehntel des gesetzlich festgelegten Toleranzwertes für organische Pestizide und deren relevante Metabolite, Abbau- und Reaktionsprodukte.

Die Proben widerspiegeln die Ergebnisse der letzten Jahre einer insgesamt geringfügigen Belastung unserer Grundwässer. Allerdings spricht der Nachweis des Herbizids Atrazin und dessen Abbauprodukts Desethylatrazin in zehn von elf Messstellen für die unerwünschte Persistenz dieser Stoffe in der Umwelt und deren langsame aber stete Infiltration ins Grundwasser. In der Schweiz ist Atrazin deshalb seit dem Jahr 2008 nicht mehr zugelassen. Bis Ende 2011 durfte Atrazin allerdings noch eingesetzt werden. Der Wirkstoff wurde vorwiegend im Maisanbau verwendet.

Zusätzlich zu einem Verbot von Atrazin sind weitere Massnahmen zum Schutz der Grundwässer vor Pflanzenschutzmitteln erforderlich. Zu diesen Massnahmen gehört beispielsweise ein Verbot für deren Ausbringung in Risikozonen wie den Grundwasserschutzzonen S2.

Atrazin in Grundwasser, Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit, Kanton Graubünden

Dichlobenil: Einmal mehr zeigt sich, dass in der Schweiz Pestizide zugelassen sind, welche im nachbarlichen Ausland verboten sind. Wikipedia: „In Deutschland und Österreich ist kein Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff erhältlich, in der Schweiz sind dagegen zahlreiche Dichlobenil-Präparate für die Verwendung beim Anbau von Ziergehölzen und in forstlichen Pflanzgärten zugelassen.“

Atrazin ist noch immer jenes Pflanzenschutzmittel, das die Kasse der Syngenta in vielen Ländern heftig klingeln lässt. Syngenta will die kranke Cashcow weitermelken, Adi’s Agro-Blog, Mai 2012. „Die Anwendung von Atrazin ist in Deutschland und Österreich seit dem Jahr 2001 verboten. Atrazin wird jedoch in der Schweiz – vor allem im Maisanbau – weiterhin eingeschränkt verwendet.“ heisst es in einem Papier der Bodenseekonferenz (ohne Datum). Diese Meldung ist zwar überholt, aber bis vor gut drei Jahren durfte Atrazin in der Schweiz verwendet werden, d.h. drei Jahre nach dem (späten) Verkaufsverbot.

Metolachlor ist für Wasserorganismen sehr giftig (Wikipedia).

Die Schweizer Pestizid-Gesetzgebung als Vorbild? Wohl kaum!

11.5.15 HOME

Macht Glyphosat Menschen und Tiere krank?

2. April 2015

"...Glyphosat = Totalherbizid, bringt alle Pflanzen vom Leben zum Tod – ausser den so beschworenen, gentechnisch veränderten. Deren Einführung allerdings hat dann resistente “Super-Unkräuter” und “Killer-Insekten” zur Folge...." Weiterlesen bei Osmerus:  Der orange Blitz – Agrar-Frühling aller Orten. https://osmerus.wordpress.com/2014/03/23/der-orange-blitz-agrar-fruhling-aller-orten/  23. März 2014, Copyright  osmerus

„…Glyphosat = Totalherbizid, bringt alle Pflanzen vom Leben zum Tod – ausser den so beschworenen, gentechnisch veränderten. Deren Einführung allerdings hat dann resistente “Super-Unkräuter” und “Killer-Insekten” zur Folge….“ Weiterlesen bei Osmerus: Der orange Blitz – Agrar-Frühling aller Orten. https://osmerus.wordpress.com/2014/03/23/der-orange-blitz-agrar-fruhling-aller-orten/ 23. März 2014, Copyright osmerus

Die Weltgesundheitsorganisation hat Glyphosat aufgrund von zahlreichen Studien als wahrscheinlich krebserregend eingestuft, siehe Glyphosat soll Krebs erregen, Schweizer Bauer vom 25.3.15. Arte berichtete am 31.3.15 über mögliche Schäden von Glyphosat, siehe Tote Tiere – Kranke Menschen. Die Sendung wird am Freitag, 10.4.15, um 10.00 Uhr wiederholt.

In der Schweiz ist die Anwendung der meisten Pestiziden bis wenige Meter an die Trinkwasserfassungen erlaubt. Ausnahmen sind in der Liste des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel in der Grundwasserschutzzone S2 aufgeführt. Zwischen November 2012 und heute hat die Zahl der verbotenen Wirkstoffe von 11 auf 20 zugenommen. Das Führen dieser Liste erfordert Behördenarbeit im Spannungsfeld zwischen Menschenschutz sowie Bauern- und Industrie-Lobby. Auch diese aufwändige Arbeit bezahlen wir.

Wann wird das BLW Glyphosat auf die Liste setzten? Zum Schutze des Trinkwassers wäre es sinnvoll und zudem effizienter bzw. zwingend nötig, dass das BLW endlich ein allgemeines Verbot für Pestizide in der Grundwasserschutzzone S2 erlässt. Das hätte den Vorteil, dass das Einhalten des Verbots kontrolliert werden könnte, aber das wollen die Bauern nicht und demzufolge vermutlich auch das BLW nicht. Heidi wünscht sich schon lange ein solches Verbot. Schaltet das BLW wie beim Atrazin den Kriechgang ein und wartet bis „die Welt“ ein allgemeines Verbot für Glyphosat erlässt?

Über die Problematik der Pestizid-Anwendung in der Grundwasserschutzzone S2 und über die verschiedenen Grundwasserschutzzonen schrieb Heidi am 19.11.12, siehe Grundwasserschutzzonen: Wer weiss Bescheid?

Nachtrag 2.4.15: Soeben hat Gerhard Laukötter – passend zum Thema – ein Gedicht mit dem Titel Die Saat geht auf veröffentlicht. Hier die letzten zwei Zeilen:

Wir ernten tief im Wasser Gift,
das hat vom Mais die Todesschrift.

2.4.16 HOME

Grundwasserschutzzonen: Wer weiss Bescheid?

19. November 2012

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Die Grundwasserschutzzone S1, in der Regel 10 m rund um die Fassung, sollte abgezäunt sein. Der Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln sowie Weide, Ackerbau usw. sind verboten.

Das Grundwasser liefert in der Schweiz 80 Prozent des Trinkwassers. Sein Schutz ist daher zentral.

Im Fassungsbereich S1, in der Regel 10 Meter rund um die Fassung, sind nur Tätigkeiten zulässig, die der Trinkwassergewinnung dienen. Deshalb dürfen z.B. weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel (PSM) eingesetzt werden, Weide, Acker-, Gartenbau usw. sind verboten.

Die Ausdehnung der engeren Schutzzone S2 richtet sich nach dem Untergrund. Kiesablagerungen in Tälern sind die ergiebigsten Grundwasservorkommen, sie liefern 40 Prozent des Trinkwassers. Hier muss die Zone S2 so gross sein, dass die Fliesszeit des Grundwassers vom äusseren Rand bis zur Fassung mindestens 10 Tage beträgt (in Deutschland 50 Tage), auf jeden Fall aber muss die Zone S2 von der Fassung in der Zuströmrichtung mindestens 100 m lang sein. Damit wird sichergestellt, dass Krankheitserreger höchstens noch in unbedeutender Zahl in die Fassung gelangen. In Karstgebieten ist das Grundwasser von Natur aus viel schlechter geschützt; das Grundwasser fliesst hier oft so schnell, dass die 10-Tage-Regelung gar nicht möglich ist. Die Zone S2 wird deshalb hier nach der Verletzlichkeit (Vulnerabilität*) des Grundwassers ausgeschieden, d.h. mit einem ganz anderen methodischen Ansatz als jenem bei den Lockergesteinen. Die Ausdehnung ist meist wesentlich grösser als in Lockergesteinen, da im verkarsteten Gestein die Gefahr des Eintrags von Schadstoffen gross ist, siehe Gülle im Trinkwasser: Kanton appelliert an Bauern, Aargauerzeitung vom 3.5.11.

In der Zone S2 darf nicht gegüllt werden, und der Einsatz von flüssigen Recyclingdüngern, wie flüssiges Gärgut, ist verboten. Ausnahmebewilligungen sind unter strengen Vorgaben möglich, wenn nachgewiesen wird, dass keine Krankheitserreger aus der Gülle ins Trinkwasser gelangen können. Wie kann man dies? Die einen Kantone setzen das Verbot konsequent durch, andere schauen lieber weg.

Gestaunt hat Heidi über die Pflanzenschutzmittel-Regelung: Der grösste Teil der PSM darf in der engeren Schutzzone S2 eingesetzt werden. Kennt man die Mittel wirklich so gut, dass eine Verschmutzung des Grundwassers durch sie oder ihre unzähligen, meist unbekannten und nicht nachweisbaren Abbauprodukte auszuschliessen ist? Heidi glaubt das nicht! Sie erinnert sich an die Beteuerungen, dass Atrazin nicht ausgewaschen werden könne. Auch als die Verschmutzung des Grundwassers Realität war, verstrich sehr viel Zeit bis der Verkauf von Atrazin in der Schweiz verboten wurde, lange nach Deutschland etwa. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) bewertet den möglichen Eintrag von PSM ins Grundwasser mit Modellen, auf die man sich international geeinigt hat. Ein generelles Verbot in den Grundwasserschutzzonen wird als nicht angemessen erachtet.

Kennt der Geissenpeter die Liste der 11 verbotenen PSM des BLW? Kaum! Studiert er alle Angaben im Pflanzenschutzmittelkatalog der LANDI? Oder interessiert er sich in erster Linie für die Wirkung gegen Unkräuter? Weiss er wo die S2 beginnt und aufhört? Wahrscheinlich nicht so genau! Und wie sieht es in der Praxis aus?

Nehmen wir an, dass der Geissenpeter seinen Weizenacker im 2 km entfernten Schwarzmoos mit Isoproturon spritzen will. Dieses Herbizid ist auf der Liste der verbotenen Wirkstoffe und kommt in über 60 verschiedenen PSM-Produkten vor. Ein kleiner Teil des Ackers ist Zone S2. Wird er die S2-Fläche mit einem anderen Unkrautvertilgungsmittel behandeln oder macht er sich über diese “Kleinigkeit” keine Gedanken? Grundwasserschonendes gesetzeskonformes Handeln bringt ihm nämlich grosse Umtriebe. Er müsste wegen der kleinen Fläche von vielleicht 0,5 Hektaren ein anderes Herbizid kaufen, die entsprechenden Auflagen und Gefahrenkennzeichnungen lesen und befolgen, zuerst das eine Herbizid spritzen, dann zum Hof zurückkehren, die PSM-Spritze reinigen, mit einem in der Schutzzone S2 zugelassenen Mittel füllen, nochmals auf den Acker fahren und die kleine Fläche separat behandeln. “Das ist realitätsfremd!” meint Heidi. Überhaupt, was haben PSM in der engen Schutzzone zu suchen?

Die Zone S3 ist die weitere Schutzzone, die in Lockergesteinen noch einmal etwa so gross ist wie die Zone S2; in Karstgebieten wesentlich grösser. In der Zone S3 ist der Einsatz von Düngern und PSM mit wenigen Ausnahmen erlaubt. Die Verbote betreffen PSM, welche nach dem alten PSM-Recht zugelassen worden waren. Bei einer Neuzulassung nach neuem Recht, wäre kein Verbot mehr möglich.

Gefahren für das Grundwasser, BAFU

Pflanzenschutzmittel im Grundwasser, BAFU

Gewässerschutzkarte Graubünden

* Die schweizerische Methode zum Bestimmen der Vulnerabilität des Grundwassers umfasst vier Parameter: den natürlichen Schutz (Boden, undurchlässige Schichten), die Ausbildung der obersten Verwitterungs- und Auflösungsschicht des Karstgesteins (Epikarst), die Ausbildung des Karstsystems und die Infiltrationsverhältnisse (Schlucklöcher, Hangneigung im Einzugsgebiet von Schlucklöchern).

19.11.12 HOME


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