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Grosse Pufferzonen um Naturschutzgebiete zum Schutze von Insekten nötig

7. Januar 2022

In Deutschland wurde der Rückgang der Insektenbiomasse in Naturschutzgebieten in Agrarlandschaften beobachtet. Als einer der Hauptursachen wird der Einsatz von synthetischen Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft diskutiert.

In einer deutschlandweiten Feldstudie sammelte Carsten Brühl von der Universität Koblenz-Landau mit einem Team von Wissenschaftlern aus verschiedenen Institutionen Fluginsekten in Naturschutzgebieten, die an landwirtschaftliche Flächen angrenzen. Die Proben von Mai und August 2020 wurden auf insgesamt 92 Pestizide analysiert, Insektizide, Herbizide und Fungizide. Es wurden Rückstände von 47 gebräuchlichen Pestiziden nachgewiesen, und die Insektenproben waren im Durchschnitt mit 16,7 Pestiziden kontaminiert.

Rückstände der Herbizide Metolachlor-S, Prosulfocarb und Terbuthylazin sowie der Fungizide Azoxystrobin und Fluopyram wurden an allen Standorten festgestellt. Das Neonicotinoid Thiacloprid wurde in 16 von 21 Naturschutzgebieten nachgewiesen, was höchstwahrscheinlich auf die letzte Verwendung vor einem EU-weiten Verbot zurückzuführen ist.

Grössere Pufferstreifen nötig

Um Insekten in Naturschutzgebieten zu schützen, sei es nicht nur zwingend erforderlich, den Pestizideinsatz dort zu stoppen, sondern auch den Einsatz synthetischer Pestizide vor allem in der näheren Umgebung zu reduzieren. Die Analyse unterschiedlicher Landschaftsumgebungen von 500 bis 3’500 m, die potenzielle Fluggebiete von Insekten darstellen, ergab, dass die Anzahl der nachgewiesenen Pestizide mit der landwirtschaftlichen Produktionsfläche in einem Radius von etwa 2’000 m zusammenhängt. Schutzpuffer zur Reduzierung der Pestizidbelastung von Insekten sollten daher im Bereich von mehreren 100 m und nicht von wenigen 10 m eingerichtet werden.

Das Team betont, dass die Untersuchung die Kontaminierung vermutlich unterschätze: Denn insbesondere Insektizide könnten zu einer Einschränkung der Mobilität führen, so dass geschädigte Insekten nicht mehr zu den Fallen gelangten.

Das Neonicotinoid Thiacloprid wurde auch in der Schweiz verboten. Die Ausverkaufsfrist ist am 30.9.21 abgelaufen, die Aufbrauchsfrist am 31.12.21.

Direct pesticide exposure of insects in nature conservation areas in Germany. Brühl, C.A., Bakanov, N., Köthe, S. et al. Direct pesticide exposure of insects in nature conservation areas in Germany. Sci Rep 11, 24144 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-03366-w

Selbst in Naturschutzgebieten sind Insekten mit etlichen Pestiziden kontaminiert. GEO 20.12.21

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Pestizide: Wasserpilze zu wenig geschützt

25. Februar 2015
Laub in Bächen liefert Energie und Nährstoffe für Wasserorganismen. Auch in angrenzende Landökosysteme liefern Bäche viel Energie und Nährstoffe, z.B. über den Schlupf von Insektenlarven, die ihrerseits Futter für Amphibien oder Fledermäuse sind. Das Foto zeigt den Hainbach bei Frankweiler zur Zeit des Laubfalls. Foto: Jochen Zubrod, Universität Koblenz-Landau

Laub in Bächen liefert Energie und Nährstoffe für Wasserorganismen. Auch in angrenzende Landökosysteme liefern Bäche viel Energie und Nährstoffe, z.B. über den Schlupf von Insektenlarven, die ihrerseits Futter für Amphibien oder Fledermäuse sind. Das Foto zeigt den Hainbach bei Frankweiler zur Zeit des Laubfalls. Foto: Jochen Zubrod, Universität Koblenz-Landau

“Gewässer sind häufig stärker belastet als vorhergesagt… Das Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in der EU bedarf einer Überarbeitung…“ das forderte die Universität Koblenz-Landau vor mehr als einem Jahr aufgrund einer Studie mit Fungiziden, siehe Pflanzenschutzmittel-Risikobewertung in der EU praxisfern – In der Schweiz? Heidis Mist 12.12.13. Ähnlich alarmierend waren die Resultate einer Insektizid-Studie derselben Universität, siehe Medieninformation vom 8.8.12. Die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln ist aufwändig, weshalb sich die Schweizer Zulassungsbehörde grösstenteils auf Angaben der Hersteller und Prüfresultate der EU stützt.

Pilze: Basis der Nahrungskette

Pilze haben in Bachökosystemen die zentrale ökologische Rolle, eingetragenes Laubmaterial „vorzuverdauen“ und dadurch die enthaltene Energie sowie die enthaltenen Nährstoffe für andere Wasserorganismen wie Insektenlarven oder Kleinkrebse verfügbar zu machen. Diese wiederum dienen unter anderem Fischen als Nahrung.

Auch in angrenzende Landökosysteme liefern Bäche Energie und Nährstoffe, beispielsweise über den Schlupf von Insektenlarven, die ihrerseits Futter für Amphibien oder Fledermäuse sind. Werden die an der Basis der Nahrungskette stehenden Pilze gefährdet, kann sich dies daher über die ökologischen Ebenen hinweg auswirken.

Fungizide gefährden Wasserökosystem

In der Landwirtschaft eingesetzte Fungizide gefährden diese Pilze, was weitreichende ökologische Folgen haben könnte. Das zeigen zwei neue Studien des Instituts für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Untersucht wurden synthetische (künstlich erzeugte) Pilzbekämpfungsmittel (Azoxystrobin, Carbendazim, Cyprodinil, Quinoxyfen und Tebuconazol) sowie die anorganischen Fungizide Kupfer und Schwefel, die zu den ältesten Fungiziden zählen; beide werden auch in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt.

Kupfer und Tebuconazol bereits in sehr niedrigen Konzentrationen schädlich

Die Landauer Forscher konnten zum einen zeigen, dass die untersuchten Fungizide Zusammensetzung und Wachstum der Pilzgemeinschaften auf Laub verändern können. Zudem wiesen sie nach, dass besonders Kupfer und Tebuconazol bereits bei sehr niedrigen Konzentrationen die Abbauleistung der Pilze beeinträchtigen. Tebuconazol gehört zu einer Wirkstoffgruppe, die ein Fünftel aller in Europa zugelassenen Fungizide umfasst.

Wirkung von Fungiziden auf Wasserpilze bisher weitestgehend ignoriert

„Die Ergebnisse der Studie zeigen eindeutig, dass die aktuelle Risikobewertung von Fungiziden in Europa Konzentrationen im Gewässer zulässt, die für aquatische Pilze nicht als sicher einzustufen sind“, erklärt Jochen Zubrod, der Erstautor der beiden Studien. „Obwohl aquatische Pilze für Bachökosysteme von grundlegender Bedeutung sind, wurde ihre Beeinflussung durch Fungizide bislang von Wissenschaft wie auch von regulatorischer Seite weitestgehend ignoriert“, so Zubrod weiter.

Neue Testsysteme für PSM-Zulassungsverfahren nötig

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hatte bereits 2013 – als Reaktion auf eine frühere Landauer Studie – vorgeschlagen, geeignetere Testverfahren während des Zulassungsverfahrens von Fungiziden zu nutzen. Bislang ist das aber nicht verpflichtend und wird daher auch nicht praktiziert. Zum Schutze des Gewässerökosystems müssten während des Zulassungsverfahrens für Pilzbekämpfungsmittel zwingend geeignetere Testsysteme zum Einsatz kommen.

EU-Zulassungsverfahren für Fungizide schützt Schlüsselorganismen in Bachökosystemen nicht ausreichend, Medieninformation der Universität Koblenz-Landau vom 25.2.15

Postwendender Kommentar eines Gewässerschützers zur Medieninformation: „Leider interessiert das wirklich Wichtige so gut wie niemanden … Kommt den Leuten offenbar zu kleinfitzelig vor – dabei sind gerade DAS die Lebensgrundlagen.“

Die Studien:

Synthetische Fungizide

Die Studie „Does the current fungicide risk assessment provide sufficient protection for key drivers in aquatic ecosystem functioning?”, Jochen P. Zubrod, Dominic Englert, Alexander Feckler, Natalia Koksharova, Marco Konschak, Rebecca Bundschuh, Nadja Schnetzer, Katja Englert, Ralf Schulz, Mirco Bundschuh wurde publiziert in Environmental Science & Technology. Sie ist online abrufbar unter:
http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es5050453

Anorganische Fungizide

Die Studie „Inorganic fungicides as routinely applied in organic and conventional agriculture can increase palatability but reduce microbial decomposition of leaf litter”, Jochen P. Zubrod, Alexander Feckler, Dominic Englert, Natalia Koksharova, Ricki R. Rosenfeldt, Frank Seitz, Ralf Schulz, Mirco Bundschuh wurde publiziert in Journal of Applied Ecology. Sie ist online abrufbar unter:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.12393/abstract

25.2.15 HOME


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