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Antibiotika-Problem: Strategieren statt handeln

25. September 2013
Bei Gewässern unter 1‘000 Metern fanden Forscher der Universität Zürich in 36 Prozent der Wasserproben multiresistente Keime. Urbane Räume waren am stärksten belastet. Foto: Sihl in Zürich.

Bei Gewässern unter 1‘000 Metern fanden Forscher der Universität Zürich in 36 Prozent der Wasserproben multiresistente Keime. Urbane Räume waren am stärksten belastet. Foto: Sihl in Zürich.

Das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) meldet Antibiotika in der Veterinärmedizin: Zunahme der Resistenzen trotz Rückgang im Verkauf. 57’157 kg Antibiotika sind 2012 für die Veterinärmedizin verkauft worden. Die Probleme mit den zunehmenden Resistenzen sind hinlänglich bekannt: mehrfachresistente Keime in Tier und Mensch, im Wasser und Boden, Mangel an wirksamen Antibiotika. Gemäss wissenschaftlichen Untersuchungen werden Resistenzen auch auf Bodenorganismen übertragen. Was macht man in der Schweiz dagegen? Strategieren! Eine Arbeitsgruppe soll bis 2015 ein Massnahmenprogramm  ausarbeiten. Heidi hat darüber bereits berichtet Antibiotika CH: studieren, zusammensitzen, strategieren, 3.3.13.

Professor Roger Stephan vom Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich fordert ein schnelles Umdenken beim Einsatz von Antibiotika. Es gebe jedoch nicht einen Verursacher, wie etwa die häufig angeführte Tierhaltung, sondern viele, zum Beispiel auch Krankenhäuser. «Bei mangelhafter Durchsetzung dringender Korrektur- und Schutzmassnahmen droht die Welt auf ein postantibiotisches Zeitalter zuzusteuern, in dem gewöhnliche Infektionen nicht mehr geheilt werden können», fürchtet Stephan. Resistente Bakterien erobern die Schweiz, UZH News vom 16.5.13.

In holländischen Spitälern werden Bauern direkt in die Isolierstation eingeliefert. Deutschland hat das Problem angepackt: Pläne lagen bereits 2012 vor sowie ein Gesetzesentwurf. Eine bundesweite Datenbank soll helfen, die Behandlungshäufigkeit in den einzelnen Betrieben zu erheben, zu vergleichen und auf reduzierten Einsatz hinzuwirken. Der Bundesrat unterstützt die Pläne der Bundesregierung, die Massnahmen gehen den Ländern aber zu wenig weit, daher stimmte der Bundesrat über mehr als 50 Änderungsvorschläge ab mit dem Ziel den verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika weiter zu fördern. Weitere Vorschläge zum Kampf gegen Antibiotikaresistenzen, Bundesrat 2.11.12.

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„Happy“ Truthahn für Weihnachten?

9. Dezember 2012
Realitätsfremde Bauernhof-Idylle im Retro-Look. Da fehlt doch die Bäuerin!

Realitätsfremde Bauernhof-Idylle im Retro-Look. Da fehlt doch die Bäuerin!

Seit Wochen suchen Leute tierfreundlich gemästeten Schweizer Truthahn und finden in Heidis Artikel Nur Schweizer Truthahn und Poulet kaufen! Hinweise auf Bezugsquellen. Nachtrag 13.12.12: Heute im Kassensturz neueste Informationen zu Trutenfleisch: Profit auf Kosten der Tiere . Eine Leserin schrieb: „Wir würden sehr gerne einen „happy“ Truthahn aus der Region bestellen. Allerdings ist dies nicht ganz so einfach. Meine Mutter fragt immer wieder am Samstagsmarkt bei den Bauern nach, aber die bieten dies nicht an. Migros und Coop fragen wir nicht, da wir denen nicht ganz trauen. Wir haben früher im Coop bestellt und danach zum Metzger gewechselt. Leider ist der Truthahn aber meistens aus dem Ausland. Wie finden wir heraus, wer in unserer Region „happy“ Truthähne züchtet? Wir sind froh um jeden Tipp. Google ist leider keine grosse Hilfe.“

Die Werbung von Migros suggeriert, dass die Tiere auf den 12’000 TerraSuisse-Bauernhöfe alle soooooooo glücklich seien; „happy“ Truthähne gibt’s gleich zwei Stück auf dem Bild. Tatsache ist, dass tierfreundlich gemästete Truthähne nicht so einfach in der Region zu kaufen sind. Heidi wollte ihrer Leserin helfen, hat aber nichts Neues gefunden. Bei Biosuisse gibt es die Kategorie „Truthahn“ auf der Produkte-Suchliste schon gar nicht. Heidis Ratschlag: Auf keinen Fall ausländischen Truthahn kaufen, weil dieser mit grosser Wahrscheinlichkeit aus tierquälerischer Mast stammt.

Das Problem ist in erster Linie der zunehmende Konsum von Geflügelfleisch; je kleiner die Tiere sind, desto schwieriger ihre Lebensbedingungen: „Happy“ Poulets gibt es in der Schweiz nur wenige, z.B. KAGfreiland, Gutsbetrieb Oeschberg usw. Man stelle sich die grossen Masthallen vor bei Normalmast: 13,3 Hühnchen pro m2 sind erlaubt, bei Mistkratzerlis (Coquelets) gar 37,5 pro m2. Das ist dichtgedrängt! 88,5 Prozent der Poulets werden in besonders tierfreundlichen Ställen (BTS) gehalten, d.h. sie haben einen Wintergarten, der mindestens 20 Prozent der Stallinnenfläche beträgt; eine weitere Dichtestress-mindernde Einrichtung sind erhöhte Sitzgelegenheiten, siehe Ethnoprogrammverordnung. Sitzstangen gibt es aus gutem Grund keine: die meisten Mastrassen sind schnellwachsend, der Brustmuskel gross, so dass die Poulets nicht dorthin gelangen und sich dort halten könnten. Heidi isst schon lange kein Geflügel mehr, ausser Hühnersuppe gegen Erkältung und Bluthochdruck natürlich, und nur noch KAG-Eier.

Muss es unbedingt Truthahn sein? Weihnachten, das Fest der Liebe, möchte man es nicht in erster Linie mit den Lieben geniessen, stressfrei? Viele versuchen, mit ihren Festtagsessen Starköche zu überbieten, ein schwieriges Unterfangen. Warum nicht einen anderen Weg gehen: Mut zum Einfachen, damit man Zeit für sich und die anderen hat. Zum Beispiel Fondue, Gschwellti (Pellkartoffeln) mit ausgewählten Käsesorten oder ein Siedfleisch-Eintopf (Rezept von der Goldküste). Heidis Tipp zu Geschwellti: Glarner Schabziger-Stöckli mit Bircherraffel fein reiben, mit wenig Schlagrahm mischen. Die besten Voraussetzungen für ein schönes Fest sind entspannte, gut gelaunte GastgeberInnen. Und denken wir auch an die Tiere, nicht nur an Weihnachten, und kaufen nur Fleisch und Eier aus besonders tierfreundlicher Haltung, Aktionen hin oder her!

Feiern Sie Weihnachten mit Rücksicht auf die Umwelt, die Tiere und die Menschen, Rezepte und Aktuelles der Schweizer Vereinigung für Vegetarismus

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Die täglichen Lügen

8. November 2012
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Informationen zum mangelnden Vollzug Tierschutz, Schweizer Tierschutz STS, undatiert

Gestern abend hat Heidi sich die vielen Meldungen im elektronischen Postfach vorgenommen und ist beim 2. Tierschutzbericht 2011 des Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) hängen geblieben. Zwar führte die ihn ankündigende Medieninformation vom 3.10.12 nicht direkt zum Bericht, aber wer suchet, die findet. Seite 8 hat Heidi folgenden Satz gelesen:

«Die alten Ställe, in denen das Vieh lange Wintermonate ohne viel Tageslicht und ohne frische Luft verbrachte, sind zum Glück heute nur noch Kindheitserinnerungen und das ist gut so. Die Nutztiere werden heute gut gehalten. Die Haltevorschriften entsprechen einem Vier-Sterne-Hotel mit Fitnesscenter. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht dem helvetischen Perfektionismus verfallen, denn die Gesellschaft möchte heute in Bezug auf das Tierwohl die Sterne vom Himmel holen, egal ob für Kühe oder für Wellensittiche. Wenn das so weiter geht, könnte den Bauern die Tierhaltung langsam verleiden.» Pierre-François Veillon, Nationalrat und Ingenieur-Agronom / Direktor eines landwirtschaftlichen Treuhandbüros.

Gut geht’s vielen Schweizer Nutztieren, aber lange nicht allen, wie das im Tierschutzbericht 2011 hingestellt wird. Etwa der Schlussbericht Auditprogramm BLK Tierschutz zeigt zum Teil gravierende Mängel beim Vollzug auf. Die alten dunklen Rindviehställe sind selten geworden, aber in verschiedenen Gebieten der Schweiz durchaus noch in Betrieb, häufig praktisch ohne oder mit seltenem Winterauslauf (Bauern kontrollieren Bauern). Als Nationalrat Pierre-Francois Veillon ein Kind war, da durfte das Rindvieh zweimal täglich zur Tränke ins Freie, während dieses Vergnügen den heutigen Bewohner dieser Ställe selten zugestanden wird, im von Heidi beobachteten Extremfall sind das mehr als 3 Monate dunkles Verlies. Schafe sind weniger privilegiert als das Rindvieh; wo sind sie im Winter, und wer beaufsichtigt sie im Sommer? Und ein Blick in das Tierschutz-Kontrollhandbuch Mastgeflügel zeigt, dass das Leben der „Poulets“ nicht mit einem Aufenthalt im Vier-Stern-Hotel zu vergleichen ist, was auch nicht zu erwarten ist in Anbetracht der Tatsache, dass ein Grossteil der heute üblichen Zuchtrassen schnellwachsend ist, also aus einem Küken in 30-40 Tagen ein Poulet wird. Kein Wunder, dass die Schlachtreifen nicht mehr so sicher auf den Beinen stehen!

Die grafisch perfekt aufgemachte Farbbroschüre mit vielen grossen Fotos liefert Informationen und vertuscht gleichzeitig Missstände. Wieso hat die Schweiz mehrheitlich tierfreundliche Ställe? Weil KAG und Schweizer Tierschutz (STS) über Jahrzehnte massiv Druck aufsetzten und die Bevölkerung über die misslichen Zustände wie Käfighaltung der Hühner informierten. Auch heute ist Druck durchaus nötig, siehe Heidis Bericht Kalbfleisch: rosarot ohne Antibiotika. Mit 84 Prozent JA-Stimmen war das Schweizer Volk 1973 für einen umfassenden Tierschutz. Acht Jahre später traten Tierschutzgesetz und -verordnung in Kraft mit langen Übergangsfristen. Doch der Vollzug liess auf sich warten, die Fristen verstrichen weitgehend ungenutzt. Warum? Zitat aus dem Schwarzbuch „Vollzugs-Notstand im Tierschutz“ des STS: „Für die Durchsetzung des Gesetzes sind die Kantone verantwortlich. Der Bund hat zwar die Oberaufsicht, aber die Hände sind ihm weitgehend gebunden…“ Das kommt Heidi irgendwie bekannt vor! Der damalige freiburgische Kantonstierarzt brachte es auf den Punkt: Er denke nicht daran, das Gesetz zu vollziehen. Diesen Unsinn mache er nicht mit. Glücklicherweise seien die Kantone ihre eigenen Herren. Die Tierschutzvertreter seien halt Fanatiker. Tatsächlich? Im Schwarzbuch beginnen vier Titel mit „Unwahrheit Nr.“.

Der Schutz der Tiere durch Gesetze ist heute gut, es fehlt aber teilweise am Wille, diesen durchzusetzen. Wir haben als KonsumentInnen die Möglichkeit zu denken, zu handeln, zu wählen, abzustimmen, die Zukunft zu gestalten… wenn wir wollen. Und, wenn den Bauern, wie Pierre-François Veillon befürchtet, die Tierhaltung langsam verleidet, wäre das angesichts der Milchseen und Fleischberge, der entsprechenden Exporte und des Klimas weiter nicht so schlimm. Je länger sich Heidi mit den Nutztieren befasst, desto mehr ist ihr der Konsum der aus den Fressmaschinen resultierenden Produkte verleidet.

Die Kühe im Kanton Graubünden merken wenig von der Winterauslauf-Vorschrift, Vgt, VN 09-2. In diesem Artikel gibt es auch Bilder von alten dunklen Ställen – wie sie Heidi auch kennt – und unzulänglichen Mistlagern.

8.11.12 HOME


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