
Rückruf von Popcorn aus Spanien wegen zu hohen Chlorpyrifos-Werten. Klick auf Bild für Vergrösserung.
Lidl Schweiz rief heute Popcorn aus Spanien zurück, da das Produkt das Pestizid Chlorpyrifos über dem gesetzlichen Höchstwert enthält. Das Deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hatte bereits am 30.3.23 eine Warnung für Popcornmais aus Spanien veröffentlicht.
Chlorpyrifos wurde in der EU per 16.2.20 verboten, mit Aufbrauchfrist 16.4.20. 2018 hatten Wissenschaftler bei einer für die Zulassung vorgelegten Herstellerstudie von 1998 Unstimmigkeiten festgestellt. Sie fanden deutliche Hinweise auf Beeinträchtigungen im Gehirn schon bei geringen Dosen. Diese Effekte wurden im Fazit der Studie jedoch nicht erwähnt. Chlorpyrifos ist auch für Tiere toxisch, besonders für Amphibien, jedoch auch für Bienen und Fische. Äusserst toxisch ist der Metabolit Chlorpyrifos-oxon.
Im Mai 2019 entschied das Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft, allen Pflanzenschutzmitteln mit den Wirkstoffen Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-methyl die Bewilligung zu entziehen. Dagegen gingen acht Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht ein, u.a. von Dow AgroSciences, Syngenta und Sintagro. In der Folge wurden die Bewilligungen für Chlorpyrifos-haltige Pestizide entzogen, Aufbrauchfrist 8.5.21.
Weiterhin zugelassen ist Chlorpyrifos u.a. in den U.S.A.
Zulassungsverfahren mangelhaft
Wissenschaftler kritisieren schon lange das Zulassungsverfahren für Pestizide. Die taz schrieb im Juni 2020: Es sind schwere Vorwürfe, die WissenschaftlerInnen gegen den Chemiekonzern Dow Chemical/Corteva und Pestizid-Zulassungsbehörden erheben: „Der Hersteller des Insektizids Chlorpyrifos hat die Ergebnisse eines Tierversuchs 1998 irreführend dargestellt, und die Behörden korrigierten das erst 2019“, sagte der Chemiker Axel Mie von der schwedischen Medizinuniversität Karolinska-Institut der taz.
… „Dieser Fall illustriert, dass das Zulassungsverfahren nicht zuverlässig funktioniert – nicht nur in der EU, sondern weltweit“, sagt Mie. „Obwohl die entscheidenden Daten seit 20 Jahren vorliegen, blieb Chlorpyrifos praktisch überall zugelassen.“ Er schlägt vor, dass nicht mehr die Industrie die Studien für die Zulassung finanziert. Stattdessen müssten die Unternehmen eine Behörde bezahlen, damit sie die Studien in Auftrag gibt.
Aktuelle Chlorpyrifos-Warnungen
Das Deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit betreibt ein Schnellwarnsystem für Lebensmittel. Die Liste der Warnungen vom 30.3.23 bis 28.4.23 ist lang. Sie enthält nicht zugelassene Substanzen aller Art, Schwermetalle wie Quecksilber und Cadmium, Salmonellen, Listerien, Aflatoxine, Schimmel, Norovirus, Insekten, Überschreitung von Höchstwerten, Fremdkörper, nicht oder falsch gekennzeichnete Allergene, unzureichende Temperaturkontrolle, Migration von Stoffen aus Behältern (Arsen, Nickel, Kobalt…), Versuch illegaler Einfuhr usw.
Aufgeführt sind innerhalb eines Monats 24 Warnungen für Chlorpyrifos. Oft sind gleichzeitig auch weitere problematische Stoffe aufgeführt: 3x Zitronen aus der Türkei, 3x Orangen aus Ägypten, Koriander aus Thailand, Nahrungsergänzungsmittel mit Rohstoff aus Marokko, Kreuzkümmel aus der Türkei, Ingwerpulver aus Indien, 2x Weizen aus der Ukraine, Bio-Zimt aus Madagaskar, weisser Sesam unbekannter Herkunft, Grapefruits aus der Türkei, Tomaten aus der Türkei, Rosinen aus Deutschland, Rambutan aus Vietnam, Nashi-Birnen aus China, Okra aus Ägypten, Mandarinen aus Spanien, Kolanüsse aus Frankreich, Granatäpfel aus der Türkei und Popcornmais aus Spanien.
Giftig für Embryos – aber erlaubt. taz Juni 2020
Schnellwarnungen RASFF: Lebensmittelsicherheit / Meldungen April 2023 / Stand: 28.04.2023. Deutsches Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Meldungen Schnellwarnsystem RASFF. Deutsches Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit