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Maikäfer-Massenmord: Bitte sagen Sie es nicht weiter!

11. Mai 2023
Copyright: SRF Schweiz aktuell

Copyright: SRF Schweiz aktuell. Ein Klick auf das Bild führt zur Sendung vom 29.5.20

Glauben Sie, dass Maikäfer vom Aussterben bedroht sind? Oder sind Sie betroffen von den gefrässigen Engerlingen oder Käfern? Je nach Situation lieben oder hassen Menschen diese Blatthornkäfer. Betroffene Bauern und GärtnerInnen bekämpfen die Maikäfer, denn sie können grosse Schäden anrichten.

Plötzlich waren sie da, die Maikäfer! Der Alpöhi hatte sie zuerst an der Hainbuchenhecke entdeckt. Heidi schaute nach … und da waren sie massenhaft, auch auf dem Zwetschgenbaum, auf der Säuleneiche und den Korbweiden. Beim letzten Flug vor drei Jahren hatten die Maikäfer die andere Säuleneiche kahlgefressen. Erst dieses Jahr treibt sie im unteren Teil zaghaft neue Knospen, wird wahrscheinlich überleben.

Was tun? Heidi holte rasch eine Plastikfolie, füllte einen Kessel mit Wasser, das sie mit wenig Abwaschmittel versah, und machte sich mit einem Stecken in der Hand an die Arbeit. Es heisst zwar, dass das Sammeln von Maikäfer wenig nütze, doch Heidi war entschlossen, die zarten hellgrünen Blätter vor dem Frass zu schützen. Ein Schlag mit dem Stecken in die Hecke und schon purzelten sie von den Ästen, viele paarweise, denn sie waren mit der Fortpflanzung beschäftigt.

Da lagen sie nun, viele auf dem Rücken, als wären sie tot. Sobald Heidi sie in die Hand nahm, klammerten sie sich fest. Erstaunlich diese Kraft in ihren Beinen! Einzelne versuchten wegzufliegen, aber Heidi war meist schneller mit dem Einfangen. Eine Handvoll Käfer nach der andern landete im Kessel. „Ach diese wunderschönen Käfer“, dachte Heidi. Sie schüttelte das Wasser immer wieder, um sie so rasch wie möglich tot zu sehen, die armen Kreaturen.

Dieses Prozedere wiederholte Heidi bei jedem Baum, der im oberen Teil voller Maikäfer war. Inzwischen waren auf der Hecke erneut Käfer gelandet, also führte sie diese widerliche Arbeit mehrmals aus. Am Schluss war der grosse Kessel, den Heidi laufend mit den Ersäuften füllte, voll. Verschont blieben jene Maikäfer, die zuoberst auf der Säuleneiche gelandet waren, denn dorthin reichte auch der Teleskop-Schneider/Pflücker nicht. Zudem ist der Baumstamm so dick, dass er beim Rütteln nur wenig nachgibt, zu wenig, um die Käfer aus ihrer Astumklammerung zu lösen.

„Wo werden die Überlebenden die Eier ablegen?“ Heidis Frage kann wohl niemand beantworten.

Von Maikäfersuppe …

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde das Maikäfersammeln weit herum praktiziert und stellte zusammen mit dem Einsammeln der Engerlinge beim Pflügen die wichtigste Praxis der Maikäferbekämpfung dar. In Frankreich und Teilen Deutschlands wurden sie geröstet und zu Maikäfersuppe verarbeitet.

Wenn Sie Engerlinge antreffen, vergewissern Sie sich, dass es Maikäfer-Engerlinge sind und nicht Rosenkäfer-Engerlinge, bevor sie zuschlagen, denn letztere sind nützlich.

Maikäfer-Bekämpfung

Der einheimische Maikäfer dringt wegen des Klimawandels in immer höhere Lagen vor. Dort ernährt er sich von den Wurzeln der Gräser. Sterben die Pflanzen, kommen die Hänge ins Rutschen und es drohen Ernteeinbussen für die Bergbauern. Christian Schweizer von Agroscope zeigt in einem Interview in Schweiz aktuell, wie man mit einem Pilz dagegen ankommt.

In Zeiten der Pestizid-Euphorie wurden zur Bekämpfung des Maikäfers etwa DDT, Lindan oder Hexachlorcyclohexa gegen Engerlinge, Drahtwürmer und andere «Bodenschädlinge» eingesetzt, ein lukratives Anwendungsfeld für die synthetischen Insektizide. Dabei wurde seit 1949 auch der während des Kriegs in den USA entwickelte Wirkstoff Chlordan verwendet.

Ein nie da gewesenes Ausmass erreichte die Pestizidanwendung in der Schweiz in den Jahren 1950/51, als verschiedene Gebiete zur Bekämpfung des Maikäfers grossflächig mit Insektiziden besprüht wurden. Diese Maikäferbekämpfung war Ausgangspunkt einer öffentlichen Debatte um die Verhältnismässigkeit solcher Aktionen und die Nebenwirkungen der chemischen Schädlingsbekämpfung für Mensch und Umwelt.

Maikäfer, Wikipedia

Rosenkäferlarve vs. Engerling. Umweltberatung Luzern

Engerlingsbekämpfung mit entomopathogenen Pilzen. Agroscope

Maikäferplage in Bündner Bergen. Schweiz aktuell 29.5.20

Nützliche Schädlinge – angewandte Entomologie, chemische Industrie und Landwirtschaftspolitik in der Schweiz 1874-1952. Lukas Straumann 2005

Pestizide: Einst ein Wildwest-Geschäft – heute immer noch mangelhaft geregelt

9. März 2023
Copyright: Hans Maurer

Quelle: Umweltrecht in der Praxis URP 7/2022, Hans Maurer

Heidi findet im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen immer wieder Pestizide, die das Kind im Mutterleib schädigen oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder vermutlich Krebs erzeugen können usw. Viele Pestizide sind sehr giftig für Wasserorganismen. Heidi frägt sich dann: „Wie kommt es, dass solche Pestizide überhaupt bewilligt wurden, ja sogar für das Sprühen aus der Luft mit Helikoptern. Das Folgende schafft hier Klarheit.

Massnahmen an der Quelle nötig

„Mein Vater, Bauer in Buchs/ZH, mischte in den 1950er Jahren DDT direkt in die Kalkmilch für das Weisseln des Kuhstalls. In den ersten Jahren starben die Fliegen phänomenal, dann liess die Wirkung nach. Höhere Dosen mussten eingesetzt werden.“ Das schreibt Hans Maurer Bauernsohn, Chemiker und Rechtsanwalt im Beitrag „Schädliche Pestizide in der Umwelt: Rechtsmängel, Vollzugsmängel, Verbesserungsmöglichkeiten“, der in der Fachzeitschrift Umweltrecht in der Praxis URP 7 | 2022 erschienen ist. Er zeigt auf, was alles schief läuft … – heute noch – und das ist viel!

Maurer kennt sich in der Pestizidproblematik aus wie kaum ein anderer. Für ihn ist klar, dass Verbesserungen dringend nötig sind. Das vom Bund im Jahre 2017 eingeleitete Programm zur Risikoverringerung (Aktionsplan Pflanzenschutzmittel) bekämpfe das Problem nicht an der Quelle. Ob es die Natur und Artenvielfalt zu schützen vermag, sei zweifelhaft. Nötig seien Massnahmen, die das Zulassungssystem verbessern, vermehrte Massnahmen an der Quelle sowie eine Verhaltensänderung der KonsumentInnen.

Pestizide schädigen die Natur und Artenvielfalt. Lange Zeit waren nur ein paar natürliche «Wirkstoffe» wie Schwefel oder Arsen gegen Schadinsekten oder Pilzkrankheiten bei Pflanzen bekannt. Erst ab den 1940er Jahren wurden immer mehr «chemische» Stoffe für den Pflanzenschutz entwickelt und eingesetzt.

Veraltete Pflanzenschutzgesetzgebung

Maurer: „Rechtsstaatlich und im Lichte einer vollzugstauglichen Gesetzgebung ist die PSMV ein Lehrbeispiel, wie man es nicht machen sollte.“ 1992 trat in der EU die erste Pflanzenschutzgesetzgebung in Kraft, die von der Schweiz einschliesslich der seither erfolgten Revisionen übernommen wurde (Pflanzenschutzmittelverordnung – PSMV). Noch heute basiert die PSMV auf dem Konzept von 1992, das jedoch durch den wissenschaftlichen Fortschritt und grossen Mehreinsatz von Pestiziden überholt sei, so Maurer.

2019 und 2021 hat der Bund die PSMV mit Regeln ergänzt, die das Zulassungsverfahren schwächen. Per 1. Januar 2019 setzte das BLW durch, dass die 10-jährige Befristung für PSM aufgehoben wird. Per 1. Januar 2021 setzte das BLW zudem ein Denkverbot für Mitarbeitende durch: Danach soll bei der Wirkstoffprüfung nur noch auf die «Beurteilungsergebnisse der EFSA sowie die Erwägungen der Kommission der EU» abgestellt werden, die meist nur einige zehn Seiten umfassen.

Diese Änderung sei verfassungswidrig, weil sie dazu führt, dass die Bundesaufgaben zum Schutz der Gesundheit der Menschen (Art. 118 BV), der Umwelt (Art. 74 BV), der Gewässer (Art. 76 BV) und Natur (Art. 78 BV) nicht umgesetzt werden. Die Bestimmung widerspreche auch dem übergeordneten Gesetzesrecht, namentlich dem Vorsorgeprinzip (Art. 1 Abs. 2 Umweltschutzgesetz [USG]) und dem Gebot der Rücksichtnahme auf schützenswerte Tiere und Pflanzen bei der Schädlingsbekämpfung (Art. 18 Abs. 2 NHG), denn beide Bestimmungen stellen auf wissenschaftliche Erkenntnisse ab, nicht auf Umstände, die sich aus (veralteten oder mangelhaften) Beurteilungen der EU ergeben.

Mangelhafter Vollzug

Zum einen seien es Rechtsmängel, welche die Schädigung von Natur und Artenvielfalt zur Folge haben. Zum anderen würden die bestehenden Vorschriften mangelhaft umgesetzt. Die EU-Regeln lassen sich zudem nicht 1:1 auf die Schweiz übertragen, da die Verhältnisse (z.B. Niederschläge) anders sind. Die Vollzugsmängel gehen auf eine unvollständige Rechtsanwendung und insbesondere Missachtung des Vorsorgeprinzips zurück. Dieses verlangt, dass umweltschädliche Stoffe primär an der Quelle bekämpft werden, also durch die Streichung von zugelassenen Wirkstoffen oder den Widerruf bestehender Pflanzenschutzmittelbewilligungen.

Das Inhaltsverzeichnis

Der Beitrag ist in klarem Deutsch verfasst, also für ALLE verständlich. Er ist in folgende Kapitel aufgeteilt:

I. Historisches

1. Von der Antike bis 1930

2. Erste Regulierung bis heute (Übersicht)

II. PSMV: schwer verständlich und veraltete Konzeption

1. Eugen Hubers Alptraum

2. Heutiges Recht beruht auf Konzeption von 1992

III. Systemversagen

1. Hintergründe

2. Rechtsmängel

3. Vollzugsmängel

4. Besondere Verhältnisse in der Schweiz vernachlässigt

IV. Bedeutung des Vorsorgeprinzips im Pflanzenschutzmittelrecht

V. Verbesserungsmöglichkeiten

1. Grundsätze

2. Bisherige Massnahmen des Bundes

3. Notwendige Massnahmen zum Schutz der Biodiversität

Lesen Sie den ganzen Beitrag!

Heidi empfiehlt ihren Leserinnen und Lesern den ganzen Artikel zu lesen. Immer wieder ist man erstaunt, z.B.:

„Einer Bemerkung wert sind die Gebühren für die Bewilligung von Pflanzenschutzmitteln. Diese sind mit einer Maximalhöhe von CHF 2’500.– für ein PSM mit einem neuen Wirkstoff (Art. 24c Gebührenverordnung GebV BLV]; Gesamteinnahmen rund CHF 100’000.–/Jahr, Angabe für 2018) überaus tief und vermögen den Aufwand der beteiligten Behörden (BLV, BAFU, SECO, BLW, Agroscope; total 27 Vollzeitäquivalente) bei weitem nicht zu decken. Bei durchschnittlichen Kosten von CHF 150’000.–/Stelle resultiert ein Kostendeckunsgrad von mageren 2 Prozent.

Die tiefen Gebühren erklären wohl, warum auf dem Schweizer Pestizidmarkt basierend auf nur 300 Wirkstoffen geschätzt 4’000 Produkte zugelassen sind, was die Marktüberwachung durch die dafür zuständigen Kantone (Art. 80 PSMV) faktisch verunmöglicht, und warum ein aufgestauter Berg von 700 Gesuchen (Stand Juni 2022) teils seit über sechs Jahren einer behördlichen Behandlung harrt. Da die Pestizidvermarktung ein kommerzielles Geschäft bildet, ist die Gesuchsbehandlung zu Lasten der Staatskasse verfehlt. In Deutschland beträgt die Gebühr CHF 64’000.– bis 251’000.– pro Bewilligung eines PSM mit einem neuen Wirkstoff.“

Die KonsumentInnen könnten handeln!

„Es wäre im Gesamten allerdings zu kurz gegriffen, die KonsumentInnen zu vergessen. Sie haben es in der Hand, durch den Einkauf (Bio statt konventionell), Konsum (mehr pflanzliche statt tierische Produkte) und weniger Food-Waste den Einsatz von Pestiziden, auch im Ausland, stark zu verringern …

Indem der Bund die Produktion von tierischen Lebensmitteln massiv subventioniert und die Fleischwerbung unterstützt, wirkt er dem eigenen Ziel eines nachhaltigen Ernährungssystems entgegen.“

Nun aber genug copy & paste! Hier finden Sie den vollständigen Artikel; er ist ausgesprochen aufschlussreich:

Schädliche Pestizide in der Umwelt: Rechtsmängel, Vollzugsmängel, Verbesserungsmöglichkeiten. Hans Maurer, Umweltrecht in der Praxis URP 7 | 2022

Heidis Frage: „Wollen wir weiterhin so schlampige oder eher verantwortungslose Regulierungen der Pestizide akzeptieren?“

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GO TOXIC FREE

14. Mai 2022
Go Toxic Free" ist ehrlich und inspirierend zugleich und gibt uns die Möglichkeit, heute positive Maßnahmen zu ergreifen. Lucy Siegle

Go Toxic Free“ ist ehrlich und inspirierend zugleich und gibt uns die Möglichkeit, heute positive Massnahmen zu ergreifen. Lucy Siegle, britische Journalistin und Autorin zu Umweltthemen.

Quellen: The chemicals that linger for decades in your blood. BBC 13.5.22, und Wikipedia

Die Umweltjournalistin Anna Turns wurde wachgerüttelt, als sie ihr Blut auf giftige synthetische Chemikalien untersuchen liess – und feststellte, dass einige Schadstoffe jahrzehntelang bestehen bleiben.

Ihre Ergebnisse zeigten Spuren von DDE, einem Metaboliten des Pestizids DDT, das bis in die 1970er Jahre verwendet wurde, sowie geringe Mengen an PCBs. Es sei ein wenig beängstigend, dass es sehr schwierig ist, diese Chemikalien wieder loszuwerden, wenn sie in die Gesellschaft gelangen. Trotz der Verbote sind sie immer noch vorhanden, da viele von ihnen nur schwer abbaubar sind.

Chlordan ist ein Insektizid, das aus einer komplexen Mischung aus mindestens 147 einzelnen Komponenten besteht. Grösstenteils setzt sich die Mischung aus trans-Chlordan, cis-Chlordan sowie ferner aus achiralem trans-Nonachlor und Heptachlor zusammen. Oxychlordan, ein hauptsächlicher Metabolit von cis– und trans-Chlordan, sowie Nonachlor sind toxischer als cis– und trans-Chlordan. Obwohl das Oxychlordan-Verbot ein Jahr vor Anna Turns Geburt erlassen wurde, hat sie Oxychlordan im Blut, das wohl an ihre Kinder weitergegeben werde.

Anna Turns praktische Tipps und Ideen für den Alltag, um uns selbst und unseren Planeten ein wenig weniger giftig zu machen, finden Sie in ihrem Buch:

„Die Verschmutzung durch Plastik macht Schlagzeilen. Aber Plastik ist nur ein Teil der Geschichte, und die unsichtbare Welt der chemischen Schadstoffe – im Boden, in der Luft, in unseren Wassersystemen und in unserem eigenen Körper – ist ebenso besorgniserregend. In den letzten Jahren haben chemiebedingte Gesundheitsprobleme stark zugenommen, und wenn wir untersuchen, was sich in der Kleidung, die wir tragen, in den Lebensmitteln und im Wasser, das wir zu uns nehmen, sowie in den zahlreichen Haushaltsreinigern und Kosmetika, die wir täglich verwenden, verbirgt, ist es leicht zu erkennen, warum.

In diesem aufmunternden und praktischen Buch macht die Umweltjournalistin Anna Turns diese unsichtbare Welt sichtbar, indem sie das umfassendere Thema der giftigen Chemikalien beleuchtet – was sie sind, wo sie versteckt sind und wie gross ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind. Go Toxic Free nimmt Sie mit auf einen ausführlichen Rundgang durch Ihr Haus und Ihren Garten und enthüllt die schädlichen Substanzen, die in Ihrem Zuhause lauern, und gibt Ihnen wichtige Tipps, wie Sie diese vermeiden können.“

Heidi meint: „Informieren Sie sich an unabhängigen Stellen! Lassen Sie sich nicht von der Werbung übertölpeln oder von PR-Aktionen der Chemischen Industrie! Keine neuen Altlasten!

Go Toxic Free, Anna Turns, Gebundene Ausgabe: ISBN: 9781789293432, E-Book: ISBN: 9781789293449

The chemicals that linger for decades in your blood. BBC 13.5.22

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