Posts Tagged ‘Emissionshandel’

Schweizer Firma: 2 Milliarden US$ CO₂-Geschäft in Brasilien

23. Oktober 2022
Verbandelung

Verbandelung spiegelt sich in einem Schweizer Bergsee

Der brasilianische Bundesstaat Tocantins hat diese Woche mit dem Schweizer Unternehmen Mercuria Energy Trading ein Abkommen über den Verkauf von 200 Millionen REDD-Kohlenstoffgutschriften geschlossen; zwei Mitbewerber können noch Einsprache erheben. Marli Santos, ein Beamter der Regierung des Bundesstaates Tocantins, sagte gegenüber Reuters, dass die Gutschriften einen geschätzten Wert von 2 Milliarden US-Dollar haben. Die Emissionsgutschriften werden zwischen 2016 und 2032 generiert.

Die Mercuria Energy Group Holding SA mit Sitz in Genf ist ein Schweizer Mineralölhandelsunternehmen. Es bildet die Handelseinheit der in Zypern domizilierten Mercuria Energy Group Ltd. Die Unternehmensgruppe handelt hauptsächlich mit Erdölprodukten, hat ihre Handelsaktivitäten aber auch auf Strom, Erdgas, Kohle und Emissionsrechtehandel ausgeweitet. Am Unternehmen beteiligt ist ChemChina, dem seit 2015 auch Syngenta angehört, das Pestizid- und Saatgutunternehmen, das sich gerne als „schweizerisch“ ausgibt und sich mit allen Mitteln gegen den drigend notwendigen Abbau des Einsatzes von Pestiziden wehrt.

Unstimmigkeit bei der Waldfläche

Die Waldfläche im Anrechnungsgebiet wird auf der Grundlage der Fläche berechnet, die nach der offiziellen nationalen Definition Brasiliens in der offiziellen Einreichung seines FREL [Forest Reference Level] beim Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) als Wald eingestuft ist.

Der Bezugszeitraum ist 2011 bis 2015, der Anrechnungszeitraum ist 2016 bis 2020. Die Gesamtwaldfläche im Bundesstaat Tocantins beträgt laut Konzeptdokument 18’151’564 Hektar.

Die Datenbank von Global Forest Watch weist für den Bundesstaat Tocantins eine ganz andere Waldfläche aus:

Copyright: Global Forest Watch

Komponenten der Nettoveränderung der Baumbedeckung

Und im Zeitraum 2016 bis 2020 wurde deutlich mehr Baumbestand verloren als im Zeitraum 2011 bis 2015 – mit einem dramatischen Anstieg im Jahr 2017:

Baumbestandverlust in Tocantins

Baumbestandverlust in Tocantins

Im Jahr 2019 berichtete Chain Reaction Research, dass, der brasilianische Bundesstaat Tocantins der neueste Hotspot der Abholzung für Soja und Rinder sei. Im Jahr 2018 wurde dort mehr Land gerodet als in jedem anderen Bundesstaat des brasilianischen Cerrado, einem grossen tropischen Savannenbiom, das mehr als 20 Prozent von Brasilien bedeckt.

Mit anderen Worten, die Zahl von 200 Millionen REDD-Kohlenstoffgutschriften ist einfach aus der Luft gegriffen.

Erdölprodukte sind langfristig nicht mehr erwünscht, also steigen viele Firmen auf andere Geschäfte um, die Gewinn und Greenwashing versprechen … nur werden auch die beschissenen Waldflächen rar werden. Irgendwann wird man in der Schweiz merken, dass der Ausgleich von klimaschädlicher Aktivität im Ausland den Klimawandel nicht stoppt. Im Klartext: Es nützt uns allen nichts!

Brazilian state of Tocantins teams up with Mercuria Energy Trading to sell 200 million imaginary jurisdictional REDD carbon credits. Chris Lang, REDD-Monitor 21.10.22

Brazilian state of Tocantins taps Mercuria to sell carbon credits. Reuters 20.10.22

Der neue Goldrausch: Emissionshandel

27. Januar 2022
George Monbot, The Guardian 26.1.21

George Monbot, The Guardian 26.1.21

Heidis Beitrag von gestern, 26.1.21, Brasilien: Verkauf von CO2-Zertifikaten trotz Abholzung, passt zum neuesten Artikel von George Monbiot im Guardian: Wohlhabende Unternehmen nutzen die Fassade „naturbasierter Lösungen“, um in grossem Ausmass Kohlenstoff-Landraub zu betreiben. Heidi hat ein paar Zitate mithilfe von DeepL übersetzt.

George Monbiot: „Es gibt nichts, was nicht korrumpiert werden könnte, nichts Gutes, das nicht in etwas Schlechtes verwandelt werden könnte. Und es gibt kein deutlicheres Beispiel als den grossen Klima-Landraub.

Die bei weitem wirksamsten Mittel sind „naturbasierte Lösungen“: die Wiederherstellung lebender Systeme wie Wälder, Salzwiesen, Torfmoore und des Meeresbodens, um Kohlendioxid aus der Luft zu extrahieren und zu binden, meist in Bäumen oder wassergesättigten Böden und Schlamm.

Vor drei Jahren hat eine kleine Gruppe von uns die Kampagne für natürliche Klimalösungen ins Leben gerufen, um auf das enorme Potenzial aufmerksam zu machen, das darin besteht, den Zusammenbruch des Klimas und ein sechstes Massenaussterben durch eine massive Wiederbelebung der Ökosysteme aufzuhalten.

Obwohl es schwer vorstellbar ist, dass eine Klima- oder Umweltkatastrophe ohne eine solche gross angelegte Wiederbelebung verhindert werden kann, warnten wir davor, sie als Ersatz für die Dekarbonisierung des Wirtschaftslebens zu verwenden oder es Unternehmen zu ermöglichen, Treibhausgase auszugleichen, die gar nicht erst produziert werden sollten. Wir sahen uns gezwungen, uns von zahlreichen Partnerorganisationen zu trennen, weil sie Geschäfte mit Kompensationsunternehmen gemacht hatten.

Aber unsere Warnungen und die vieler anderer blieben ungehört. Etwas, das eine grosse Kraft für das Gute sein sollte, hat sich in einen unternehmerischen Goldrausch verwandelt: den Handel mit Emissionsgutschriften. Eine Emissionsgutschrift steht für eine Tonne Treibhausgase, die vermieden oder aus der Atmosphäre entfernt wurden. In den letzten Monaten hat der Markt für diese Gutschriften einen regelrechten Boom erlebt.

… Und dann ist da noch ein kleines Problem mit dem Land. Es gibt einfach nicht genug Land auf der Erde, um die Treibhausgasemissionen der Unternehmen zu absorbieren. Oxfam schätzt, dass das Land, das benötigt wird, um die Kohlenstoffabbaupläne der Unternehmen zu erfüllen, fünfmal so gross sein könnte wie Indien – mehr als die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche der Erde. Und ein Grossteil davon gehört rechtmässig den Ureinwohnern und anderen Einheimischen, die in vielen Fällen nicht zugestimmt haben. Dieser Prozess hat einen Namen: Kohlenstoff-Kolonialismus …“

Lesen Sie hier weiter: Wealthy companies are using the facade of ‘nature-based solutions’ to enact a great carbon land grab. George Monbiot, The Guardian 26.1.21

Brasilien: Verkauf von CO2-Zertifikaten trotz Abholzung

27.1.22 HOME

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