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Reduktion des Fleischkonsums JA – aber nicht so!

31. Januar 2023
Unsere Beziehung zu Tieren ist gespalten. Wer isst das Fleisch seiner Katze? Aber wir fressen das Fleisch der herzigen Kälber!

Unsere Beziehung zu Tieren ist gespalten. Wer isst das Fleisch seiner Katze? Aber wir mästen diese herzigen Kälber und fressen dann ihr Fleisch!

Zahlreiche Studien zeigen, dass wir den Fleischkonsum massiv senken müssen, unserer Gesundheit zuliebe, für einen vernünftigen Selbstversorgungsgrad, für die Umwelt und das Klima. Doch wie sollen wir diesen Weg zusammen mit den Bauern gehen? Schliesslich machen die Bauern das, was ihnen aufgrund der Agrarpolitik existenzsichernd erscheint. Besonders stossend ist, dass Hans Burger, ein früherer Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, die Mutter- oder besser Fleischkuhhaltung stark gefördert hatte. Wenn halt viele Direktzahlungen in die Tierproduktion fliessen, dann ist es nicht verwunderlich, dass dieser bei den Bauern beliebte Zweig floriert.

Wie steht es aber mit dem Absatz? Bei den Schweinen (Überproduktion) momentan katastrophal, auch etwa Rindvieh-Label-Bauern klagen über stockenden Absatz, über Fleischimporte und die Veganuary-Aktionen: Im Januar sollen sich die Leute vegan ernähren. Der Veganuary wurde 2014 von Privatpersonen in Grossbritannien gegründet. Er wird von diversen Supermarkt-Ketten unterstützt, welche für den veganen Januar vegane Produkte promoten oder eigens neue Produkte in ihr Programm aufnehmen.

Gemäss einem Bericht von Keystone-SDA verkauft COOP im Veganuary mehr vegane Produkte, jedoch nicht weniger Fleisch?! (Übrigens hat Coop 2023 den dritten Plant Based Food Report in Zusammenarbeit mit LINK erstellt.) Migros lässt verlauten, dass es noch zu früh sei, um in diesem Jahr klare Trends zu erkennen, äussert sich aber wie folgt: „Andererseits verstehe es sich von selbst, dass ein höherer Verkauf von Alternativen zu tierischen Proteinen zu einem geringeren Verkauf der entsprechenden Fleischprodukte führt.“

Was klar ist, nicht an den Veganuary halten sich die Tiere. Sie müssen weiter gefüttert werden (meist mit viel Importfutter) und setzen Fleisch an. Ein Teil wäre schlachtreif, aber eben!

Vegane Ernährung fördern ist eine gute Sache, denn tierische Produkte benötigen für die gleiche Produktion von Energie das Mehrfache an Land, abgesehen von den Umweltwirkungen. Zudem ist pflanzenbetonte Ernährung erst noch viel billiger, v.a. wenn man nicht auf industriell Verarbeitetes setzt und z.B. Plätzlis aus Hülsenfrüchten selber herstellt und nach eigenem Gutdünken würzt – es muss ja nicht nach Fleisch schmecken! Inzwischen ist das Internet voll von Rezepten für schmackhafte Proteinalternativen. Übrigens, wer Brot selber herstellt und die Körner selber durch die kleine Hausmühle lässt, hat auch die wertvollen Inhaltsstoffe der Keime im Brot, d.h. mehr Protein, Vitamine usw. und es schmeckt erst noch aromatischer.

Der Umstieg auf eine pflanzenbetonte oder gar vegane Landwirtschaft muss kontinuierlich erfolgen und die Amortisation der Investitionen unserer Bäuerinnen und Bauern berücksichtigen. Also darf man nicht die Bauern mit ihren Tieren ins Januarloch fallen lassen. Der Veganuary ist keine gute Idee! Das heisst nicht, dass wir die Reduktion der Tierbestände auf die lange Bank schieben sollen, sondern sofort planen müssen, damit die Bäuerinnen und Bauern die nötige Zeit für den Umstieg haben, inkl. Weiterbildung.

Was ist uns eine gesunde und umweltschonende Ernährung wert?

Keine Steuergelder mehr für Fleisch-, Käse- und Milchwerbung: Greenpeace erhöht den Druck auf die Politik. Chiara Stähli, Luzerner Zeitung 30.1.23

Schweizer Schweine leiden unter Platznot. Georg Humbel und Mischa Christen, NZZmagazin 14.1.23

Wenig Fleischverzicht im Veganuary. htr.ch, (Keystone-SDA) 16.1.23

Plant based Food Report 2023, Coop

Vegetarische und vegane Ernährung, Merkblätter. Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (sge)

Veganuary, Wikipedia

Postletale Landwirtschaft. Stefan Mann, Agroscope

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Fehlgeleitete Tierproduktion: Das (wahre) Märchen vom Metzger und seinen Kälbern

17. August 2021
Kälber auf der Weide

Kälber auf der Weide

Eine alte Weisheit: “Wo die Sonne nicht hinkommt, kommt der Tierarzt hin!”

Diese Weisheit bläute Professor Hans Heusser den angehenden Agronomen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) von 1957 bis 1988 ein. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts rühmten Bauern und Wissenschaftler Sonne+Auslauf. Der erste Chef des Schweizer Bauernverbands (SBV), Professor Ernst Laur, war in den 1920/30er Jahren gar ein richtiger Kämpfer für Sonne, freie Bewegung in Auslauf und auf der Weide! Unvorstellbar, dass seine Nachfolger, ob Melchior Ehrler oder Hansjörg Walter, sich je so geoutet hätten; Tierwohl- und Tiergesundheitsverbesserungen mussten zumeist gegen den SBV und seine Exponenten durchgesetzt werden. Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz (heute pensioniert) war ein unermüdlicher Kämpfer für mehr Tierwohl.

Weisses Kalbfleisch wird lanciert

Zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg kamen einige Leute zu Geld und so sagte sich ein Metzger: „Ich könnte mehr Rendite aus dem Rindfleisch holen, wenn ich eine Spezialität anbieten würde.“ So setzte er sich, vermutlich noch etwas blutverschmiert vom letzten Töten einer Kuh, auf einen Hocker und überlegte. Zartes weisses Fleisch von einem Kälbchen könnte ich sicher teurer verkaufen und damit eine bessere Marge erzielen. Er bat einen Bauern um Hilfe. Dieser witterte ebenfalls mehr Gewinn. Der Bauer hatte eine Idee: „Ich füttere den Kälbchen nur noch Milch, kein Gras, dann ist vielleicht auch ihr Fleisch weiss statt rot und wir können das als Spezialität teuer verkaufen. Gesagt, getan!

Rasch gab es Nachahmer, auch in der Schweiz. Das Geschäft mit dem weissen Kalbfleisch funktionierte wunderbar. Man wusste, dass die Kälbchen eigentlich krank waren, an Blutarmut litten. Sie waren – und sind es teilweise heute noch – in dunklen Verschlägen untergebracht. Lange störte das niemanden. Immer lauter wurden aber Stimmen, die das schlecht fanden, denn die Kälbchen waren nicht nur krank, sie benötigten auch Antibiotika. Oft werden viele Kälber gemeinsam auf spezialisierten Betrieben gemästet. Weil die Tiere aus verschiedenen Bauernhöfen stammen, ist die Keimvielfalt gross und entsprechend auch die Krankheitsgefahr.

Immer noch werden viele Kälber auf Kälbermärkte gekarrt, wo sie sich ebenfalls mit Krankheitserregern ansteckten können. Hauptziel der Kälbermärkte ist nicht unbedingt das Verkaufen, denn oft sind die Tiere schon vorher verkauft, sondern das Generieren von Importkontingenten, einem ausgesprochen undurchsichtigen, aber offenbar lukrativen Geschäft.

Rosarotes Kalbfleisch wird erkämpft

Die Farbe muss stimmen!

Die Farbe muss stimmen! Copyright: Martin Scheeder, Hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaften der BFH/SUISAG

Vor etwa zehn Jahren wurde heftig um die Farbe des „optimalen“ Kalbfleisches gestritten, denn Hansuli Huber, damals noch beim Schweizer Tierschutz (STS), und Peter Zbinden, Beamter beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), und nicht nur sie, fanden die blutarmen, krankheitsanfälligen, Antibiotika-fressenden Kälber gar nicht toll. Sie erkämpften das heute rosarote Kalbfleisch gegen viele Widerstände der Fleischproduktions-, Verarbeitungs- und Verkaufsindustrie. Es wurde ein strenges Klassifiziersystem geschaffen. Noch heute laufen Bauern Gefahr, beim Metzger Abzüge erdulden zu müssen, wenn das Kalbfleisch in den Augen des Metzgers zu rot ist. Die Farbe ist also wichtig, nicht in erster Linie der Geschmack oder die Gesundheit der Kälber!

Von Bruder-Kälbchen und Mutterkühen

Seit den frühen Siebzigerjahren wird in der Schweiz Mutterkuhhaltung für die Fleischproduktion praktiziert. Der Verein Mutterkuh Schweiz zählt heute knapp 6’000 Mitglieder, die zusammen über 100’000 Mutterkühe halten. Ihr Anteil am Rindviehbestand beträgt 15 Prozent. Ein starker Förderer dieser Haltungsform war der frühere Direkter des BLW, Hans Burger, der selbst einen Mutterkuhbetrieb besass. Er propagierte Mutterkühe für das Berggebiet und intensive Milchproduktion im Talgebiet. Heute sind beide Produktionsformen in Berg und Tal zu finden. Mutterkühe weiden auf besten Fruchtfolgeflächen, die eigentlich besser für den Acker- und Gemüsebau genutzt würden.

Die Mutterkühe sind auf Fleischproduktion gezüchtet, die Milchkühe auf Milchproduktion. Das ist schlecht für die Milchkuhkälbchen, die nicht zur Aufzucht benötigt werden. Sie sind eigentlich überflüssig, setzen schlecht Fleisch an und sind daher nicht besonders zum Mästen geeignet. Tierschützer klagen, dass es Bauern gibt, die daher die Kälbchen vernachlässigen, so dass sie bald einmal im Schlachthof landen. Etwa in Australien ist dies eher die Norm, denn die Ausnahme. Während das Töten der männlichen Kücken der Eierproduktionsrassen bei den Hühnern längst ein Medienthema ist, sind die „Mutterkuhkälbchen“ Jööööh, während die überflüssigen Milchkuhkälbchen der knochigen Mütter zwar oft dennoch gemästet werden, die Masteffizienz aber nicht optimal (unökologisch) ist und die Kälbchen Antibiotika benötigen. In der Regel werden ihnen Antibiotika prophylaktisch verabreicht.

Auseinanderdriftende Züchtung

Diese Hochleistungskühe bringen eine hohe Milchleistung.

Diese Hochleistungskühe bringen eine hohe Milchleistung.

Die Schweizer Milchviehzüchtung ist auf Höchstleistungen ausgerichtet, orientiert sich an den Superleistungen internationaler Züchtungserfolge. Nicht so die Graslandforschung. Sie fördert Wiesenbestände, die es ermöglichen, viel Milch und Fleisch aus Gras, Klee und Kräutern zu produzieren. Die beiden Forschungsrichtungen passen also nicht zusammen. Zum Glück gibt es Bauern, welche dem Grünland und Berggebiet angepasste Kühe die bessere Lösung finden.

Kalbfleisch: rosarot ohne Antibiotika. Heidis Mist vom 9.4.12

Schweizer Kälbermärkte: Drama in drei Akten – Erster Akt: Tränker. Heidis Mist vom 10.4.17

Schweizer Kälbermärkte: Drama in drei Akten – Zweiter Akt: Bankkälber. Heidis Mist vom 16.5.17

Schweizer Kälbermärkte: Drama in drei Akten – Dritter Akt: Fehlende Vernunft im Parlament. Heidis Mist vom 25.7.17

Swiss Quality Veal

Tarifblatt Micarna

Qualitätsaspekte von Kalbfleisch, Martin Scheeder, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der BFH / SUISAG

Wenn schon Milch, dann CH-Milch! Heidis Mist vom 1.2.13

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