Posts Tagged ‘Hansuli Huber’

Fehlgeleitete Tierproduktion: Das (wahre) Märchen vom Metzger und seinen Kälbern

17. August 2021
Kälber auf der Weide

Kälber auf der Weide

Eine alte Weisheit: “Wo die Sonne nicht hinkommt, kommt der Tierarzt hin!”

Diese Weisheit bläute Professor Hans Heusser den angehenden Agronomen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) von 1957 bis 1988 ein. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts rühmten Bauern und Wissenschaftler Sonne+Auslauf. Der erste Chef des Schweizer Bauernverbands (SBV), Professor Ernst Laur, war in den 1920/30er Jahren gar ein richtiger Kämpfer für Sonne, freie Bewegung in Auslauf und auf der Weide! Unvorstellbar, dass seine Nachfolger, ob Melchior Ehrler oder Hansjörg Walter, sich je so geoutet hätten; Tierwohl- und Tiergesundheitsverbesserungen mussten zumeist gegen den SBV und seine Exponenten durchgesetzt werden. Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz (heute pensioniert) war ein unermüdlicher Kämpfer für mehr Tierwohl.

Weisses Kalbfleisch wird lanciert

Zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg kamen einige Leute zu Geld und so sagte sich ein Metzger: „Ich könnte mehr Rendite aus dem Rindfleisch holen, wenn ich eine Spezialität anbieten würde.“ So setzte er sich, vermutlich noch etwas blutverschmiert vom letzten Töten einer Kuh, auf einen Hocker und überlegte. Zartes weisses Fleisch von einem Kälbchen könnte ich sicher teurer verkaufen und damit eine bessere Marge erzielen. Er bat einen Bauern um Hilfe. Dieser witterte ebenfalls mehr Gewinn. Der Bauer hatte eine Idee: „Ich füttere den Kälbchen nur noch Milch, kein Gras, dann ist vielleicht auch ihr Fleisch weiss statt rot und wir können das als Spezialität teuer verkaufen. Gesagt, getan!

Rasch gab es Nachahmer, auch in der Schweiz. Das Geschäft mit dem weissen Kalbfleisch funktionierte wunderbar. Man wusste, dass die Kälbchen eigentlich krank waren, an Blutarmut litten. Sie waren – und sind es teilweise heute noch – in dunklen Verschlägen untergebracht. Lange störte das niemanden. Immer lauter wurden aber Stimmen, die das schlecht fanden, denn die Kälbchen waren nicht nur krank, sie benötigten auch Antibiotika. Oft werden viele Kälber gemeinsam auf spezialisierten Betrieben gemästet. Weil die Tiere aus verschiedenen Bauernhöfen stammen, ist die Keimvielfalt gross und entsprechend auch die Krankheitsgefahr.

Immer noch werden viele Kälber auf Kälbermärkte gekarrt, wo sie sich ebenfalls mit Krankheitserregern ansteckten können. Hauptziel der Kälbermärkte ist nicht unbedingt das Verkaufen, denn oft sind die Tiere schon vorher verkauft, sondern das Generieren von Importkontingenten, einem ausgesprochen undurchsichtigen, aber offenbar lukrativen Geschäft.

Rosarotes Kalbfleisch wird erkämpft

Die Farbe muss stimmen!

Die Farbe muss stimmen! Copyright: Martin Scheeder, Hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaften der BFH/SUISAG

Vor etwa zehn Jahren wurde heftig um die Farbe des „optimalen“ Kalbfleisches gestritten, denn Hansuli Huber, damals noch beim Schweizer Tierschutz (STS), und Peter Zbinden, Beamter beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), und nicht nur sie, fanden die blutarmen, krankheitsanfälligen, Antibiotika-fressenden Kälber gar nicht toll. Sie erkämpften das heute rosarote Kalbfleisch gegen viele Widerstände der Fleischproduktions-, Verarbeitungs- und Verkaufsindustrie. Es wurde ein strenges Klassifiziersystem geschaffen. Noch heute laufen Bauern Gefahr, beim Metzger Abzüge erdulden zu müssen, wenn das Kalbfleisch in den Augen des Metzgers zu rot ist. Die Farbe ist also wichtig, nicht in erster Linie der Geschmack oder die Gesundheit der Kälber!

Von Bruder-Kälbchen und Mutterkühen

Seit den frühen Siebzigerjahren wird in der Schweiz Mutterkuhhaltung für die Fleischproduktion praktiziert. Der Verein Mutterkuh Schweiz zählt heute knapp 6’000 Mitglieder, die zusammen über 100’000 Mutterkühe halten. Ihr Anteil am Rindviehbestand beträgt 15 Prozent. Ein starker Förderer dieser Haltungsform war der frühere Direkter des BLW, Hans Burger, der selbst einen Mutterkuhbetrieb besass. Er propagierte Mutterkühe für das Berggebiet und intensive Milchproduktion im Talgebiet. Heute sind beide Produktionsformen in Berg und Tal zu finden. Mutterkühe weiden auf besten Fruchtfolgeflächen, die eigentlich besser für den Acker- und Gemüsebau genutzt würden.

Die Mutterkühe sind auf Fleischproduktion gezüchtet, die Milchkühe auf Milchproduktion. Das ist schlecht für die Milchkuhkälbchen, die nicht zur Aufzucht benötigt werden. Sie sind eigentlich überflüssig, setzen schlecht Fleisch an und sind daher nicht besonders zum Mästen geeignet. Tierschützer klagen, dass es Bauern gibt, die daher die Kälbchen vernachlässigen, so dass sie bald einmal im Schlachthof landen. Etwa in Australien ist dies eher die Norm, denn die Ausnahme. Während das Töten der männlichen Kücken der Eierproduktionsrassen bei den Hühnern längst ein Medienthema ist, sind die „Mutterkuhkälbchen“ Jööööh, während die überflüssigen Milchkuhkälbchen der knochigen Mütter zwar oft dennoch gemästet werden, die Masteffizienz aber nicht optimal (unökologisch) ist und die Kälbchen Antibiotika benötigen. In der Regel werden ihnen Antibiotika prophylaktisch verabreicht.

Auseinanderdriftende Züchtung

Diese Hochleistungskühe bringen eine hohe Milchleistung.

Diese Hochleistungskühe bringen eine hohe Milchleistung.

Die Schweizer Milchviehzüchtung ist auf Höchstleistungen ausgerichtet, orientiert sich an den Superleistungen internationaler Züchtungserfolge. Nicht so die Graslandforschung. Sie fördert Wiesenbestände, die es ermöglichen, viel Milch und Fleisch aus Gras, Klee und Kräutern zu produzieren. Die beiden Forschungsrichtungen passen also nicht zusammen. Zum Glück gibt es Bauern, welche dem Grünland und Berggebiet angepasste Kühe die bessere Lösung finden.

Kalbfleisch: rosarot ohne Antibiotika. Heidis Mist vom 9.4.12

Schweizer Kälbermärkte: Drama in drei Akten – Erster Akt: Tränker. Heidis Mist vom 10.4.17

Schweizer Kälbermärkte: Drama in drei Akten – Zweiter Akt: Bankkälber. Heidis Mist vom 16.5.17

Schweizer Kälbermärkte: Drama in drei Akten – Dritter Akt: Fehlende Vernunft im Parlament. Heidis Mist vom 25.7.17

Swiss Quality Veal

Tarifblatt Micarna

Qualitätsaspekte von Kalbfleisch, Martin Scheeder, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der BFH / SUISAG

Wenn schon Milch, dann CH-Milch! Heidis Mist vom 1.2.13

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Silvester: „Dinner for One“ oder „Die Anstalt“?

30. Dezember 2018

In der ZDF-Politsatire "Die Anstalt" vom 18.12.18 wird der Ernährungskosmos genau unter die Lupe genommen. Dabei kredenzt das Anstaltsensemble satirisches Superfood mit Biss. Copyright: ZDF.

In der ZDF-Politsatire „Die Anstalt“ vom 18.12.18 wird der Ernährungskosmos genau unter die Lupe genommen. Dabei kredenzt das Anstaltsensemble satirisches Superfood mit Biss. Copyright: ZDF.

Weihnachten und Neujahr sind Konsumhöhepunkte. Die märchenhaften Schneelandschaften mit fahrender Eisenbahn und vielen Spielwaren in den Schaufenstern sind dem Zeitgeist geopfert worden. Keine Kinder mehr, die sich auch noch nach Weihnachten die Nasen an den Scheiben platt drückten. Heute wird Rentableres ausgestellt und in vielen Auslagen hängt schon vor Weihnachten das Schild „sale“.

Verführerisch werden auch Lebensmittel angepriesen, besonders Fleisch, obwohl wir davon weniger essen sollten: Für die Gesundheit, die Umwelt und das Klima.

Die Politsatiere des ZDF Die Anstalt nimmt Lebensmittel unter die Lupe: Transparenz? Glückliche Tiere? Umweltkosten? Grillen? Ehrlichkeit? Und nicht zuletzt ist der Einfluss von Lobbying auf die Politik ein Thema. Und wer ist für die Misere verantwortlich? Der Konsument! Während der Konsument auf der Bühne seiner Wut freien Lauf lässt, verlassen die Verantwortlichen die Bühne. In atemberaubender Geschwindigkeit zählt der Konsument auf, wofür er verantwortlich sein soll. Am Schluss des Films präsentiert der Wirt dem Gast die Rechnung. Zu Buche schlagen v.a. die externen Kosten des Fleisches. Die Addition: 300 Franken für eine Person!

Und in der Schweiz?

Im Grossen und Ganzen stimmt die Satire auch für die Schweiz. Jedoch ist z.B. bei uns die Ferkelkastration seit dem 1.1.10 nur noch unter Betäubung erlaubt. Also lieber nicht ennet der Grenze einkaufen.

Die Verbesserungen der Haltebedingungen für Nutztiere sind nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern wurden hart erkämpft und oft genug nur zögerlich umgesetzt. Einer der Kämpfer für mehr Tierwohl geht jetzt in Pension: Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz (STS). Ihm gehört ein grosser DANK.

In ihrem Artikel Die täglichen Lügen schrieb Heidi: „Mit 84 Prozent JA-Stimmen war das Schweizer Volk 1973 für einen umfassenden Tierschutz. Acht Jahre später traten Tierschutzgesetz und -verordnung in Kraft mit langen Übergangsfristen. Doch der Vollzug liess auf sich warten, die Fristen verstrichen weitgehend ungenutzt. Warum? Zitat aus dem Schwarzbuch „Vollzugs-Notstand im Tierschutz“ des STS: „Für die Durchsetzung des Gesetzes sind die Kantone verantwortlich. Der Bund hat zwar die Oberaufsicht, aber die Hände sind ihm weitgehend gebunden…“ Das kommt Heidi irgendwie bekannt vor!“

Mit offenen Augen einkaufen!

Crevetten und Beifang im Netz: Ein Ladenangestellter will Transparenz schaffen. Copyright: ZDF.

Crevetten und Beifang im Netz: Ein Ladenangestellter will Transparenz schaffen. Copyright: ZDF.

Ausgeklammert wurden gute Beispiele. Aber jene werden uns laufend penetrant vor die Augen geführt, um zu verhindern, dass wir genau hinschauen. Denn Einkaufen ist anspruchsvoll, wenn man tatsächlich tierfreundlich und umweltschonend produzierte Nahrungsmittel ohne Sklavenarbeit kaufen will. Lieber verzichten, als Waren aus zweifelhafter Herkunft in den Einkaufkorb legen. Transparenz auch in der Verarbeitung und Vermarktung ist nötig. Wer weiss, wer Hand angelegt hat, kann umso kraftvoller im 2019 beitragen, dass auch die Politik und Industrie ihre Ausrichtung ernsthaft ändern.

Übrigens: „tiergerecht“ produziert ist nur das Fleisch von wildlebenden Tieren.

Silvester-Programm einmal anders

Schauen Sie ausnahmsweise an Silvester statt Dinner for One die Satire Die Anstalt an. „Pflicht“ sind die Minuten 30:20 bis 39:20, die Szenen mit dem Lobbyisten und der Politikerin sowie der Wutausbruch des Konsumenten. Das sind zwei Minuten weniger als die gekürzte Schweizer Fassung von Dinner for One.

Danke, liebe Abonnentin, für den Hinweis auf dieses ZDF-Sendung.

Die Anstalt vom 18. Dezember 2018, Politsatire mit Max Uthoff und Claus von Wagner, ZDF (1:4:45)

Dinner for One (18 Minuten, Schweizer Version 11 Minuten)

Dinner for One: English comedy spices up German New Year. BBC 30.12.18

Hintergründe – Ferkelkastration. KAGfreiland

Tierschutz und Fleischwirtschaft im Spannungsfeld von Kooperation und Konfrontation. Referat von Dr. sc. nat. Hansuli Huber, Geschäftsführer Schweizer Tierschutz STS, anlässlich der Jahresversammlung des Schweizer Fleisch-Fachverbands SFF in Spiez vom 7. November 2018

Die täglichen Lügen. Heidis Mist vom 8.11.12

Tierschutz-Kontrollhandbuch Schweine, Schweiz

Tierschutz-Kontrollhandbuch Mastgeflügel, Schweiz

Tierschutz-Kontrollhandbuch Legehennen, Schweiz

Foodwaste über die Festtage Die Verführung ist gross – und der Geldbeutel auch. Über die Festtage wird ohne schlechtes Gewissen geschlemmt. Beim Einkauf sollte man aber hinschauen, sagt ein Experte.

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Schweizer Tierschutz zum Bio-Bashing von Migros-Boss Bolliger

24. Dezember 2017

Knoblauch vom Farngut. Natürlich Bio! Copyright: Farngut.

Knoblauch vom Farngut. Natürlich Bio! Copyright: Farngut.

Leserbrief von Hansuli Huber, Geschäftsführer Schweizer Tierschutz STS … und Heidis Empfehlungen:

Beim scheidenden Migros-Boss muss der Bio-Stachel tief sitzen, dass er sich zum Karriereende im Blick noch derart Luft verschaffen musste. Es soll ja gesünder sein, seinen Frust loszuwerden, statt ihn in sich hineinzufressen.

Ob das Bio-Bashing hingegen klug und gerechtfertigt war, ist zu bezweifeln. Denn anfangs Jahr gab Migros noch stolz bekannt: „Für gesamthaft 2.854 Milliarden Franken wurden Produkte mit ökologischem oder sozialem Mehrwert gekauft (+6.6 %), wobei besonders Produkte der Marke Alnatura mit einer Verdoppelung des Umsatzes … gegenüber dem Vorjahr hervorzuheben sind.“

Was muss ein Kunde, der bei Migros und Alnatura Bio einkauft und zum Umsatzplus beiträgt, nun bloss denken? Etwa: „M nimmt zwar gern mein Geld – aber von den mir verkauften Bio-Produkten ist M nicht überzeugt? Dass das nicht gerade vertrauens- und kundenbindend ist, steht ausser Frage.

Wenn der Migros Chef zudem behauptet, mit Biolandbau könne die Menschheit nicht ernährt werden, irrt er gleich mehrfach. Fakt ist: Es sind die heute rund um den Globus betriebenen Agrar- und Tierfabriken, die es bis heute nicht geschafft haben, die weltweit rund 800 Millionen Hungernden zu ernähren! Dafür macht diese industrialisierte, seelen- und verantwortungslose Pflanzen- und Fleischerzeugung die Böden und Gewässer kaputt, quält Milliarden von Tieren und verdrängt die bäuerliche Landwirtschaft.

Es braucht keine Fabriklandwirtschaft, naturnahe, tierfreundliche Bauernbetriebe wären sehr wohl in der Lage, die ganze Menschheit zu fairen Preisen zu ernähren. Denn ein Drittel der Lebensmittel wird heute verschwendet, unter den 20 bevölkerungsreichsten Staaten dieser Welt ist jeder Dritte übergewichtig, das heisst stopft zu viel in sich hinein, und viele Länder betreiben einen gesundheitsschädlichen und ressourcenverschleudernden Überkonsum von Fleisch.

Heidis Tipp: Kaufen Sie möglichst nicht in den grossen Läden ein. Sie sind meist zentrumsfern, der Zeitverlust für Anreise und Suchen in den unzähligen Gestellen mit unzähligen unökologischen Produkten ist gross. Gemütlich ist es keineswegs … und dann die Musik! Es gibt gute Alternativen.

Unverpackt einkaufen zur Bekämpfung der Müllberge? Kein Problem: Das Revival der Tante-Emma-Läden, Tagesanzeiger vom 21.12.17

bio & fair einkaufen weltweit ab Hof bei gebana. Neu auch 14-tägliches Abo mit Schweizer Bio-Gemüse und internationalen Fair Trade Spezialitäten. Schon lange erhältlich sind Bündner Bio-Fleisch und die feinen Teigwaren von Gran Alpin aus ökologischem Bergackerbau (Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel…). Die Gründermütter von gebana sind die „Bananenfrauen“.

Suchen Sie hier ihren nächsten Produzenten/Verkäufer: Verband regionale Vertragslandwirtschaft RVL.

Knoblauch und Gemüse vom Farngut in Grossaffoltern.

Und viele andere mehr, etwa auch Hofläden von Biobauern … nicht vergessen die lokalen Märkte! Bauen Sie selber etwas an, Kräuter am Küchenfenster, Cherry-Tomaten usw. auf dem Balkon und, wenn Sie einen Vorgarten oder gar Garten haben, dann nutzen sie ihn für’s Gärtnern. Es darf auch andere Biodiversität sein.

«Es gibt einen Schnitt – und ich bin zufrieden, wenn die Rente kommt», Blick 18.12.17.

Bio ist schlecht! Was ist dran?, Blick 18.12.17.

Wie wissen die Bienen, welche Blüten bio sind?, Blick 19.12.17.

24.12.17 HOME

Bundesamtliches Täuschungsmanöver

12. Januar 2016

Hühner mit Auslauf im Appenzellerland. Foto: Heidi

Hühner mit Auslauf im Appenzellerland. Foto: Heidi

Leserbrief von Hansuli Huber, Geschäftsführer Schweizer Tierschutz STS

„Zum Jahreswechsel nutzte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein in verschiedenen Tageszeitungen publiziertes Interview, um Steuerzahlende und KonsumentInnen zu beruhigen. Das Motto „Wachse oder weiche“ gehöre nicht mehr zur zukünftigen Agrarpolitik wurde beschwichtigt. Womit im Umkehrschluss gefolgert werden darf, dass man bislang entgegen dem Wunsch einer breiten Bevölkerung offenbar durchaus dem aktiven Strukturwandel, dem Bauernsterben, gefrönt hatte. Dieses indirekte Eingeständnis ehrt den jetzigen BLW-Direktor.

Doch längst hat die frühere Agrarpolitik verheerende Fakten geschaffen. Die Aufhebung der Milchkontingentierung pulverisierte den Milchpreis, ohne dass KonsumentInnen davon spürbar profitiert hätten. Die Zeche bezahlten tausende von aus dem Markt gedrängten bäuerlichen Milchviehbetrieben und zehntausende von Kühen, die überzüchtet und ausgenützt zunehmend wie im Ausland in Riesenbetrieben mit reiner Stallhaltung vegetieren müssen.

Mit einer Revision der Höchstbestandesverordnung öffnete der Bundesrat endgültig die Schleusen: Erlaubt sind heute Ställe mit 2’000 Schweinen oder 21’000 Masthühnern. Bäuerliche Betriebe können mit diesen Tierfabriken kostenmässig nicht mehr mithalten und geben zunehmend auf.

Dass das „Wachse oder weiche“ entgegen der BLW-Beruhigungspille in Zukunft sogar noch bescheunigt werden wird, dafür sorgt die Weichenstellung bei AP 2014-2017. Das Stornieren der Vermögens- und Einkommensgrenzen, insbesondere aber die ökonomisch völlig widersinnige Aufhebung der mit zunehmender Fläche und Tierzahl degressiven Direktzahlungen sorgt bei immer mehr Grossbetrieben für extreme staatliche Zusatzeinkommen von 150’000 bis über 300’000 Franken im Jahr. Obwohl die Grossen, weil sie eh mehr und das erst noch kostengünstiger produzieren können, auf derart hohe Beiträge gar nicht angewiesen wären.

Was Not täte, wäre eine Agrarpolitik, welche naturnahe und tierfreundliche bäuerliche Betriebe bevorzugt, statt Steuergelder für Grossbetriebe aus dem Fenster zu werfen.

12.1.16 HOME

Glückliche Schweine, Ziegen, Schafe…?

31. Oktober 2014

Die Grossverteiler zeigen uns Woche für Woche Bilder von paradiesischen Zuständen in der Fleischproduktion, während der Bund seinen Verpflichtungen zur Information über die Tatsachen nicht nachkommt. Foto Heidi: Coopzeitung vom 28.10.14.

Die Grossverteiler zeigen uns Woche für Woche Bilder von paradiesischen Zuständen in der Fleischproduktion, während der Bund seinen Verpflichtungen zur Information über die Tatsachen nicht nachkommt. Foto Heidi: Coopzeitung vom 28.10.14.

Der Schwarze Peter wird regelmässig herum geschoben, wenn es um das Wohl bzw. mangelnde Wohl von Nutztieren geht. Die KonsumentInnen sind schuld, die Direktzahlungen, die ProduzentInnen, die Gesetze, der Vollzug … „Gemäss Artikel 5 Absatz 2 des Tierschutzgesetzes ist der Bund verpflichtet, die Bevölkerung über Tierschutzfragen zu informieren. Dennoch weiss sie nachweislich wenig darüber, wie Tiere gehalten werden.“ heisst es in der Interpellation 14.3822 von Bastien Girod vom 25.9.14: Schweine-Report. Welche Konsequenzen ziehen?

Wer weiss schon, dass Schweine, Kälber und Rinder gemäss Tierschutzverordnung keinen Auslauf ins Freie haben müssen? Und Schafe und Ziegen? Sie verschwinden oft über Winter in dunklen Ställen.

Der Schweizer Schweine-Report von tier-im-fokus.ch (TIF) zeigt Missstände im Vollzug und auf Gesetzesebene. Bedenklich ist, dass sich auch ein Vorstandsmitglied von Suisseporcs nicht an das Tierschutzgesetz hält und seine Käufer erst noch betrügt, zu lesen in folgendem Leserbrief von Hansuli Huber, Schweizer Tierschutz (STS):

Suisseporcs Vorstandsmitglied verurteilt

Wenn in der Vergangenheit Tierschutzverstösse auf Schweinebetrieben aufgedeckt wurden, wiegelte die Suisseporcs-Geschäftsführung stets ab. Die Schweizer Schweineschutzvorschriften seien sehr streng und bei den Verstössen handle es sich um bedauerliche Einzelfälle.

Diese Tierschutz-Defensivtaktik des Verbandes ist nun einem Vorstandsmitglied zum Verhängnis geworden. In dessen 1’200er Maststall wurde den Tieren offenbar die gesetzlich vorgeschriebene Beschäftigung über Jahre hinweg verweigert, und mit der Hygiene war es nicht zum Besten gestellt. Zudem wurden die Schweine widerrechtlich zu einem höheren Preis als QM vermarktet. Missachtung des Tierwohls und Betrug an Abnehmern und Konsumenten sind keine Kavaliersdelikte.

Es ist zu hoffen, dass die Suisseporcs nun einen internen Reinigungsprozess durchführt. Wir wünschen uns eine starken Verband, der in Zukunft beim Tierschutz nicht permanent auf der Bremse steht, sondern aus eigener Einsicht und Verantwortung gegenüber den Tieren sich endlich stark macht für eine zeitgemässe, ethisch vertretbare und artgemässe Schweinehaltung in unserem Land!“

Ob Gewässerschutz oder Tierschutz, immer wieder sind es nichtstaatliche Organisationen oder Privatpersonen, welche Missstände aufdecken und Druck für Veränderungen ausüben müssen. Das wäre doch Aufgabe der Behörden, findet Heidi.

Bekannter Schweinezüchter verurteilt, Zuger Verbandsfunktionär betrog beim Schweinepreis, Zentral+ vom 31.10.14. „Er nennt sich selbst den «Schweinepapst der Zentralschweiz». Der Mann ist Käser und hält Mastschweine, denen er Molke verfüttert. Nun aber musste er sich vor dem Zuger Strafgericht wegen Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz, Betrugs und Urkundenfälschung verantworten…“

31.10.14 HOME

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Gesetzesvollzug: Kontrolle Hofdüngeranlagen

21. Januar 2014

Seit Anfang Januar sah Heidi mehrmals viel Schaum in diesem Bächlein. Als sie dann ein Foto machen wollte, hatte sie Pech oder die Lebewesen im Wasser Glück!

Seit Anfang Januar sah Heidi mehrmals viel Schaum in diesem Bächlein. Als sie dann ein Foto machen wollte, hatte sie Pech oder die Lebewesen im Wasser Glück!

Manchmal hat Heidi das Gefühl, dass Gesetze, welche die Landwirtschaft betreffen, eher der Gewissensberuhigung von Politikern und Beamten dienen als dem Beheben von Missständen. Meist dauert es lange bis sie überhaupt geschrieben sind und in Kraft gesetzt werden. Der Vollzug ist dann Sache der Kantone, welche diese Aufgaben mit unterschiedlichem Elan angehen.

Wie sieht es bei wichtigen Vorschriften zum Schutze der Gewässer aus? Güllenotfälle im Winter, nicht bundeskonformes Lagern von Mist im Feld sowie verschmutzte Gewässer sind oft Zeichen von unzulänglichen Hofdüngeranlagen. Gemäss Art. 28 der Gewässerschutzverordnung aus dem Jahre 1998 (GschV SR 814.201) muss die kantonale Behörde dafür sorgen, dass die Lagereinrichtungen für Hofdünger und flüssiges Gärgut regelmässig kontrolliert werden. In einigen Kantonen (wahrscheinlich Mehrheit) ist diese Kontrolle längst Routine, einzelne haben damit erst angefangen (z.B. Appenzell Ausserrhoden).

Im Kanton Graubünden ist vieles anders, so werden die Hofdüngeranlagen auch heute noch nicht kontrolliert. Heidi hat aus gut informierter Quelle aber erfahren, dass man am Planen ist. Noch lange wird es erfahrungsgemäss dauern bis die Organisation steht, die Regeln akzeptiert sind und die gut 15-jährige Verordnung vollzogen wird. Und wie lange wird es dauern bis die nicht gewässerschutzkonformen Betriebe saniert sind?

Ein unrühmliches Schweizer Beispiel zur Umsetzung des Volkswillens ist das Tierschutzgesetz, siehe Die täglichen Lügen, Heidis Mist, 8.11.12. Wenn Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz dauernd hinter den Verantwortlichen her rennt, dann hat dies einen Grund. Er schreibt in seinem Kommentar zu „Happy“ Truthahn für Weihnachten? „… Alles in allem geht es aber einem konventionell gehaltenen CH-Masthuhn besser als einem konventionell gehaltenen CH-Mastschwein oder -muni. Deren Haltung ist tierschutzwidrig und unterscheidet sich kaum vom Ausland! …“

21.1.14 HOME


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