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Was haben Paraquat, Schweizerhalle und Lachs im Rhein miteinander zu tun?

13. Juli 2015
Ludwig Tent: "Bäche und kleine Flüsse sind auch heute trotz der Erfolge der Abwasserreinigung noch weit von einem guten Zustand entfernt. Häufig genug sind die Anforderungen des standorttypischen Lebensraums nicht erfüllt. Dabei kommt gerade den kleinen Gewässerläufen, den “Kinderstuben” der größeren, eine besondere Bedeutung zu, da sie bis zu 80% der Fließstrecken im Einzugsgebiet inne haben." Copyright Ludwig Tent.

Ludwig Tent: „Bäche und kleine Flüsse sind auch heute trotz der Erfolge der Abwasserreinigung noch weit von einem guten Zustand entfernt. Häufig genug sind die Anforderungen des standorttypischen Lebensraums nicht erfüllt. Dabei kommt gerade den kleinen Gewässerläufen, den “Kinderstuben” der größeren, eine besondere Bedeutung zu, da sie bis zu 80% der Fließstrecken im Einzugsgebiet inne haben.“ Copyright Ludwig Tent.

Die Forschungsanstalt Wädenswil lehnte ein Gesuch der Maag AG (heute Syngenta) um Zulassung von Paraquat für die Schweiz in den 1980er Jahren aus toxikologischen und ökotoxikologischen Gründen ab. Nach dem Unfall von Schweizerhalle zog die Maag AG den Einspruch gegen diese Entscheidung zurück, siehe Paraquat Zulassung (Wikipedia). „… und mit Schweizerhalle begann das internationale vorweg laufende Gewässerschutzprojekt am Rhein Lachs 2000 (Wikipedia). Ohne das verheerende Sandoz wäre wohl im Gewässerschutz weiter klein oder gar nicht gewurschtelt worden…“, schreibt Ludwig Tent in einem Brief an Heidi; Tent ist frisch verrenteter ehemaliger Leiter der Abteilung Technischer Umweltschutz/Wohnraumschutz im Hamburger Bezirksamt Wandsbek, Dozent am Institut für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz der Technischen Universität Hamburg-Harburg und Blogger Osmerus‘ Blog. Mit der Edmund Siemers-Stiftung verbreitet er das Wissen über Bäche und kleine Flüsse.

„Rekordjahr 2015: Über 150 aufsteigende Lachse in Iffezheim beobachtet – Fischaufstieg bis in die Schweiz weiterhin wichtiges IKSR-Thema“, heisst der Titel der Pressemitteilung der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins vom 2.7.15.

Eine stabile Wildlachspopulation im Rhein und seinen Zuflüssen ist das Ziel des Folgeprogramms Lachs 2020. Geschichte und Informationen zum Lachs in der Schweiz beim Bundesamt für Umwelt (BAFU). Die IKSR hat ihre Visionen zu Lachs 2020 formuliert. Die dritte lautet: „Besatz mit Lachsen wird Selbstläufer. Pro Jahr werden etwa ein bis zwei Millionen junge Lachse im Einzugsgebiet des Rheins ausgesetzt. Ein Teil davon stammt von den erwachsenen Rückkehrern selbst ab.“

Ende gut, alles gut? NEIN!

Schon im Jahre 1997 hatte Ludwig Tent an einer internationalen Tagung in einer Diskussion darauf hingewiesen, dass nun – 3 Jahre vor „2000“ – zwar allerhand teure (ganz klar: nötige!) Durchgängigkeiten für Fische an etlichen Rhein-Wasserkraftwerken hergestellt waren, ABER der Zielort der Wanderer, das Laichbett/die Kinderstube überhaupt nicht! „Ihr müsst erst mal Forelle 2010 ankurbeln, bevor euer Lachs 2000 nachhaltig wirken kann!“ Tent, ein Mann der Tat, startete mitten in der Hansestadt Hamburg Forelle 2010 – Restrukturieren von Grossstadtbächen mit engagierten Bürgern. Jetzt, 18 Jahre nach seinem Spruch, wird Hamburg endlich soweit kommen, die Durchgängigkeit zwischen dem Stadtfluss Alster und der Elbe herzustellen.

Alles über lebendige Bäche und Renaturierung in Osmerus‘ Blog und im aus dem Dänischen übersetzten Buch Lebendige Bäche und Flüsse (Madsen & Tent, 2000).

Heidi meint: „Es muss nicht immer zuerst eine Katastrophe passieren bevor unsere Behörden handeln! Das gilt auch z.B. für Glyphosat, Pestizid-Cocktails in Schweizer Flüssen und Nitrat im Grundwasser.“

Fotomontage virtuelles (Jux-)Ortsschild Hamburg-Wandsbek. Copyright Ludwig Tent

Fotomontage virtuelles (Jux-)Ortsschild Hamburg-Wandsbek. Copyright Ludwig Tent

Nachtrag: Den jungen Lachsen auf der Spur, Moderne Methoden eröffnen neue Möglichkeiten, das Verhalten von Wanderfischen zu ergründen, von Lukas Denzler, NZZ vom 15.7.15.

13.7.15 HOME

Wasser kennt keine Grenzen

20. Februar 2012
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Vorderrhein in der Rheinschlucht (Ruin Aulta). Das Wasser des Rheins beherbergt nicht nur Fische, es hat auf seiner 1300 km langen Reise einiges zu schlucken.

Grosse Mengen von Stickstoffverbindungen, Phosphor, Pflanzenschutzmittel und Schwermetalle gelangen in unsere Gewässer. Fast im ganzen Einzugsgebiet des Rheins sind Teile des Grundwassers gefährdet. „2007 forderten die für den Schutz des Rheins zuständigen Ministerinnen und Minister der Rheinanliegerstaaten erneut, die Einträge von Schadstoffen und Stickstoffverbindungen vor allem aus diffusen Quellen wie der Landwirtschaft weiter zu vermindern, um die menschliche Gesundheit, das Ökosystem oder dessen Nutzungen nicht weiter zu gefährden“, diese Mitteilung ist zu lesen auf einer Internetseite der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR), Landwirtschaft.

Die Schweiz hat sowohl das Übereinkommen zum Schutz des Rheins (SR 0.814.284) als auch jenes zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (SR 0.814.293) ratifiziert. Damit hat sie sich verpflichtet, Verschmutzungen des Rheins und des Nordostatlantiks zu verhindern und zu beheben. Der Bund ist dafür verantwortlich, dass diese Verpflichtungen erfüllt werden. Für die Umsetzung der Übereinkommen wurden zwei Kommissionen eingesetzt: IKSR und OSPAR. Der Bund ist in beiden vertreten. Was sind die Aufgaben der Kommissionen? Sie beschliessen und empfehlen Massnahmen zur Umsetzung der Übereinkommen und beurteilen deren Wirksamkeit sowie den Zustand der geschützten Gewässer. In der IKSR sind auch die Rheinanliegerkantone vertreten.

Die Schweiz erfüllt ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen wie folgt. Die nötigen Massnahmen werden in den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen verankert, besonders im Gewässerschutzgesetz (GSchG) und in der Gewässerschutzverordnung (GSchV). Ein Beispiel dafür ist Art. 7 des GSchG, die allgemeine Bewilligungspflicht für das Einleiten von Abwasser in Gewässer. Anhang 3.1 Ziff. 3 Nr. 2 GSchV z.B. dient der Umsetzung der OSPAR-Konvention. Er verpflichtet die Kantone im Einzugsgebiet des Rheins zu planen, wie ab 2005 aus Abwasserreinigungsanlagen 2’600 Tonnen Stickstoff weniger eingeleitet werden als 1995. Verpflichtungen, die in das nationale Recht aufgenommenen werden, unterliegen den üblichen Zuständigkeitsregelungen. Für den Vollzug des Gewässerschutzrechts sind die Kantone zuständig. Der Bund übt die Aufsicht aus.

Als Heidi aus der Grossstadt in ihre Heimat zurückkehrte, hiess es: „In Graubünden fliesst kein Seifenwasser bachab!“ Dass dies Schönrederei war, hat sie in all den Jahren mit eigenen Augen gesehen. Wie schrieb doch ein Kommentator: „Es ist leider nun halt mal nicht anders möglich für die Bauern und dies schon lange bevor Sie hierher gezogen sind.“ Man mag es Heidi nicht verargen, dass ihr der Glaube an Gesetzte und deren Vollzug ein bisschen abhanden gekommen ist. Wo bleibt eine Qualitätskontrolle für Gesetzesvollzug?

20.2.12 HOME

Jubiläum Rheinschutz: feiern! umsetzen?

4. Juli 2010

 

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Weihnachten 2009: Gülleschaum in einem Bergbächlein, das Richtung Rhein fliesst

60 Jahre internationaler Gewässerschutz am Rhein feierte die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) im Mainzer Kurfürstlichen Schloss am 30. Juni 2010. Die Niederlande hatten das IKSR  initiierten, um die Verschmutzung des Rheins grenzüberschreitend anzugehen. Dank des gemeinsamen Vorgehens wurde einiges erreicht. Ziele des aktuellen Programms: Auf- und Abwärtswanderung der Fische erleichtern, rheintypisches Biotop-Netz durch Reaktivierung von  Überschwemmungsauen und Altarmen wieder knüpfen, Hochwasserschäden mindern, Einträge von Schwermetallen, Stickstoff und Pestiziden senken, Vermeidungsstrategien für neue Stoffe wie Körperpflege-, Arzneimittel und hormonell wirkende Substanzen.

Die Internetseiten der IKSR bieten viele Informationen über Wasser, Grundwasser und natürlich über den Rhein. Im Kapitel Landwirtschaft wird auf die Probleme der zu intensiven und nicht sachgerechten Landwirtschaft eingegangen

Alpenrhein heisst der Rhein von den Quellen bis zum Bodensee. Wussten Sie, dass der Wasserstand des Alpenrheins um bis zu einen Meter täglich schwanken kann? Heidi wusste das (auch) nicht, hat es auf den interessanten IKSR-Seiten gelesen, wo es weiter heisst: „Das liegt an dem Betrieb der Wasserkraftwerke, die zeitweilig Rheinwasser in große Wasserreservoirs pumpen, um es zu Zeiten hohen Strombedarfs durch ihre Turbinen wieder dem Rhein zuzuführen. Dies hat negative Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt im Rhein.“

Zukunft Alpenrhein informiert über die Aktivität der Internationalen Regierungskommission Alpenrhein (IRKA) und der Internationalen Rheinregulierung (IRR). „Diese Organisationen sind die politischen Plattformen, auf denen die Regierungen der Kantone Graubünden und St. Gallen, das Fürstentum Liechtenstein und das Land Vorarlberg sowie die zuständigen Bundesstellen in Bern und Wien zum Wohle des Alpenrheins zusammenarbeiten.“ 38 Projekte sind beschrieben. Der Kanton Graubünden ist mit drei laufenden Projekten aufgeführt: Aufwertung bestehender Amphibienlaichgewässer, Neuschaffung ca. 60 neuer Laichgewässer zwischen Felsberg und Fläsch (seit 1996); raumplanerische Sicherung Entwicklungskonzept Alpenrhein in Graubünden (seit 2007); Revitalisierung der Landquart im 13 km langen Abschnitt zwischen Schiers und der Rheinmündung (2007-2012). Gemäss Pro Natura und WWF droht das Entwicklungskonzept zum Papiertiger zu werden, da die für die Hochwassersicherheit nötigen Flächen im kantonalen Richtplan fehlen. Auch bei den andern Partnern von „Zukunft Alpenrhein“ mangelt es an Umsetzungswille, siehe Petition für Hochwasserschutz und Raumsicherung am Alpenrhein auf WWF Graubünden unter News 22.3.10.

So gibt es denn viele Ämter, viele Gesetzte, viele Vorschriften, viele Organisationen, viele Pläne, viele Reden, viele Feiern … aber an der Umsetzung hapert es oft!

4.7.10   HOME

 


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