Posts Tagged ‘Imidacloprid’

Pestizide: Die Forschung hinkt hinterher …

18. Mai 2021
Copyright: Mitchel et al. 2017. Science

Folie aus einem Vortrag von Johann G. Zaller in Zürich, organisiert durch die Bio-Stiftung Schweiz.

Viele Pestizide wurden bewilligt, deren Toxizität aber erst viel später erkannte, denn die Bewilligungsdossiers sind geheim. Zuerst vergeht viel Zeit. Es wird geforscht, meist mit Steuergeldern. Wenn dann Schäden sichtbar werden, dann wird geredet, debattiert, gestritten … Massnahmen werden in der Regel erst nach langem Zögern ergriffen. Die Forschung und erst recht das Handeln hinkt also immer hinterher.

Ein typisches Beispiel sind die Neonicotinoide. Diese Wirkstoffe schaden den Menschen. Ein Gutachten der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist zum Schluss gekommen, dass sich die Neonicotinoide Acetamiprid und Imidacloprid schädlich auf die Entwicklung des Nervensystems bei Säuglingen und Kleinkindern auswirken könnten. Die Neonicotinoide sind zudem schädlich für Vögel, besonders betroffen sind aber die Bestäuber.

Obwohl die Bienen für die Landwirtschaft von zentraler Bedeutung sind, haben sich die Bauern vehement gegen ein Verbot gewehrt. Die Neonicotionoide wurden erst kürzlich sogar in der Schweiz im Freiland verboten, nicht aber in Gewächshäusern. Erst gerade wollten unsere Bauern für den Einsatz in Zuckerrübenfeldern das Mittel Gaucho mit dem Wirkstoff Imidacloprid in „Notzulassung“ für das Freiland zurückgewinnen. Das Bundesamt für Landwirtschaft gab aber nicht nach, bewilligte ein Ersatzprodukt. Die Bauern waren verärgert.

Fazit: Zuerst viele Tote und Schäden, erst nach viel Druck wird gehandelt! Wo bleibt der Respekt vor der Natur? Darf man noch sagen: „Mutter, gib deinem Kind Honig!“

A worldwide survey of neonicotinoids in honey. E.A.D. Mitchell et al., Science 06 Oct 2017, Vol. 358, Issue 6359, pp. pp. 09-111 DOI: 10.1126/science.aan3684 

Schweizer Verband der Zuckerrübenpflanzer fordert Notzulassung für Gaucho. Bauernzeitung vom 17.9.20

Meilenstein für den Insektenschutz / EuGH bestätigt das Verbot von Neonicotinoiden zum Schutz von Bienen. Finanznachrichten vom 6.5.21

Johann G. Zaller Unser täglich Gift und Daily Poison

18.5.21 HOME

Datenschutzerklärung

Warten auf den „Stummen Frühling“?

21. Mai 2018

Anlässlich der Stunde der Gartenvögel 2018 von BirdLife Schweiz haben Freiwillige aus 1160 Gärten 35’000 Vögel aus 127 Arten gemeldet. Auf den ersten Blick scheint das viel zu sein, aber es sind jedes Jahr weniger. „Der Siedlungsraum und insbesondere Gärten und Pärke bieten vielen Vögeln einen Lebensraum. Heute kommen im Siedlungsraum sogar meist mehr Vögel vor als im Landwirtschaftsland. Doch die Zahl der Vögel und die Artenvielfalt schwinden auch hier.“

Das Monitoring der Schweizerischen Vogelwarte zeigt, dass der Rückgang der Vögel besonders stark ist im Landwirtschaftsgebiet. Eigentlich ist es logisch: Viele Gifte -> weniger Unkraut und Insekten -> weniger Vögel. Weitere Faktoren spielen mit wie etwa – so meint Heidi – die häufige Mahd mit kurz danach folgendem Verpacken des Schnittguts in Siloballen; viele Insekten und Kleintierchen wie Heugümper werden zum Vieh- statt Vogelfutter.

Schweizer Bauernverband fordert Grundlagenforschung

Niemand weist den Bauern allein die Schuld zu, doch zahlreiche Studien zeigen bereits, dass sie mit Abstand die Hauptlast am Rückgang der Insekten und Vögel tragen. Trotzdem fordert der Leiter Pflanzenbau des Schweizer Bauernverbands, David Brugger, die Politik auf, Mittel für Grundlagenforschung bereitzustellen. Das Monitoring allein sei nicht ausreichend, die Ursache des Rückgangs der Vögel bestimmen zu können. Das sind die bekannten Ablenkmanöver: Zeit gewinnen statt handeln!

Zugvögel: DDT … Neonicotinoide … ?

Nicht nur die „einheimischen“ Pestizide sind in Vögeln zu finden, Zugvögel bringen aus ihren Winterquartieren Pestizide zurück, die bei uns längst verboten sind. DDT wurde durch die Neonicotinoide ersetzt, welche in der EU jetzt für den Einsatz im Freiland verboten wurden. Ein „zugelassenes“ Pestizid ist eben ein Pestizid von welchem man die schädlichen Wirkungen noch nicht kennt.

Gemäss Untersuchungen von CLM Research and Advice, BA Culemborg NL, wurden 14 verschiedene Pestizide in Schwalben gefunden. Die getesteten Proben enthalten ein oder mehrere Mittel gegen Insekten, Pilze und Unkräuter. Es wurden auch Mittel gefunden, die in Europa nicht mehr oder nie verwendet wurden. Das Insektizid DDT war das häufigste: Es wurde in 93% der Proben gefunden. Die Konzentrationen stellen wahrscheinlich keine akute Gefahr für die Vögel dar, heisst es, aber tote Schwalben wurden nicht untersucht, auch nicht die Eier.

Die chemische Industrie produziert/exportiert weiterhin Pestizide, welche bei uns längst verboten sind weil sie die Umwelt stark schädigen, etwa Paraquat. Besonders in Drittweltländern werden sie in grossen Mengen weiterhin angewendet, oft ohne die nötigen Sicherheitsmassnahmen; wer möchte schon z.B. bei grosser Hitze Schutzkleidung tragen? Und wir beziehen von solchen Ländern Nahrungsmittel!

Stunde der Gartenvögel: Zahlen lassen aufhorchen, Medienmitteilung BirdLife Schweiz vom 18.5.18.

Gefährdung von Vögeln: Die Schweiz ist Spitzenreiterin, NZZ vom 18.5.18.

Der stumme Frühling, Wikipedia

EU verbietet bienengefährdende Wirkstoffe, FAZ vom 27.4.18

Cocktail van pesticiden gevonden in boerenzwaluw, CLM vom 14.5.18.

Cocktail van pesticiden gevonden in boerenzwaluw, BioJournal vom 17.5.18

This Pesticide Is Prohibited in Britain. Why Is It Still Being Exported? Paraquat, one of many pesticides that can’t be used in Europe but is sold in the United States and elsewhere, has been linked to Parkinson’s disease in a growing body of research. New York Times 2016

DDT, Wikipedia

Neonicotinoide, Wikipedia

21.5.18 HOME

Der Acker rückt näher an den Bach

29. Mai 2013

Heute gültige Pufferstreifen-Regelung : Messung ab Böschungsoberkante, wo vorhanden.

Heute gültige Pufferstreifen-Regelung : Messung ab Böschungsoberkante, wo vorhanden.

Die Pufferstreifen-Vorgaben für den Bezug von Direktzahlungen sind heute relativ klar: an oberirdischen Gewässern Düngung 3 m, Pflanzenschutzmittel (PSM) 6 m, der Pufferstreifen muss begrünt sein, siehe Direktzahlungsverordnung (DZV). Gemessen wird, wo vorhanden, ab Böschungsoberkante. Das ist eine Vorgehensweise, welche auch im Ausland praktiziert wird.

Die Arbeitsgruppe Gewässerraum und Landwirtschaft schlägt eine neue Regelung der Pufferstreifen-Messung vor: generell ab Uferlinie.

Die Arbeitsgruppe Gewässerraum und Landwirtschaft schlägt eine neue Regelung der Pufferstreifen-Messung vor: generell ab Uferlinie.

Beispiel Gerinnesohle 2 m, Steigung der Böschung 50%: Auch das Düngungsverbot wird gelockert, wenn auch nur wenig.

Beispiel Gerinnesohle 2 m, Steigung der Böschung 50%: Das Düngungsverbot wird gelockert. Bei Fliessgewässer mit ausgeschiedenem Gewässerraum wirkt sich das nur wenig aus, bei jenen ohne Gewässerraum ist der Unterschied gross. Gelb Böschung 50% Steigung, 2 m breit, Magenta-rot Düngeverbot alte Regelung.

Seit 1. Juni 2011 ist die revidierte Gewässerschutzverordnung in Kraft. Wegweisend für das Dünge- und PSM-Verbot ist der Gewässerraum, welcher bei Fliessgewässern mit Gerinnesohle* von weniger als 2 m natürlicher Breite 11 m beträgt. Die Kantone haben bis 31.12.18 Zeit, die Gewässerräume festzulegen. Wo dies noch nicht geschehen ist, gilt die alte Regelung.

Wenn die Neigung der Böschung eines 2 m breiten Gewässers z.B. 50% beträgt (2 m breit, 1 m hoch), dann schrumpft der Düngeverbots-Pufferstreifen auf 2,5 m (11 m minus 2 m Gerinnesohle, minus 2×2 m Böschung = 5 m, dividiert durch 2 Ufer = 2,5 m). Das darf nicht sein, denn die ChemRRV schreibt einen Pufferstreifen von mindestens 3 m vor. Was hat die Arbeitsgruppe „Gewässerraum und Landwirtschaft“ zur Harmonisierung der Verordnungen gemacht? Sie hat die Messlatte an die Uferlinie** verschoben. Der Gewässerraum solle, so heisst es, so festgelegt werden, dass der 3 m Abstand innerhalb des Gewässerraums liege, wodurch der Gewässerraum im Grünland alle anderen Abstandsvorschriften ersetze. Kein Gewässerraum muss in den folgenden Fällen ausgeschieden werden:

  • Gewässer im Wald und im Sömmerungsgebiet
  • eingedolte Gewässer
  • künstlich angelegte Gewässer (Bisses, Suonen, Be- und Entwässerungskanäle)
  • sehr kleine Gewässer (nicht auf der Landeskarte 1:25‘000)

Fazit: Verglichen mit der heutigen Regelung wird der Dünge-Pufferstreifen an Fliessgewässern mit Gewässerraum und Gerinnesohle kleiner als 2 m schmaler oder breiter. In der Mehrzahl der Fälle vermutlich breiter.

Vermehrt Pflanzenschutzmittel im Wasser

Vorschlag der Arbeitsgruppe verglichen mit der bisherigen Lösung für einen Bach mit Gerinnesohle von 2 m und einer Böschung mit 50% Steigung.

Beispiel Gerinnesohle 2 m, Steigung der Böschung 50%: Vergleich bisherige Regelung mit dem Vorschlag der Arbeitsgruppe, gelb Böschung 50% Steigung, 2 m breit, rot Pflanzenschutzmittelverbot ab Böschungsoberkante, alte Regelung. Falls der bauernfreundliche Vorschlag der Arbeitsgruppe durchgepauckt wird, darf in Zukunft ein Streifen von 4 m Breite zusätzlich gepflügt und mit Pflanzenschutzmitteln besprüht werden, was die Gefahr der Gewässerverschmutzung und Erosion wesentlich erhöht.

Gar nicht erfreulich sieht es bei Ackerrand und PSM aus. Die Abstandsregel 6 m wird zwar beibehalten, doch die Messung beginnt neu – wie bei den Düngern – an der Uferlinie. Der Abstand zwischen Acker und Gewässer wird an allen Fliessgewässern mit Böschungsoberkante und Gerinnesohle kleiner als 2 m schmaler. Dadurch nimmt die Gefahr von Erosion und PSM-Eintrag ins Wasser zu.

70% der Schweizer Fliessgewässer haben eine Gerinnesohle von weniger als 2 m, siehe Die vergessenen Gewässer, Bedeutung und Potenzial der Kleingewässer, Pro Natura BL. Diese Bäche sind ökologisch besonders wertvoll, aber auch stark von Gewässerverschmutzungen mit PSM betroffen, weil schon bei geringen Verschmutzungen die Konzentration kurzfristig gross ist. Zahlreiche Untersuchungen zeigen das PSM-Problem auf, z.B.:

Es scheint Heidi, dass rund um die Gewässerraum-Vorschriften Hochwasserschutz und Landwirtschaft mehr Gewicht erhalten haben als der Gewässerschutz.

„… Der durch die neue Messweise verringerte Abstand der Dünger- bzw. PSM-Anwendung zum Gewässer wird in der überwiegenden Zahl der Fälle innerhalb des Gewässerraums, in dem ebenfalls keine Dünger und PSM ausgebracht werden dürfen, zu liegen kommen…“ steht im Entwurf Merkblatt Gewässerraum und Landwirtschaft, BAFU, BLW, ARE, 10.4.13, das in Vernehmlassung ist sowie in der Direktzahlungsverordnung, Anhang 1, Ziffer 9, Entwurf 9.4.13. Das ist eine Behauptung, die Heidi nicht überzeugt. Zahlen werden keine präsentiert. Heidi kennt viele Bäche, die es trifft, etwa im St. Galler Rheintal. Dort liegt ein Grossteil der Äcker viel zu nahe am Bach! Eigentlich kennt niemand die Konsequenzen dieses Vorschlags.

Es stellt sich die Frage: Wieso ändert man ein bestehendes System, wenn die Änderung nur eine vernachlässigbare Wirkung hat? Pflanzenschutzmittel sind eine grosse Gefahr für die Lebewesen in den Oberflächengewässer und im Grundwasser und somit auch für die Qualität des Trinkwassers. Eine Lockerung der Vorschriften ist daher inakzeptabel. Dies umso mehr, als die Agrarpolitik 2014-17 mehr Ökologie verspricht. Wie erklärt Bundesbern den Steuerzahlenden die Lockerung der Pufferstreifen-Regelung?

*Gerinnesohle: Bereich, welcher in der Regel bei kleinen bis mittleren Hochwassern umgelagert wird und frei von höheren Landpflanzen ist.

**Uferlinie: Grenze zwischen dem Böschungsfuss und der Gerinnesohle des Gewässers

29.5.13 HOME


%d Bloggern gefällt das: