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Für ein neues krisentaugliches Ernährungssystem

19. Oktober 2022
Gutes Ackerland soll für die direkte Ernährung der Menschen genutzt werden und nicht für die Produktion von Tierfutter. Foto: Heidi

Gutes Ackerland soll für die direkte Ernährung der Menschen genutzt werden und nicht für die Produktion von Tierfutter. Foto: Heidi

Das Forschungsinstitut für biologischen Anbau (FiBL) veröffentlichte am 13.10.22 einen zukunftsweisenden Beitrag in der Agrarforschung Schweiz mit dem Titel Für krisentauglichere Ernährungssysteme: weniger tierische Produkte, weniger Abfälle. Er zeigt auf, dass wir Produktion, Wertschöpfungsketten und Konsum ändern müssen, um aktuelle und künftige Krisen besser bewältigen zu können. Klar und deutlich wird geschrieben, dass kurzfristige schnelle Lösungen mit möglicherweise erheblichen negativen Langzeitfolgen zu vermeiden sind. Es braucht eine sorgfältig geplante langfristige Strategie.

Der wissenschaftliche Artikel ist auf Deutsch verfasst. Heidi hat ein paar Passagen herausgepickt. Es lohnt sich aber, den ganzen Beitrag zu lesen.

Input-abhängige Ernährungssysteme

Die Grösse der Ernährungssysteme zu reduzieren, sei wohl der effektivste Ansatz, um die Herausforderungen hinsichtlich der Umweltwirkungen, der Ernährungssicherung und der globalen Märkte anzugehen. Im Artikel werden drei für eine solche Reduktion der Grösse der Ernährungssysteme zentrale Aspekte diskutiert: die Futter-Nahrungsmittel-Konkurrenz sowie Abfälle, die Rolle von Inputabhängigkeiten und geschlossenen Kreisläufen und die Sicherung der Produktionsgrundlagen.

Die Ernährungssysteme der Industrieländer sind extrem von externen Inputs abhängig und charakterisiert durch hohe Anteile von Nahrungsmittelabfällen und -verlusten sowie eine grosse Anzahl von Tieren, die mit Erzeugnissen vom Ackerland gefüttert werden. Die Ernährungssysteme sind dadurch sehr gross, gemessen an ihrem Massen-, Nährstoff- und Energieumsatz, sowohl pro Hektare als auch pro Produkteinheit oder pro Kopf.

Transformation sorgfältig planen

Es wird auch darauf hingewiesen, dass es nicht sinnvoll wäre, ganz auf Nutztiere zu verzichten, denn nur Wiederkäuer können Gras in Nahrungsmittel für uns Menschen umwandeln.

Viele der nötigen Veränderungen für diese Transformation können jedoch nicht schnell umgesetzt werden und bedürfen guter Vorbereitung. Ein Beispiel sind Infrastrukturinvestitionen spezialisierter Mastbetriebe, die genügend lange produzieren können müssen, um die Investitionen zu amortisieren. Umso mehr sollte man aber die Enden der Investitionszyklen nutzen, um Veränderungen in Richtung extensiver und zirkulärer Systeme anzustossen. Umstellungen auf reduzierte Düngernutzung, biologischen Pflanzenschutz oder gesamthaft biologische Produktion benötigen ein adäquates Wissen und unterstützende Beratung.

Die Konsumentinnen und Konsumenten schliesslich müssen ihr Verhalten anpassen, damit die Nachfrage im Einklang mit einem zunehmend reduzierten Angebot tierischer Produkte bleibt. Verarbeitung, Handel und Detailhandel müssen entsprechende Alternativen bereitstellen und ihre Geschäftsmodelle so anpassen, dass sie auch mit viel weniger tierischen Produkten profitabel wirtschaften können.

Produktionsgrundlagen sichern

Um eine für die Ernährungssicherheit genügende Produktion zu gewährleisten, auch unter Berücksichtigung der Reduktion von Abfällen sowie der Futtermittelproduktion beziehungsweise von tierischen Lebensmitteln, muss auch die Verfügbarkeit von und der Zugang zu Produktionsgrundlagen in ausreichender Menge und guter Qualität sichergestellt werden. Dies umfasst gesunde fruchtbare Böden, Biodiversität, intakte Ökosysteme mit deren Leistungen wie Bestäubung und als Basis für biologischen Pflanzenschutz, aber auch gut ausgebildete Betriebsleiterinnen, Betriebsleiter und Mitarbeitende sowie eine breite innovative Wissensbasis und ein funktionierendes landwirtschaftliches Wissens- und Informationssystem.

Kurzfristig hängt Ernährungssicherheit natürlich davon ab, dass genug zu essen bereitgestellt werden kann. Längerfristig hängt sie aber viel mehr davon ab, dass die Produktionsgrundlagen in ausreichender Menge und Qualität vorhanden sind, um genug Lebensmittel zu produzieren, und zwar unter sich immer wieder verändernden Wetterbedingungen, auf unterschiedlichen Böden und mit der Fähigkeit, sich langfristig an den Klimawandel anzupassen. In dieser Hinsicht haben agrarökologische und biologische zirkuläre Produktionssysteme Vorteile, da sie auf gesunden Böden und geschlossenen Nährstoffkreisläufen basieren. Sie überschreiten die Tragfähigkeitsgrenzen der lokalen Ökosysteme nicht und stellen deren zentrale Leistungen für eine resiliente landwirtschaftliche Produktion sicher.

Alle müssen am gleichen Strang ziehen

Der Bericht schliesst wie folgt: „Ein alleiniger Fokus auf die Produktion wird nicht zu den notwendigen Veränderungen führen. Es braucht eine Politik und Institutionen, die dezidiert die Transformation zu einem zukunftsfähigen und in Bezug auf Nährstoffumsatz und Inputnutzung kleineren Ernährungssystem unterstützen. Ein solches Ernährungssystem wäre resilienter, fähig mit den zukünftigen Herausforderungen umzugehen und es wäre besser gewappnet gegen Krisen wie die heutigen.“

Heidis Frage: „Worauf warten wir noch?“


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