Posts Tagged ‘Kanton’

Gilt ein Gesetz auch für Bauern?

27. Februar 2015

Grundwasser

„Jetzt bin ich wieder einmal stolz auf meinen Kanton!“ Mit diesen Worten stürmte der Geissenpeter zur Tür herein, „wo du doch dauernd Schlechtes über meine Heimat schreibst. Was würde Johanna Spyri denken?“ Heidi richtete den Timer für das Brot im Ofen, denn Peters Benehmen kündigte ein langes Gespräch an.

„Ich habe endlich die Beilage Hofdünger der UFA-Revue vom Dezember 2014 gelesen. Im Artikel Richtig planen – bessere Wirkung von Gaël Monnerat steht beim Untertitel Vorgehen (siehe Seite 51) «… Der Vollzug obliegt den Kantonen: Sie organisieren die Kontrollen und bewilligen Notausträge bei ungünstigen Wetter- und Bodenverhältnissen. Die Bewilligungspraxis unterscheidet sich von Kanton zu Kanton, so ist entweder die Gemeinde, der Bezirk oder der Kanton zuständig… Die zuständigen Stellen entlassen den Landwirt, wenn es zu einer Gewässerverschmutzung kommt, jedoch nicht aus seiner Verantwortung. Werden Quellen oder Wasserläufe verschmutzt, ist der Bauer für die entstandenen Schäden verantwortlich. » Und wenn das Grundwasser verschmutzt wird?“

Peter fuhr fort: „Siehst du, nicht einmal die UFA-Revue ist richtig informiert! Die Behörden im Kanton Graubünden haben schon längst erkannt, dass sie keine Bewilligungen für gesetzeswidriges Handeln ausstellen dürfen. Zwar brauchte es deine Erläuterung des Sachverhalts, aber – immerhin – sie haben es eingesehen. Und die ewig gestrigen Unterländer? Sie wissen heute noch nicht, dass ein Gesetz ein Gesetz ist. Du hast doch schon darüber geschrieben? Bitte, bitte bring einen Link zu den entsprechenden Artikeln an!“

Heidi weiss: „Wenn ein Bauer z.B. Gülle auf Schnee ausbringt und angezeigt wird, dann muss er mit einer Busse und Kürzung der Direktzahlungen rechnen, und zwar auch dann, wenn kein Gewässer sichtbar verschmutzt wird. Etwa das Versickern ins Grundwasser sieht niemand! Die Vorschriften über das Ausbringen von Düngern in der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (Anhang 2.6, Ziffer 3.2.1) gelten nicht nur für Bauern, sondern wurden extra der Bauern wegen verfasst, um das Risiko von Grundwasser- und Gewässerverschmutzungen zu senken.“

Peter ergänzte: „Wo genügend Lagerraum für Gülle und Mist vorhanden ist und das Hofdünger-Management stimmt, da gibt es auch kaum echte Notfälle.“

Gerne erfüllt Heidi den Wunsch des Geissenpeters. Im Moment erhält sie sowieso viele Anfragen zum Thema:
Gülle im Bach – was tun?
Wann ist es im Kanton Luzern im Winter erlaubt zu güllen?
Gülle im Winter auf Schnee erlaubt?
Darf man bei Regen Gülle fahren?
Darf man Mist auf Schnee ausbringen?

Das Märchen von der Gülle-auf-Schnee-Bewilligung

Gülle-Schock Mitte Februar 2008

4. Newsletter Grundwasserschutz: Januar 2014: Jedes Jahr im Winter stellen sich Landwirte, Fischereiaufseher, Behörden, Bürgerinnen und Bürger dieselbe Frage aufs Neue: Darf jetzt Gülle ausgebracht werden oder nicht? BAFU 16.12.13

Gülleanwendung im Winterhalbjahr, BAFU, Abteilung Wasser, im Dezember 2013

27.2.15 HOME

Wann ist ein ausgeschiedener Gewässerraum rechtskräftig?

5. Januar 2015
Die praktische Umsetzung des Gewässerraums gemäss Gewässerschutzgesetzgebung wirft viele Fragen auf, auch juristische.

Die praktische Umsetzung des Gewässerraums gemäss Gewässerschutzgesetzgebung wirft viele Fragen auf, auch juristische.

Heidi wird immer wieder gefragt, wann denn ein Gewässerraum rechtskräftig sei. Eine Leserin z.B. sah letzten Sommer jeweils einen Bauern im Gewässerraum güllen, obwohl dieser schon seit Monaten im Zonenplan der Gemeinde eingetragen war. Sie wandte sich an die Gemeinde. Dort herrschte grosses Staunen, denn die Beamten hatten noch nie vom Düngeverbot im Gewässerraum gehört.

Jemand fragte beim Amt für Natur und Umwelt Graubünden an: erfolglos! Dieses verwies den Fragenden an das Amt für Raumentwicklung. Doch auch dort wusste man nicht Bescheid. Selbst eine Anfrage beim Verantwortlichen Gewässerraum des Bundesamts für Umwelt (BAFU) brachte keine Klärung. Was tun? Heidi fragen! Auch sie hatte nur vage Vorstellungen, aber sie wollte es endlich wissen und stellte daher die Frage dem Rechtsdienst des BAFU. Hier die Antwort:

„Die Gewässerschutzgesetzgebung schreibt den Kantonen nicht vor, mit welchen Instrumenten und in welchen Verfahren sie den Gewässerraum festlegen müssen. Sie müssen somit selber die geeigneten Instrumente wählen oder schaffen, wobei die Instrumente der Nutzungs- und Richtplanung oder allenfalls eigene Erlasse der Kantone im Vordergrund stehen. Deshalb ist keine generelle Aussage darüber möglich, wann der Gewässerraum rechtskräftig ist. Dies richtet sich danach, wann das Instrument, welches der Kanton für die Festlegung des Gewässerraums gewählt hat, rechtskräftig ist.“

Zum Beispiel das Bündner Amt für Natur und Umwelt (ANU) hat einen Leitfaden zur Ausscheidung des Gewässerraums Graubünden herausgegeben. Darin ist das allgemeine Vorgehen beschrieben:

„Die Gewässerraumausscheidung im Kanton Graubünden soll in zwei Stufen erfolgen. In einer ersten Stufe wird der Gewässerraum zentrisch ab Gewässerachse ausgeschieden und dort wo es erforderlich ist, angepasst. Im Rahmen der Festlegung des Gewässerraums in der Nutzungsplanung wird der ausgeschiedene Gewässerraum in Absprache mit der Gemeinde und dem ANU GR bereinigt, gegebenenfalls angepasst und mit den Ergebnissen der strategischen Revitalisierungsplanung abgeglichen.“

Auch in diesem 40-seitigen Dokument fehlt ein Hinweis darauf, wann der ausgeschiedene Gewässerraum rechtskräftig ist. Heidi vermutet, dass bisher niemand über diese wichtige juristisch Frage nachgedacht hat. Die Gewässerhoheit liegt grundsätzlich bei den Kantonen, wobei der Bund diesem Recht Schranken setzen kann. Der Kanton Graubünden hat die Gewässerhoheit den Gemeinden abgegeben, redet aber ein gewichtiges Wort mit. Weil es keine allgemeine Regelung gibt, empfiehlt Heidi, zuerst bei der zuständigen Gemeinde anzufragen.

Heidi hofft, dass jetzt klar ist: Die Schweizer Rechtsdiversität floriert, während die Biodiversität weiter rapid abnimmt.

Nachtrag vom 5.1.15: Graubünden hat die juristische Frage sehr wohl behandelt. Schon sechs Stunden nach ihrem Hinweis hat Heidi die Antwort des ANU erhalten: „Der Gewässerraum im Kanton Graubünden wird in der Nutzungsplanung umgesetzt. Das bedeutet, dass gemäss dem von Ihnen verlinkten „ANU-Leitfaden zur Ausscheidung des Gewässerraums“ der Gewässerraum bestimmt werden muss, eine entsprechende Nutzungszone zu schaffen ist, die Gemeindelegislative diese Änderung der Grundordnung beschliessen und die Regierung sie genehmigen muss.
Mit der regierungsrätlichen Genehmigung wird die Festlegung des Gewässerraums rechtskräftig.“ Danke für die prompte Antwort!

5.1.15 HOME


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