Posts Tagged ‘Liste der 11 verbotenen PSM’

Innovative Bio-Bauern: Wasserschutzwand gegen Pestizid-Abdrift

4. Juni 2016
Foto links: Sprühtechnik der Bauern. Fotos Mitte und rechts: Eine 5 m hohe Hecke ist die lebende Schutzwand gegen Wind und Abdrift. Darüber hat der BIO-Kräuteranbaubetrieb eine Wasserdruckleitung mit Wasserdüsen verlegt, welche nur während des Ausbringens von Pflanzenschutzmitteln in den benachbarten Obstbaubetrieben eingeschaltet wird. Die 8 bis 15 m hohe Wassersprühnebelwand nimmt Abdrift auf und bringt sie über die Hecken zu Boden. Copyright: Gluderer Urban, Kräuterschlössl Goldrain

Foto links: Sprühtechnik der Bauern. Fotos Mitte und rechts: Eine 5 m hohe Hecke ist die lebende Schutzwand gegen Wind und Abdrift. Darüber hat der BIO-Kräuteranbaubetrieb eine Wasserdruckleitung mit Wasserdüsen verlegt, welche nur während des Ausbringens von Pflanzenschutzmitteln in den benachbarten Obstbaubetrieben eingeschaltet wird. Die 8 bis 15 m hohe Wassersprühnebelwand nimmt Abdrift auf und bringt sie über die Hecken zu Boden. Copyright: Gluderer Urban, Kräuterschlössl Goldrain

Seit 25 Jahren ist der Betrieb der Familie Gluderer im Südtirol biozertifiziert, seit elf Jahren werden BIO-Kräuter angebaut. Die Bauern im Tal ersetzten immer mehr Wiesen durch Obstplantagen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stieg daher massiv. Auch die Schweiz importiert Äpfel aus dem Südtirol, etwa Pink Lady. Oft stammen die Früchte in Yogurt aus dem Ausland, weil angeblich die Schweizer Produkte zu teuer sind!

Behörden handeln nicht

Man sagte dem Kräuterschlössl Team, eine zwei Meter hohe Hecke/Netzschutzwand würde ausreichen, um Abdrift zu verhindern. Als dann wieder Pestizide in den Kräutern gefunden wurden und der Betrieb grosse Verluste hinnehmen musste, waren die Behörden erstaunt, dass die empfohlenen Schutzmassnahmen nicht ausreichten. So haben sie eine Schutzwand von drei Metern vorgeschrieben und auch versprochen, Gesetze zu erlassen, um die Apfelbauern einzuschränken … und so ging es immer weiter, inzwischen sind fünf Jahre vergangen, das Spritzverhalten der meisten Bauern ist immer noch dasselbe.

Ohne Schutzmassnahmen keine BIO-Produktion

Die direkt angrenzenden Obstbauern bringen die Pestizide inzwischen rücksichtsvoll aus. Doch die vom Kräuterschlössl erfundene Wassersprühnebelwand reicht schon bei leichtem Wind nicht aus, um die Pestizidabdrift abzuwehren. Weiter entfernte Obstbauern nehmen keine Rücksicht auf benachbarte Kulturen, Wohnhäuser, Kinderspielplätze, Gärten usw. Die sichtbaren Sprühnebel übersteigen die Baumkronen bis zu 50 m. Das Schlimmste ist, dass viele Obstbauern bei leichtem, manche sogar bei Windstärke 20 km/h spritzen. Manche spritzen zwar bei Windstille, drücken aber derart auf das Gaspedal, dass der Sprühnebel weit in die Luft steigt und später irgendwo auf dem Boden landet.

Hohe Investitionen für die Betroffenen

Wegen Pestizidabdrift musste das Kräuterschlössl alle Felder mit Folientunnels überdachen und seitlich einhausen. Das Arbeiten bei hohen Temperaturen ist unangenehm. Das Positive: Die Kinder spielen hier in pestizidfreier Umgebung! Copyright: Gluderer Urban, Kräuterschlössl Goldrain

Wegen Pestizidabdrift musste das Kräuterschlössl alle Felder mit Folientunnels überdachen und seitlich einhausen. Das Arbeiten bei hohen Temperaturen ist unangenehm. Das Positive: Die Kinder spielen hier in pestizidfreier Umgebung! Copyright: Gluderer Urban, Kräuterschlössl Goldrain

Vor drei Jahren hat sich der Betrieb entschlossen, alle Kräuterfelder einzuhausen und 150’000 € investiert. Annemarie Gluderer: „Hätten wir das nicht getan, so gäbe es unseren Betrieb nicht mehr. Wir müssten alle Kräuter als Sondermüll entsorgen, weil die Rückstandswerte die zugelassenen Höchstwerte der EU für den konventionellen Anbau überschreiten. Wir mussten drei Strafprozesse gegen uns überstehen (dreimal Freispruch) und andere Schikanen – aber es gibt uns immer noch – unsere Grossfamilie hält zusammen. Ziel war es, durch die zeitlichen Verzögerungen uns den Atem zu nehmen, denn wir sind Kleinstbauern mit 6’000 m² Anbaufläche, von der vier Familien leben.“ Die Verursacher der Verschmutzungen werden nicht belangt.

Kräuterschlössl

Kräuterschlössl: Spritzwütige Bauern, Das Wunder von Mals, Dokumentarfilm in Arbeit.

Früher konnte die Familie Gluderer unter freiem Himmel ernten, was sehr viel angenehmer war als die Arbeit unter dem Folientunnel. Copyright: Gluderer Urban, Kräuterschlössl Goldrain

Früher konnte die Familie Gluderer unter freiem Himmel ernten, was sehr viel angenehmer war als die Arbeit unter dem Folientunnel. Copyright: Gluderer Urban, Kräuterschlössl Goldrain

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Grundwasser: Gefährden neue Grenzwerte das Vorsorgeprinzip?

10. März 2013

Die Gesetzeslage ist klar: Die Qualität des Grundwassers soll so beschaffen sein, dass im Wasser keine künstlichen, langlebigen Stoffe enthalten sind …, Gewässerschutzverordnung (GSchV Anh.1 Ziff. 2 Abs. 3 Bst b und c). Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird, muss nach einfacher Aufbereitung den Anforderungen des Lebensmittelrechts (Fremd- und Inhaltsstoffverordnung FIV) genügen. Für Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte ist in der Regel ein Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter je Einzelstoff einzuhalten.

Grundwasserschutz ist auch Trinkwasserschutz. Brunnen am Landsgemeindeplatz Trogen.

Grundwasserschutz ist auch Trinkwasserschutz. Brunnen am Landsgemeindeplatz Trogen.

Das TTC-Konzept

Dank moderner Untersuchungsmethoden finden die Wasserversorger immer mehr Fremdstoffe im Trinkwasser, die Mehrzahl stammt aus der Landwirtschaft. Wie schädlich sind sie? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) einen Leitfaden für den Umgang mit nicht geregelten Fremdstoffen im Trinkwasser ausgearbeitet. Im Rahmen der Revision des Lebensmittelrechts (Anpassung an EU-Recht und an den Stand von Wissenschaft und Technik), werden Höchstkonzentrationen festgelegt, dies mit hilfe des TTC-Konzepts (Threshold of Toxicological Concern). Das TTC-Konzept funktioniert nicht, wenn ein Stoff ein hohes toxisches Potenzial hat, wenn die Gefahr von Allergien besteht, zudem werden nicht alle Expositionspfade berücksichtigt, desgleichen wird z.B. das Entstehen von Umwandlungsprodukten und Mischungen nicht einbezogen. Die Vernehmlassung läuft bis 15.3.13.

Bedeutung der Grenzwerte

Grenzwerte sind allgemein eine unsichere Sache. Sie steigen oft mit zunehmender Verschmutzung! Das Risiko wird nach EU-Modellszenarien bewertet; kaum berücksichtigt werden dabei das Schweizer Klima und unsere Böden. Toxikologisch begründet sind weder der Anforderungswert der GSchV für organische Pflanzenschutzmittel noch der für sämtliche Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte einheitliche Toleranzwert im Lebensmittelrecht; wo doch die Stoffe so verschieden wirken! Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln stützt sich das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf die Angaben der Industrie und auf international übliche Regeln. Eigeninitiative und -verantwortung haben hier keinen Platz. Besteht die offensichtliche Gefahr, dass der Grenzwert im Wasser +/- erreicht wird (aber nicht massiv überschritten), verhängt das BLW eine Verbot für den Einsatz in der Grundwasserschutzzone S2, siehe Liste der 11 verbotenen PSM. Bei der Anwendung wird vorschriftsgemässer Umgang vorausgesetzt.

Vorsorgen ist besser …

Vertreter der Wasserversorgung kritisieren die vom BAG festgesetzten sehr hohen Grenzwerte für bisher „nicht geregelte Fremdstoffe“ und befürchten, dass dem intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Tür und Tor geöffnet werden könnte. Sie fordern die betroffenen Bundesämter auf, sich klar zum Vorsorgeprinzip zu bekennen. Und die Kantone sollen die Gewässerschutzgesetzgebung konsequent umsetzen und bei Überschreiten der Grenzwerte griffige Massnahmen ergreifen. „Auch wenn einige Pestizide und Herbizide keine direkte Gesundheitsgefährdung darstellen, sie gehören definitiv nicht ins Trinkwasser“, so die Meinung des Branchenverbands der Schweizerischen Trinkwasserversorger (SVGW), siehe Wasserfachtagung über den Umgang mit nicht geregelten Fremdstoffen im Trinkwasser vom 9.3.12. Eine enge Zusammenarbeit pflegen, das ist ein Vorsatz, den sich alle zu Herzen nehmen wollten. Hoffentlich wird man sich daran erinnern in Zeiten zunehmender Arbeitsbelastung.
Zusammenfassung Fachtagung: Umgang mit nicht geregelten Fremdstoffen im Trinkwasser
Folien der Vorträge, 7,4 MB

Was ist zu tun? Vorsorge, Vorsorge, Vorsorge! Pflanzenschutzmittel (PSM), die ins Grundwasser gelangen können, sind zu verbieten, meint Heidi, und das unter Bauern-Druck gestrichene Verbot des Einsatzes von PSM in der Grundwasserschutzzone S2 ist wieder einzuführen. Hinterfragt werden soll der gedankenlose Einsatz von PSM; oft gibt es auch andere Lösungen.

Und so sprach kürzlich ein energischer Mitmensch zu den Bauern seiner Gemeinde: „Ihr Bauern seid zwar die „Feldherren“, aber das Grundwasser gehört allen Menschen!“ Papierener steht es als Grundsatz im Gewässerschutzgesetz: Es ist untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können … versickern zu lassen.

Heidis Artikel zum Thema:

Das Grundwasser lebt

Bundesrat gewichtet Freiheit der Bauern höher als Trinkwasserqualität

Der Gewässerraum und die Bauern

Grundwasserschutzzonen: Wer weiss Bescheid?

10.3.13 HOME


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