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Pestizidreduktion in Apfelplantagen und Einfluss des Klimawandels

5. März 2023
Quelle: Johann G. Zaller et al., Science of the Total Environment.

Johann G. Zaller et al., Science of the Total Environment.

Quelle: Potential to reduce pesticides in intensive apple production through management practices could be challenged by climatic extremes. Johann G. Zaller et al., Science of the Environmental

Johann G. Zaller und weitere Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien, des Umweltforschungsinstituts von Global2000/Friends of the Earth Österreich sowie der Universidad de Extremadura, Badajoz, Spanien, haben den Pestizideinsatz und die Anbaumethoden auf 2’549 kommerziellen Apfelplantagen analysiert. Eine wichtige Schlussfolgerung ist: Das Potenzial zur Verringerung von Pestiziden im intensiven Apfelanbau durch Bewirtschaftungspraktiken könnte durch klimatische Extreme in Frage gestellt werden.

Zusammenhänge erkennen

Äpfel sind das am dritthäufigsten produzierte Obst der Welt, aber ihre Produktion ist oft pestizidintensiv. Das Ziel der Wissenschaftler war es, anhand der Aufzeichnungen von Landwirten in Österreich zwischen 2010 und 2016 Möglichkeiten zur Pestizidreduktion zu identifizieren. Sie untersuchten wie der Pestizideinsatz mit der Betriebsführung, den Apfelsorten und den meteorologischen Parametern zusammenhing und wie er sich auf die Erträge und die Toxizität für Honigbienen auswirkte.

Eingesetzte Pestizide

Auf den Apfelfeldern wurden pro Saison 29,5 Pestizidanwendungen mit einer Aufwandmenge von 56,7 kg pro Hektar durchgeführt, die insgesamt 228 Pestizidprodukte mit 80 Wirkstoffen umfassten. Im Laufe der Jahre entfielen 71% der ausgebrachten Pestizidmengen auf Fungizide, 15% auf Insektizide und 8% auf Herbizide. Die am häufigsten verwendeten Fungizide waren Schwefel (52%), gefolgt von Captan (16%) und Dithianon (11%). Von den Insektiziden wurden Paraffinöl (75%) und Chlorpyrifos/Chlorpyrifos-Methyl (6% zusammen) am häufigsten eingesetzt, bei den Herbiziden Glyphosat (54%), CPA (20%) und Pendimethalin (12%).

Was beeinflusste den Pestizideinsatz?

Der Pestizideinsatz stieg mit zunehmender Häufigkeit der Bodenbearbeitung und Düngung, zunehmender Feldgrösse, steigenden Temperaturen im Frühjahr und trockeneren Sommerbedingungen. Der Pestizideinsatz nahm mit zunehmender Anzahl der Sommertage mit Höchsttemperaturen über 30°C und der Anzahl der warmen, feuchten Tage ab. Die Apfelerträge standen in einem signifikant positiven Zusammenhang mit der Anzahl der Hitzetage, der feuchtwarmen Nächte und der Häufigkeit der Pestizidbehandlungen, wurden aber nicht von der Häufigkeit der Düngung und der Bodenbearbeitung beeinflusst.

Die Toxizität für Honigbienen stand nicht im Zusammenhang mit dem Einsatz von Insektiziden. Pestizideinsatz und Ertrag standen in signifikantem Zusammenhang mit den Apfelsorten.

Die Analyse der Wissenschaftler zeigt, dass der Pestizideinsatz in den untersuchten Apfelbetrieben durch weniger Düngung und Bodenbearbeitung reduziert werden kann, auch weil die Erträge um mehr als 50% über dem europäischen Durchschnitt lagen. Wetterextreme im Zusammenhang mit dem Klimawandel, wie z. B. trockenere Sommer, könnten jedoch Pläne zur Verringerung des Pestizideinsatzes in Frage stellen.

Was ist für die Pestizidreduktion wichtig?

Insgesamt ergab diese Analyse eines der umfassendsten Datensätze kommerzieller Apfelbetriebe mehrere wichtige Erkenntnisse, die für die Reduzierung des Pestizideinsatzes von Bedeutung sind.

  • Erstens hatten die Häufigkeit der Bodenbearbeitung und Düngung sowie die angebauten Apfelsorten einen erheblichen Einfluss auf die Intensität des Pestizideinsatzes.
  • Zweitens unterschieden sich die Apfelbetriebe erheblich in ihrer Pestizidintensität, selbst wenn sie in derselben Region lagen, was darauf hindeutet, dass Pläne zur Verringerung des Pestizideinsatzes auch Verhaltensaspekte berücksichtigen müssen.
  • Drittens wurden meteorologische Parameter, die mit dem Klimawandel zusammenhängen, mit der Pestizidintensität in Verbindung gebracht, was darauf hindeutet, dass regionalisierte Klimawandelmodelle in Verbindung mit einfachen Mengen- und Risikominderungszielen einbezogen werden sollten.

Pestizid-Aufzeichnungen sollten veröffentlicht werden

Analysen wie die hier gezeigten können nur mit qualitativ hochwertigen Daten zum Pestizideinsatz durchgeführt werden, die derzeit in Europa, anders als beispielsweise in Kalifornien, nicht veröffentlicht werden. Da alle Apfelbauern verpflichtet sind, Aufzeichnungen über die auf dem Feld ausgebrachten Pestizide zu führen, wäre es wichtig und relativ einfach, diese Daten zu sammeln, um den Ursprung der Umweltverschmutzung wissenschaftlich zu untersuchen und die Reduktionsziele zu validieren. Solche Analysen und Erfahrungen könnten dann auf andere pestizidintensive Apfelanbaugebiete in der Welt übertragen werden, wo die Datenlage noch schlechter ist.

Risiko für Umwelt und Menschen senken

Die Etablierung eines systematischen und standardisierten Pestizidmonitorings würde es ermöglichen, Zusammenhänge mit der Wirksamkeit von Minderungsmassnahmen zu erkennen und würde das europäische Green-Deal-Ziel erleichtern, den Pestizideinsatz und die Risiken bis 2030 um 50% und den Düngereinsatz um 20% zu reduzieren. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass sowohl die Reduzierung des Düngemittel- als auch des Pestizideinsatzes unter Beibehaltung der durchschnittlichen Apfelerträge machbar erscheint.

Inwieweit und wo Aspekte des Klimawandels eingreifen, muss weiter untersucht werden. Darüber hinaus würde eine Reduzierung des Pestizideinsatzes nicht nur das Risiko für die Umwelt, sondern auch für die Menschen in Regionen mit intensivem Apfelanbau auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem verringern.

Potential to reduce pesticides in intensive apple production through management practices could be challenged by climatic extremes. Johann G. Zaller et al., Science of the Environmental

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Kritik am Aktionsplan Risikoreduktion Pflanzenschutzmittel des Bundes

2. Oktober 2016
Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes, Seite 9: "... Erst als letzte Massnahme sollen chemische PSM zur Anwendung gelangen. Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind."

Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes, Seite 9: „… Erst als letzte Massnahme sollen chemische PSM zur Anwendung gelangen. Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind.“

Die Direktzahlungsverordnung schreibt gemäss Art. 11 Grundsatz vor: Beiträge werden ausgerichtet, wenn die Anforderungen des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) nach den Artikeln 12-25 auf dem gesamten Betrieb erfüllt sind. Art. 18 Gezielte Auswahl und Anwendung der Pflanzenschutzmittel lautet wie folgt:

1 Beim Schutz der Kulturen vor Schädlingen, Krankheiten und Verunkrautung sind primär präventive Massnahmen, natürliche Regulationsmechanismen sowie biologische und mechanische Verfahren anzuwenden.

2 Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln müssen die Schadschwellen sowie die Empfehlungen von Prognose- und Warndiensten berücksichtigt werden.

Der Ökologische Leistungsnachweis wird oft nicht erfüllt …

Der Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln des Bundes weist darauf hin, dass Art. 18 der Direktzahlungsverordnung oft missachtet wird: „… Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind.“

Das heisst konkret, dass offenbar zahlreiche Bauern Direktzahlungen beziehen, obwohl sie gar kein Anrecht darauf hätten. Heidi hat von sehr unterschiedlichen Seiten gehört, dass Bauern oft Pflanzenschutzmittel (PSM) unter Missachtung von Art. 18 der Direktzahlungsverordnung spritzen. Kontrolliert wird kaum, doch Direktzahlungen werden trotzdem ausgeschüttet.

… das Reduktionsziel PSM-Einsatz des Bundes wäre heute schon erreicht

Fachleute weisen darauf hin, dass allein durch das Einhalten der Vorschriften der Direktzahlungsverordnung eine Reduktion des PSM-Einsatzes von 12% erreicht werden könnte, d.h. soviel wie der Aktionsplan des Bundes innerhalb von 10 Jahren vorsieht! Es ist bekannt, dass z.B. nach der Ernte oft Herbizide vor dem Pflügen auf die Stoppeln ausgebracht werden. Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes:

„… Mit den in Kapitel 6.1.1 beschriebenen Massnahmen, kann in gewissen Fällen auf die Anwendung von PSM zum Schutz der Kulturen verzichtet werden. Das in den nächsten 10 Jahren umsetzbare Potential zur Reduktion der Anwendungen wird auf 12% berechnet. Dieses Potential soll genutzt werden. Die Zielerreichung wird mit einem Indikator, der die Reduktion der behandelten Fläche beschreibt, überprüft (siehe 7.1)…“

Dies ist zwar nicht das einzige Ziel des Aktionsplans, aber ein Zeichen dafür, dass die Ziele nicht hoch gesteckt sind.

Zukunftsweisender Pestzid-Reduktionsplan Schweiz

Der Pestizid-Reduktionsplan Schweiz der Vision Landwirtschaft, der von den Trinkwasserversorgern (SVGW) und einem breiten Bündnis von weiteren Organisationen unterstützt wird, geht wesentlich weiter. Er sieht als langfristige Perspektive einen weitgehenden Verzicht auf PSM vor, d.h. PSM sollen nur im Notfall eingesetzt werden.

Abbildung 4 aus dem Aktionsplan PSM der Vision Landwirtschaft: Pflanzenschutzpyramide: Pestizide nur im Notfall

Abbildung 4 aus dem Aktionsplan PSM der Vision Landwirtschaft: Pflanzenschutzpyramide: Pestizide nur im Notfall

Es würde den Rahmen dieses Artikel sprengen, wenn Heidi den Aktionsplan des Bundes (75 Seiten) detailliert mit jenem der Vision Landwirtschaft (76 Seiten) vergleichen würde. In Anbetracht der mit PSM stark verschmutzten Gewässer und dem steten massiven Rückgang der Biodiversität tut ein grundsätzliches Umdenken Not.

Auswirkungen von PSM zu wenig bekannt

Über die Probleme im Boden, den Einfluss auf das Bodenleben usw. weiss man wenig. Es ist aber bekannt, dass PSM, welche schlecht abgebaut werden, langsam ins Grundwasser „wandern“ können, wie das aktuell bei Chloridazon geschieht, das als Herbizid für den Anbau von Rüben und Randen zugelassen ist. Die Abbauprodukte Desphenyl-Chloridazon und Methyl-Desphenyl-Chloridazon wurden mit Abstand am häufigsten in Konzentrationen von mehr als 0,1 μg/l im Grundwasser nachgewiesen. Beide Substanzen werden erst seit 2010 im Rahmen von NAQUA analysiert. Liste der PSM und ihrer Abbauprodukte im Grundwasser, soweit heute untersucht. Es ist zu hoffen, dass durch Massnahmen, wie Sonderbewilligungen im Zuströmbereich, die Wasserqualität von betroffenen Trinkwasserfassung verbessert werden kann. Doch langfristig ist auch dies keine Lösung des Problems.

Bereits 2006 wurde Desphenyl-Chloridazon vornehmlich in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in anderen Deutschen Bundesländern in Gewässern gefunden. Aus diesem Grund ist der Wirkstoff vor allem bei den Trinkwassergewinnungsunternehmen verstärkt in die Kritik geraten. Chloridazon und seine Metaboliten, Umweltbundesamt Österreich.

Wir müssen also in Zukunft mit „Überraschungen“ rechnen. Die gezielten Überprüfung von in der Schweiz bewilligten Pflanzenschutzmitteln des Bundesamts für Landwirtschaft führt dies drastisch vor Augen, mussten doch 2015 für 88 PSM neue Anwendungsvorschriften eingeführt werden.

Eine besonders schlechte Erfahrung hat man schon mit Atrazin und dessen Abbauprodukt Desethylatrazin gemacht, die noch heute in vielen Grundwasserleitern nachgewiesen werden. Atrazin im Grundwasser, Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit des Kantons Graubünden, 9.7.14:

„Die Proben widerspiegeln die Ergebnisse der letzten Jahre einer insgesamt geringfügigen Belastung unserer Grundwässer. Allerdings spricht der Nachweis des Herbizids Atrazin und dessen Abbauprodukts Desethylatrazin in zehn von elf Messstellen für die unerwünschte Persistenz dieser Stoffe in der Umwelt und deren langsame aber stete Infiltration ins Grundwasser. In der Schweiz ist Atrazin deshalb seit dem Jahr 2008 nicht mehr zugelassen. Bis Ende 2011 durfte Atrazin allerdings noch eingesetzt werden. Der Wirkstoff wurde vorwiegend im Maisanbau verwendet.

Zusätzlich zu einem Verbot von Atrazin sind weitere Massnahmen zum Schutz der Grundwässer vor Pflanzenschutzmitteln erforderlich. Zu diesen Massnahmen gehört beispielsweise ein Verbot für deren Ausbringung in Risikozonen wie den Grundwasserschutzzonen S2.“

Volkswirtschaftliche Kosten höher als Nutzen?

Es wäre schön, wenn die Behörden aus alten Problemen lernten. Vorsorge ist ein wichtiges Prinzip!

PSM verursachen hohe Kosten durch Umwelt- und Gesundheitsschäden sowie Verlust an Biodiversität. Diese Kosten fallen der Öffentlichkeit an, werden nicht als Aufschlag bei der Berechnung der entsprechenden Lebensmittelpreise berücksichtigt. Eine exakte Gesamtkostenrechnung ist zwar nicht möglich, aber es ist wahrscheinlich, dass die volkswirtschaftlichen Kosten des Einsatzes von PSM höher sind als ihr Nutzen.

Breites Bündnis für eine starke Reduktion des Pestizideinsatzes, Heidis Mist 24.5.16

GÜ – Neue Anwendungsvorschriften für 88 Pflanzenschutzmittel, Heidis Mist 3.2.16

Pflanzenschutzmittel: Kosten sie uns mehr als sie nützen? Heidis Mist 23.3.16

Pestizid-Cocktail in Schweizer Äpfeln, Dani Müller SRF Kassensturz 27.9.16

Mach mit bei der Volksvernehmlassung! Greenpeace zum Aktionsplan des Bundes 27.9.16

55 von 68 in Südtirol verwendete Pestizide auf „EU-Pestizid-Blacklist“, Alexander Schiebel, Das Wunder von Mals, 27.9.16

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Kleingewässer in Deutschland: Pestizid-Vielfalt bald grösser als die Artenvielfalt

10. Dezember 2015
Auch in der Schweiz sind viele kleine Bäche im Ackerbaugebiet stark mit Pflanzenschutzmitteln (und Dünger!) verschmutzt.

Auch in der Schweiz sind viele kleine Bäche im Ackerbaugebiet stark mit Pflanzenschutzmitteln (und Dünger!) verschmutzt.

PAN Germany, 10.12.15: „Grenzwertüberschreitungen, Spitzenkonzentrationen und bis zu 36 unterschiedliche Pestizid-Wirkstoffe: Kleingewässer der Agrarlandschaft sind besonders belastet und als einer der wertvollsten Lebensräume gefährdet. Ein repräsentatives und flächendeckendes Monitoring für Kleingewässer, wie von PAN Germany und anderen Umweltverbänden schon seit Langem gefordert, gibt es bisher nicht. Eine Datenanalyse von Wissenschaftlern der Universität Kiel zeigt erheblichen Handlungsbedarf auf…

… Im Hinblick auf die Ergebnisse fordern die Kieler Wissenschaftler vor allem ein Monitoring, das sich am Anwendungszeitpunkt der Pestizide orientiert und Spitzenkonzentrationen erfasst. Messungen in einem festgelegten Intervall, ohne Beachtung des Applikationszeitpunktes, führen zu einer erheblichen Unterschätzung der tatsächlichen Gewässerbelastung, weil die höchsten Konzentrationen kurz nach dem Eintragsereignis vorliegen.

Ausserdem müssen zusätzliche Untersuchungen des Sediments erfolgen, um Pestizide zu erfassen, die sich schnell an Schwebstoffe binden.

Von Bedeutung ist zudem das Analysespektrum. Die Ergebnisse der Daten zeigten deutlich, dass nur dort viele Pestizidrückstände detektiert wurden, wo nach vielen Pestiziden gesucht wurde. Für die Abschätzung des Gefahrenpotenzials und die Ableitung eines Schutzkonzeptes für Kleingewässer sollten in einem Monitoring zusätzlich Daten über die Hydrologie und die Landnutzung aufgenommen werden.

Die Ergebnisse bestätigen, dass dringend gehandelt werden muss…“

Kleingewässer: Pestizid-Vielfalt bald grösser als die Artenvielfalt, PAN Germany vom 10.12.15.

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