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Bauern sind Umweltschützer. Wirklich?

17. März 2015
Güllen mit dem Schleppschlauchverteiler: Die Bauern wollen den Fünfer und das Weggli - zulasten der Umwelt.

Güllen mit dem Schleppschlauchverteiler: Die Bauern wollen den Fünfer und das Weggli – zulasten der Umwelt.

„Die Ammoniak-Emissionen sind seit 1990 nur leicht zurückgegangen. Die aktuellen Konzentrationen verursachen Schäden an der Vegetation und den Böden. Massnahmen zur Senkung der Ammoniak-Emissionen sind deshalb nötig, z.B. konsequente Anwendung emissionsarmer Techniken beim Ausbringen von Hofdünger (z.B. Schleppschlauch, Injektion), konsequente Ausrüstung von Hofdüngerlagern mit festen Abdeckungen, Berücksichtigung emissionsmindernder Techniken beim Stallbau und Einsatz von Abluftreinigungsanlagen.

Die Reduktion von Ammoniak Emissionen ist ein aktuelles und zentrales Thema im Bereich Landwirtschaft und soll durch die Umsetzung der Umweltziele Landwirtschaft betreffend Luft in der Agrarpolitik realisiert werden.“ Quelle: Bundesamt für Umwelt (BAFU) Indikator Ammoniak-Emissionen.

Stickstoffhaltige Luftschadstoffe schädigen unsere Gesundheit, überdüngen Moore, artenreiche Wiesen, Wälder, versauern alpine Bergseen, Flüsse, verschmutzen das Grundwasser usw. „Rund zwei Drittel der Stickstoffeinträge in empfindliche Ökosysteme haben heute in der Schweiz ihren Ursprung in Ammoniak-Emissionen der Landwirtschaft.“ Quelle BAFU Stickstoffhaltige Luftschadstoffe beeinträchtigen auch die Biodiversität.

Ammoniak-Emissionen Landwirtschaft: Wo stehen wir?

Thurgauer Bauern nahmen am sechsjährigen Pilotprojekt Güllen mit Schleppschlauch teil; am Schluss war es die Hälfte. Ziel der Fördergelder: Die Ammoniak-Emissionen senken. Pro Gülleaustrag und Hektare erhielten sie 45 Franken, was bei 5 Wiesennutzungen 225 Franken pro Hektare und Jahr ausmacht bzw. 4’500 Franken für einen Betrieb mit 20 Hektaren „Güllefläche“. Im überbetrieblichen Einsatz der Schleppschlauchverteiler decken die „Anreize“ die Mehrkosten, siehe ART-Bericht 739, Schleppschlauch- und Breitverteiler im Vergleich.

Das Pilotprojekt lief 2013 aus. Neu können die Thurgauer Bauern – wie alle andern Bauern auch – am Bundesprojekt teilnehmen, erhalten allerdings nur noch 30 Franken pro Hektare und Gülleaustrag. Das haben die Bauern gerade noch geschluckt, doch die zweite Neuerung nicht. In Zukunft wird ihnen der Stickstoff, welcher vor Anwendung der Schleppschlauchtechnik die Luft verschmutzte, in der Düngerbilanz angerechnet, d.h. 3 kg Stickstoff pro Hektare und Gabe. Dagegen laufen sie jetzt Sturm. Nur noch ein Viertel der Fläche im Thurgau wird zur Zeit mit Schleppschläuchen begüllt.

Der Kanton Thurgau ist in dieser Grafik leicht zu finden (viel rot im Nordosten).

Der Kanton Thurgau ist in dieser Grafik leicht zu finden (viel rot im Nordosten).

Sind Bauern Umweltschützer?

Der Regierungsrat solle beim Bundesamt für Landwirtschaft vorstellig werden, fordern die Bauern. „Will man mehr Ammoniak in der Luft oder erlaubt man eine noch stärkere Düngung des Bodens, das ist die Frage.“ schrieb die Thurgauer Zeitung am 3.3.15 unter dem Titel Bauern stinkt der Schleppschlauch.

Rückblickend heisst das, dass die Pilotprojekt-Bauern wesentliche mehr düngen durften als die übrigen, nämlich bei 5 Güllegaben 15 kg pro Hektare. Wie viel davon sickerte ins Grundwasser oder wurde in Bäche geschwemmt? Gülle ist im Kanton Thurgau in grossen Mengen vorhanden, deshalb vermutet Heidi, dass der „Anreiz“ bei zahlreichen Bauern das Mehrdüngen nicht etwa die Reduktion der gesundheits- und umweltschädigenden Ammoniak-Gase war. So fliessen viele Bundesgelder in falsche Kassen.

Die Zahl der „Anreize“ steigt, die Steuergelder für die Landwirtschaft ebenfalls. Geht es uns und der Umwelt im gleichen Ausmass besser? Nimmt die Artenvielfalt zu? Viele unklare Regelungen, viele Schlupflöcher, Zielkonflikte, ein unberechenbares System: Unsere Agrarpolitik.

Ein informativer Bericht über die Geschichte von Gülle und Mist und den Thurgauer Schleppschlauch-Protest von Jürg Hotz:
Gülle liegt in der Luft – es wird Frühling

Wie viel Stickstoff ist zuviel?, Stickstoffeinträge aus der Luft sind in der Schweiz zu hoch und schädigen naturnahe Ökosysteme, Medieninformation BAFU vom 17.2.15

Ammoniak-Immissionen und Stickstoffeinträge, Abklärungen der Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (EKL), 2014, 62 Seiten.

17.3.15 HOME

Vom Wert der Natur

28. April 2014
Wieviel ist dieser Baum wert?

Wieviel ist dieser Baum wert?

Es ist Mode, allem einen Wert in Franken, $ … zuzuordnen. Auch die Natur bleibt davor nicht verschont. TEEB (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) ist eine Berichtsreihe, in welcher Fachleute den Wert der Natur angeben, d.h. Preise für unterschiedliche Ökosystem-Dienstleistungen nennen. Allerdings räumen die Autoren ein, dass ihre eigene Leistungsfähigkeit eine Grenze hat: „… Die Erfassung des Gesamtwertes der Natur und ihrer Dienstleistungen ist dabei allerdings nicht vorgesehen, denn das ist unmöglich: Ohne die Natur gäbe es kein Leben. Das bedeutet letztendlich, dass der Wert der Natur unendlich ist …“. Nicht fehlen darf in diesem „Unternehmen“ eine Bank, die Bank of Natural Capital mit „Stocks & Investments“.

Auch der Schweizer Bauernverband befasst sich mit dem Bewerten nicht-marktfähiger Güter und Leistungen, liess er doch die wichtigsten Studien, welche die Landwirtschaft betreffen, von Robert Huber, Flury-Giuliani GmbH (Agrar- und regionalökonomische Beratung), zusammentragen. Im Blog Agrarpolitik berichtet Huber Über den Wert der Schweizer Landwirtschaft, 15.4.14. Diese Studien seien methodisch sehr unterschiedlich, wiesen grosse Lücken auf und basierten auf vielen Annahmen, so dass kein umfassendes Bild der nicht-marktfähigen Güter und Leistungen der Landwirtschaft entstehe. Daher würden diese in der agrarpolitischen Diskussion nicht berücksichtigt. Huber meint: „… Mit Blick auf die kommende Abstimmung über die Initiative für Ernährungssicherheit, welche eine wichtige Weichenstellung für die Ausrichtung der zukünftigen Agrarpolitik darstellen dürfte, könnte eine wissenschaftlich abgestützte und in der Landwirtschaft verankerte Schätzung des Werts der nicht-marktfähigen Güter und Leistungen hingegen ein zentraler Orientierungspunkt sein.“

Die Bewertung der Natur hat aber ihre Tücken, wie George Monbiot (Heidis momentane Lieblingslektüre) in seinem Artikel vom 22.4.14 Reframing the Planet schrieb. Er beginnt wie folgt: „George Orwell warned that the logical end of mechanical progress is to reduce the human being to something resembling a brain in a bottle, Der Weg nach Wigan Pier, George Orwell, 1937. This is a story of how it happens.“

Was ist geschehen? Smithy Wood soll zerstört werden, ein alter Wald, der vor 800 Jahren den Mönchen der Kirkstead Abbey dazu gedient hatte, Holzkohle herzustellen. Was vor ein paar Monaten undenkbar gewesen wäre, das ist heute Realität. Bisher konnten Ökosysteme zerstört werden, wenn anderswo für „Ersatz“ gesorgt wurde, ausgenommen war einzig der Wald. Doch im Januar hat der Umweltminister, Owen Paterson, diese Einschränkung fallen gelassen, dies mit der Begründung, das ein entsprechender Fall sehr unwahrscheinlich sei. Doch schon ist eine Tankstelle in Smithy Wood geplant, 60’000 neue Bäume sollen anderswo die uralten Eichen … ersetzen. Solches Biodiversitäts-Business ist in England gang und gäbe, die entsprechende Verbandelung ist gross. Die Umwelt sei ein Teil der Wirtschaft und müsse in diese integriert werden damit keine Wachstum-Chancen verpasst würden, das sagt der Vorsitzende des Natural Capital Committee (NCC), Dieter Helm. Das NCC wurde als unabhängiges (?) Organ geschaffen, das die Regierung beim effizienten und nachhaltigen Bewirtschaften der Naturschätze beraten soll.

So wird der Wert von unersetzlichen Naturwundern mit dem Gewinnpotenzial von Menschenwerk verglichen. Dieser Trend ist in der Schweiz stark spürbar, z.B. Windkraft statt geschützte Landschaft, Wasserkraft statt Moorlandschaft von nationaler Bedeutung, Häuser statt Wiesen und Felder, Waldstadt statt Wald … Und vielleicht viel mehr Geld für die Landwirtschaft oder Maisfelder soweit das Auge reicht. Die menschliche Zerstörungswut ist ungebrochen.

So sähe die Landschaft im oberen Bild ohne Baum aus, retouchiert von Heidi

So sähe die Landschaft im oberen Bild ohne Baum aus, retouchiert von Heidi

28.4.14 HOME

Biodiversität: Setzen wir auf das falsche Pferd?

19. Juli 2013
Bläuling auf Teufelsabbiss in einem Moor, fotografiert von einer Heidis-Mist-Leserin

Bläuling auf Teufelsabbiss in einem Moor, fotografiert von einer Heidis-Mist-Leserin

20’000 Hektaren Moorland wurden im Kanton Zürich trockengelegt. Jetzt möchte man 3 Hektaren wiederherstellen. Wie kam es zu diesem Projekt? Der Acker ist häufig vernässt, erneute Drainage und Erdaufschüttung wären nötig. Weil das Land in einer Waldlichtung liegt und kein Wasser aus landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen zufliesst, ist es hervorragend dazu geeignet, in ein artenreiches Moor zurückverwandelt zu werden. Die Fachstelle für Naturschutz nahm diese seltene Gelegenheit wahr und schlug vor, die Ackererde abzutragen und damit ein gleich grosses Stück minderwertiges Kulturland zur Fruchtfolgefläche aufzuwerten. Der Bauer willigte gegen Entschädigung in den Handel ein, nicht gerne zwar, aber immerhin. Doch dem Zürcher Bauernverband gefiel das gar nicht, er mobilisierte Bauern gegen das Vorhaben: Mit Mistgabeln und Traktoren gegen die Baudirektion, Tagesanzeiger vom 16.7.13.

Wir wissen es, die Biodiversität nimmt in erschreckendem Mass ab: Biodiversität in der Abwärtsspirale, NZZ vom 15.5.13. Internationale Gremien schlagen eine neue Strategie vor: Rote Biotop-Liste statt Rote Arten-Liste. Solche Projekte haben also höchste Priorität. Fachleute warnten vor Jahrzehnten, dass das Ausschütten von Ökobeiträgen im Giesskannenprinzip den Artenschwund nicht aufhalten könne, man müsse gezielt dort Artenschutz betreiben, wo es sich lohne, und für Qualität zahlen, nicht für irgendwelche Flächen, denn das nütze wenig. Mit der neuen Agrarpolitik wird ein bisschen geschräubelt, aber nicht wirklich auf die Probleme eingegangen. Klar, die Bauern wehren sich, und wie! Häufig mit Erfolg im Parlament. Nicht ganz alle.

Zum Beispiel Thomas schwärmt von „seinen“ Schmetterlingen, richtet Nistgelegenheiten für Vögel ein und lässt die Blumenwiese mit Orchideen am Waldrand 5 m breit stehen. Er studiert zusammen mit Anna die neuesten Entwicklungen im ökologischen Landbau und optimiert die Produktion. Solche Bauern sollte man fördern und endlich mit dem Verschwenden von Steuergeldern für unwirksame Massnahmen aufhören.

Was man auch weiss: In den letzten zehn Jahren wurden im Kanton Zürich 1500 Hektaren neu überbaut. Die VertreterInnen des ZBVs im Kantonsrat stimmen regelmässig für die Bauvorhaben in der freien Landschaft (die Bauern profitieren vom Landverkauf). Sie beklagen den Verlust von Fruchtfolgefläche, leisten aber dem Landverschleiss Vorschub.

19.7.13 HOME

Pufferstreifen sind wichtig für Tiere, Pflanzen und das Wasser

10. August 2012
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Auch wenn die Vielfalt der Pflanzen in vielen Pufferstreifen nicht gross ist, sind diese ungedüngten Flächen ohne Pflanzenschutzmittel sehr wichtig für die Tiere und das Wasser.

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Marienkäfer und andere Nützlinge überwintern in der Streuschicht von Hecken und Waldrändern.

Pufferstreifen sind wichtig. Sie schützen Wasser, Wald, Hecken usw. vor Verschmutzungen und bieten vielen Tieren Unterschlupf; bei extensiver Bewirtschaftung wachsen dort auch selten gewordene Pflanzen. Deshalb gibt es Vorschriften für deren Bewirtschaftung. Grundsätzlich dürfen in einem Streifen von 3 m Breite entlang von Hecken, Feldgehölzen, oberirdischen Gewässern und Waldrändern keine Dünger und Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden; als Ausnahme zugelassen ist das einzelstockweise Bekämpfen von Unkräutern, wenn dies mit anderen Massnahmen nicht möglich ist (ausser Biolandbau). Das Verbot gilt auch für den Wald, für Naturschutz- und Riedgebiete sowie Moore; für Grundwasserschutzzonen bestehen differenzierte Regelungen; Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung. Diese Verbote kennt jeder Bauern – wahrscheinlich.

Weil die Pufferstreifen so wichtig sind, hat der Bund sie in der Direktzahlungsverordnung detailliert geregelt. Fast alle Bauern (97% der Landwirtschaftsfläche) müssen sich an diese weitergehenden Vorschriften halten, die in einem Merkblatt von Agridea anschaulich dargestellt sind und deren Einhaltung integraler Bestandteil der Direktzahlungsverordnung ist: Pufferstreifen – richtig messen und bewirtschaften. Über das Problem der mangelnden Kommunikation der Behörden hat Heidi früher schon berichtet: Vielfalt der Gesetze und Weisungen. Wenn man in Bundesbern will, dass die Bauern die Vorschriften beachten, dann müssten diese einfach und gratis zugänglich sein, so wie das Anmeldeformulare für Direktzahlungen ja auch gratis ist. Weil dem nicht so ist, hat Heidi eine neue Artikel-Kategorie Pufferstreifen geschaffen und ist daran, die wichtigsten Informationen für ihre LeserInnen aufzubereiten. Zwei Artikel sind bereits erschienen: Fehlender Pufferstreifen am Auenwald, Fehlender Pufferstreifen neben Hecke.

Übrigens, das Agridea-Merkblatt kostet 5 Franken, Download und gedruckte Version (plus Versandkosten) nur mit Kreditkarte. Vielleicht wird das Merkblatt von den kantonalen Behörden verteilt – da oder dort – sonst dürfte es vor Allem bei Biodiversitäts-Freaks zu finden sein und in Amtsschubladen verstauben. Es gibt zwar die Kürzungsrichtlinien der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz (Direktzahlungs-Kürzungsrichtlinie), aber wegen mangelnder Kontrolle hilft auch das nichts. Auch darüber hat Heidi schon geschrieben: Das BLW verteilt jedes Jahr fast 3 Milliarden Franken Steuergelder gutgläubig an die Bauern. An dieser Stelle sei wieder einmal all jenen Bauern DANK ausgesprochen, die sich trotzdem an die Gesetze halten.

10.8.12 HOME


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