
Neue Ausweitung von Palmölplantagen auf der Biodiversitätsinsel São Tomé
Mit Palmöl assoziiert man die grossen Produzentenländer Indonesien und Malaysia, doch in ihrem Schatten werden in Afrika und Südamerika neue Plantagen angelegt mit und ohne Waldrodung. So finden clevere Geschäftsleute auch „nachhaltiges Palmöl“, sogar „Bio-Knospe-Palmöl“. Das scheint soeben in São Tomé and Principe geschehen zu sein. Applaus! Oder doch nicht?
Palmölplantage mit EU-Geldern
Im kleinen afrikanischen Inselstaat São Tomé e Principe, einem Biodiversitäts-Hotspot, endete die portugiesische Kolonialherrschaft 1975. Danach finanzierte die EU die Anlage einer Palmölplantage in Ribeira Peixe auf der Insel São Tomé. Mit einem Darlehen der Europäischen Investitionsbank wurde die erste Palmölmühle erstellt, die Empresa de Óleos Vegetais (EMOLVE). Sie versorgte die gesamte Bevölkerung der Insel mit Speiseöl.
Alte Ölpalmen bringen kaum mehr Ertrag
Der Öl-Ertrag lag bis 1990 bei 2’000 Tonnen pro Jahr, sank bis 1999 auf 100 Tonnen pro Jahr, so dass die Produktion 2007 aufgegeben wurde. Ölpalmen müssen nach spätestens 20 bis 25 Jahren ersetzt werden. Weitere Gründe für die Aufgabe der Produktion waren die gealterte Anlage und verschlechterte Infrastruktur. Im Jahr 2008 wurden die Einrichtungen mit einem Beitrag der taiwanesischen Regierung etwas verbessert, aber das Problem wurde nicht vollständig behoben.
Agripalma übernimmt und will expandieren
Im Jahr 2009 erwarb Agripalma, eine mit STP Invest und São Tomé investors verbündete Gesellschaft und zum Weltkonzern Socfin gehörend, eine Konzession zur Erneuerung und Erweiterung von Palmölplantagen im Umfang von 5’000 ha, US$ 75 million Investitionen waren geplant. Ziel der Ölpalmenexpansion durch Agripalma war die Produktion von Palmöl zur Weiterverarbeitung zu Biotreibstoff in Belgien. Die Gefahren für die Umwelt werden durch die Sanierung und Erweiterung der Plantage von derzeit 610 ha auf 5’000 ha verschärft.
Gemäss einem Forscher war die Regierung der Meinung, dass es profitabel für das Land sei, seine gesamte, auf der Welt einzigartige Biodiversität gegen ein paar Tonnen Öl einzutauschen. São Tomé e Príncipe ist bereits 2016 zu einem der grössten Palmölproduzenten Zentralafrikas geworden.
Principe wehrt sich
Principe ist seit 2012 ein UNESCO-Biosphärenreservat. Die Bewohner der Insel lehnten sich gegen das Abkommen auf und liessen die Abholzung von mehr als 1’000 ha Land in der Gegend von Sundy für die Produktion von Palmöl nicht zu. Aufgrund der Weigerung der Prinzen suchte die Regierung nach mehr Land auf der Insel São Tomé, um das 2009 zwischen dem Staat und Agripalma unterzeichnete Abkommen erfüllen zu können. Agripalma hatte sogar gefordert, in einem Teil des Obô Natural Parks Palmölplantagen anlegen zu dürfen, da sie ihre Konzessionen auf der Insel Principe verloren hatten.
Landgrabbing auf São Tomé
Diese neue Erweiterung fand in der Nähe der Monte Carmo-Wälder des Obô-Naturparks statt und überschnitt sich mit der Pufferzone des Naturparks. Für die Anpflanzung der Ölpalmen enteignete der Staat Land von Landwirten zugunsten von Agripalma, was zu Landkonflikten führte, die von den Bauern individuell bekämpft werden. Ein Landwirt drohte, die von Agripalma angepflanzten Ölpalmen auf der Fläche, die ihm gehört, zu zerstören, wenn das Ministerium das Problem nicht löse. Er hat 13 ha seines Landes verloren. Laut Gesetz sollte er entschädigt werden, aber damals weigerten sich die Regierungsinstitutionen, den festgelegten Betrag zu zahlen.
Ölpalme verdrängt Grundnahrungsmittel
Seit 2013 organisieren sich Bürger, um gegen das andauernde Umweltverbrechen – wie sie sagen – zu kämpfen: „Wir wollen eine Bürgerbewegung schaffen, um unsere Umwelt zu verteidigen“, „Das ist das Umweltverbrechen, das vom Staat São Tomé begangen wird!“ Sie beklagen auch, dass die Ölpalme ihr Grundnahrungsmittel, die Kokosnuss, verdrängt.
Urwald wird weiter gerodet
Im Juli 2013 erliess das Gericht von São Tomé nach Klagen von Bürgern eine einstweilige Verfügung gegen Agripalma, die dem Unternehmen Beschränkungen für die Entwicklung einer Palmölplantage im Land auferlegt. Die Entscheidung des Gerichts stoppt jedoch nicht die Rodungsarbeiten des Unternehmens für die Errichtung von Palmölplantagen. Es werden lediglich Bedingungen auferlegt, die dem Schutz bestimmter Gebiete dienen.
Gefahren für Artenvielfalt und Umwelt
Durch die Öffnung des Zugangs zum Wald aufgrund von neuen Ölpalmenplantagen, der zunehmenden Jagd und des Drucks auf die Waldvögel und andere Arten, sind die einzigartigen Waldgebiete gefährdet. Bird Life International Afrika hat eine Kampagne entwickelt, um zu verhindern, dass die reiche Artenvielfalt durch das Landgrabbing verloren geht.
Bereits sichtbaren Gefahren sind: Verlust der Biodiversität (Wildtiere, Agro-Diversität), Verlust der Landschaft/ästhetische Beeinträchtigung, Abholzung und Verlust der Vegetationsdecke. Potenzielle Gefahren: Verschmutzung des Oberflächenwassers, abnehmende Wasserqualität, Verringerung der ökologischen und hydrologischen Vernetzung, Ernährungsunsicherheit (Ernteschäden).
Nicht zuletzt ist die Nähe der Agripalma-Flächen zu den Monte Carmo-Wäldern des Obô-Naturparks ein Problem sowie die Überschneidung der Flächen mit der Pufferzone des Naturparks. Befürchtet wird auch die Verdrängung von Einheimischen und der Verlust der Lebensgrundlage.
Widerstand organisiert sich
Es wehren sich: Landwirte, Nachbarn, Bürger, Gemeinschaften, Fischer, lokale und internationale Organisationen. Sie erstellen Berichte, sammeln Wissen, bauen Netzwerke auf für kollektives Handeln, entwickeln Alternativvorschläge, streben Klagen und Gerichtsverfahren an, verfassen Beschwerdebriefe und Petitionen.
Heidi meint
„Socfin ist aus steuertechnischen Gründen kürzlich in die Schweiz gezogen … ist es da nicht logisch, dass der Welt-Konzern – statt Palmöl für belgischen Treibstoff – auf einem Teil der Flächen Bio-Knospe-Palmöl für Coop produziert, wo doch 610 ha schon früher Landwirtschaftsland waren und somit mindestens die Bedingung, dass nicht gerodet werden darf, erfüllt ist? Der Erlös dürfte einiges höher sein. Wenn daneben gerodet, Land enteignet usw. wird … tangiert das die Bio-Zertifizierung und die Verleihung des RSPO-Label nicht. Leider funktioniert dieses Schema auch in anderen Ländern bestens.“
Quelle mit zahlreichen weiteren Quellen: New expansion of oil palm plantations, São Tomé e Príncipe. Environmental Justice Atlas. Hier finden Sie zahlreiche Links zu weiteren Quellen.
São Tomé and Príncipe: Biodiversity threatened by oil palm plantations. World Rainforest Movement vom 30.10.12
Tribunal mostra sinal de STOP à empresa Agripalma. Téla Nón vom 12.8.13
Sociedade civil denuncia crime ambiental na zona sul de São Tomé. Téla Nón vom 4.6.13
Sao Tome Lowland Forest (Palm Oil Plantation expansion). Bird Life International Africa vom 29.5.14
UN-Welternährungsprogramm schlägt Alarm wegen steigenden Hungers in Madagaskar
Bio Suisse hat auch Bio-Knospe-Palmöl in Madagaskar gefunden. Schon möglich, dass die Richtlinien und ihre Ausnahmen eingehalten werden. Nur, was rundherum geschieht, das kümmert niemanden und wenn auch, dann sind die KonsumentInnen schuld, die das billige Palmöl wollen! Oder? Das Problem ist nur, dass es in Madagaskar, wie an vielen Orten, trockener wird; das mögen Ölpalmen nicht.
Aljazeera vom 13.1.21: „The United Nations’ World Food Programme (WFP) has appealed for emergency aid of $35m to fight hunger in southern Madagascar, hit by the coronavirus pandemic and a third consecutive year of drought.
“Some 1.35 million people are projected to be food insecure – 35 percent of the region’s population,” the WFP said in a statement on Tuesday.
… “When I can’t go begging in the neighbouring village, we have to dig under this sand without being sure we’ll find anything,” said Ikemba, a resident of Ambovombe District, as she described her daily search for food.
“When we don’t find anything under the sand, we drink seawater. It is bad for our health, but we have no choice,” she continued.
Malnutrition rates in the region have risen, forcing children to beg so they can help their families buy food supplies.
About three-quarters of the country’s 25 million people live in poverty.“
Heidis 43 Artikel zu Palmöl
13.1.21 HOME
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