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Warnung der Wissenschaftler: Einfluss des Klimas auf die rasche Abnahme der Insekten

16. November 2022
Scientists’warning on climate change and insects. © 2022 The Authors. Ecological Monographs published by Wiley Periodicals LLC on behalf of The Ecological Society of America.

Scientists’warning on climate change and insects. © 2022 The Authors. Ecological Monographs published by Wiley Periodicals LLC on behalf of The Ecological Society of America.

70 WissenschaftlerInnen melden sich zu Wort: „Unser Beitrag zur Warnserie der Wissenschaftler verdeutlicht die zunehmende Bedrohung, die der Klimawandel und die damit einhergehenden kurzfristigen Klimaextreme für Insekten und andere ektotherme Tiere in Land- und Süsswasserökosystemen sind.“

Die Klimaerwärmung gilt als eine der schwerwiegendsten anthropogenen Umweltbelastungen, da sie nicht nur direkte Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hat, sondern auch die schädlichen Folgen anderer vom Menschen verursachter Bedrohungen verschlimmert. Die damit verbundenen Folgen sind potenziell schwerwiegend, insbesondere im Hinblick auf die Bedrohung des Artenschutzes und die Erhaltung einer Reihe von Ökosystemleistungen, die von der biologischen Vielfalt erbracht werden. Zu den am stärksten betroffenen Tiergruppen gehören Insekten – zentrale Bestandteile vieler Ökosysteme -, auf die sich der Klimawandel vom Individuum bis zur Gemeinschaft auswirkt.

Auswirkungen der steigenden Temperatur auf Insekten

In diesem Beitrag zur Reihe „Warnung der Wissenschaftler“ fassen wir die Auswirkungen des allmählichen Anstiegs der globalen Oberflächentemperatur auf Insekten zusammen, und zwar in Bezug auf Physiologie, Verhalten, Phänologie, Verteilung und Interaktionen zwischen den Arten sowie die Auswirkungen der zunehmenden Häufigkeit und Dauer von Extremereignissen wie Hitze- und Kälteperioden, Bränden, Dürren und Überschwemmungen auf diese Parameter.

Empfehlungen

Wir warnen davor, dass wir, wenn keine Massnahmen ergriffen werden, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Insekten besser zu verstehen und zu verringern, unsere Fähigkeit, eine nachhaltige Zukunft auf der Grundlage gesunder, funktionierender Ökosysteme aufzubauen, drastisch einschränken werden. Wir erörtern Perspektiven, wie Insekten angesichts des Klimawandels geschützt werden können, und geben mehrere wichtige Empfehlungen zu möglichen Managementansätzen, zu politischen Massnahmen und zur Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Schutzbemühungen.

Rascher Rückgang der Insekten

In den letzten Jahrzehnten mehren sich die Anzeichen dafür, dass viele Insektentaxa sowohl in gemässigten als auch in tropischen Ökosystemen einen raschen Rückgang erleben. Während es schwer ist, diese Rückgänge einem bestimmten Faktor zuzuschreiben, besteht bei den meisten Forschern kaum ein Zweifel daran, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel eine wichtige Rolle spielt. In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, zwischen den Auswirkungen einer allmählich einsetzenden Erwärmung und den Auswirkungen kurzfristiger klimatischer Extreme zu unterscheiden, wobei letztere viele Arten bis an die Grenzen ihrer thermischen Toleranz (und darüber hinaus) bringen. Es ist jedoch auch problematisch, einem einzelnen Faktor zu viel Gewicht beizumessen.

Klimawandel verstärkt Auswirkungen anderer Umweltveränderungen

Es ist wichtig zu erkennen, dass der Verlust und die Fragmentierung von Lebensräumen, die chemische und organische Verschmutzung, invasive Arten und andere vom Menschen verursachte Umweltveränderungen, die weitgehend mit der menschlichen Landnutzung zusammenhängen, derzeit als die Hauptursachen für den Rückgang von Insekten und anderen wirbellosen und Wirbeltierarten gelten. Wichtig ist, dass der Klimawandel die Auswirkungen anderer Faktoren, insbesondere der menschlichen Landnutzung, verstärken und die Fähigkeit der Insekten, sich den vielfältigen anthropogenen Belastungen zu entziehen oder sich an diese anzupassen, beeinträchtigen wird. Dies liegt daran, dass die Migration in neue Lebensräume, die den klimatischen Veränderungen folgen, nicht möglich ist, wenn die Landnutzung diese Orte bereits in ungeeignete Lebensräume verwandelt hat.

Bedeutung der Insekten in der Nahrungskette

Ebenso kann die Landnutzung grosse Hindernisse für die Ausbreitung darstellen. Arten existieren nicht isoliert, sondern Gemeinschaften und Ökosysteme sind durch eine verwirrende Vielzahl multitrophischer Wechselwirkungen gekennzeichnet, die ein komplexes Labyrinth sind. Die Erwärmung kann sich unterschiedlich auf die Arten in den Nahrungsnetzen auswirken, was zu phänologischen Ungleichgewichten oder dem Verlust wichtiger Ressourcen führt.

Der Verlust von Insekten wirkt sich auch auf die Nahrungskette aus und könnte eine wichtige Rolle beim weit verbreiteten Rückgang ihrer Konsumenten spielen, z. B. bei insektenfressenden Vögeln in gemässigten Klimazonen. Die umfassenderen Auswirkungen des Insektenrückgangs auf Ökosystemebene und die Rolle, die die Klimaerwärmung dabei spielt, bedürfen daher weiterer Aufmerksamkeit.

Durch die Erhaltung von Insektengemeinschaften und die Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts in Agrarlandschaften kann das Wohlergehen der Menschen verbessert und ein erheblicher nachgelagerter gesellschaftlicher Nutzen erzielt werden.

Rückzugsräume und Korridore

Da der Klimawandel unvermindert anhält und insbesondere klimatische Extreme eine unmittelbare, kurzfristige Bedrohung für Insekten sind, die langfristige Folgen für die Ökosysteme hat, muss auch die Bedeutung der Bewirtschaftung und Wiederherstellung von Lebensräumen berücksichtigt werden, die so „klimafest“ wie möglich gemacht werden und es den Insekten ermöglichen, Rückzugsräume zu finden, in denen sie extreme Klimaereignisse „überstehen“ können. In grösserem Massstab sollten Korridore erhalten werden, die es den Insekten ermöglichen, sich im Laufe der Zeit in klimatisch geeignetere Lebensräume auszubreiten.

Am wichtigsten ist jedoch, dass es Mittel und Wege gibt, um Insektenpopulationen für die Nachwelt zu sichern, und dass wir die Initiative ergreifen müssen, um sie umzusetzen.

Scientists’warning on climate change and insects. © 2022 Ecological Monographs published by Wiley Periodicals LLC on behalf of The Ecological Society of America.

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16.11.22 HOME

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Für ein neues krisentaugliches Ernährungssystem

19. Oktober 2022
Gutes Ackerland soll für die direkte Ernährung der Menschen genutzt werden und nicht für die Produktion von Tierfutter. Foto: Heidi

Gutes Ackerland soll für die direkte Ernährung der Menschen genutzt werden und nicht für die Produktion von Tierfutter. Foto: Heidi

Das Forschungsinstitut für biologischen Anbau (FiBL) veröffentlichte am 13.10.22 einen zukunftsweisenden Beitrag in der Agrarforschung Schweiz mit dem Titel Für krisentauglichere Ernährungssysteme: weniger tierische Produkte, weniger Abfälle. Er zeigt auf, dass wir Produktion, Wertschöpfungsketten und Konsum ändern müssen, um aktuelle und künftige Krisen besser bewältigen zu können. Klar und deutlich wird geschrieben, dass kurzfristige schnelle Lösungen mit möglicherweise erheblichen negativen Langzeitfolgen zu vermeiden sind. Es braucht eine sorgfältig geplante langfristige Strategie.

Der wissenschaftliche Artikel ist auf Deutsch verfasst. Heidi hat ein paar Passagen herausgepickt. Es lohnt sich aber, den ganzen Beitrag zu lesen.

Input-abhängige Ernährungssysteme

Die Grösse der Ernährungssysteme zu reduzieren, sei wohl der effektivste Ansatz, um die Herausforderungen hinsichtlich der Umweltwirkungen, der Ernährungssicherung und der globalen Märkte anzugehen. Im Artikel werden drei für eine solche Reduktion der Grösse der Ernährungssysteme zentrale Aspekte diskutiert: die Futter-Nahrungsmittel-Konkurrenz sowie Abfälle, die Rolle von Inputabhängigkeiten und geschlossenen Kreisläufen und die Sicherung der Produktionsgrundlagen.

Die Ernährungssysteme der Industrieländer sind extrem von externen Inputs abhängig und charakterisiert durch hohe Anteile von Nahrungsmittelabfällen und -verlusten sowie eine grosse Anzahl von Tieren, die mit Erzeugnissen vom Ackerland gefüttert werden. Die Ernährungssysteme sind dadurch sehr gross, gemessen an ihrem Massen-, Nährstoff- und Energieumsatz, sowohl pro Hektare als auch pro Produkteinheit oder pro Kopf.

Transformation sorgfältig planen

Es wird auch darauf hingewiesen, dass es nicht sinnvoll wäre, ganz auf Nutztiere zu verzichten, denn nur Wiederkäuer können Gras in Nahrungsmittel für uns Menschen umwandeln.

Viele der nötigen Veränderungen für diese Transformation können jedoch nicht schnell umgesetzt werden und bedürfen guter Vorbereitung. Ein Beispiel sind Infrastrukturinvestitionen spezialisierter Mastbetriebe, die genügend lange produzieren können müssen, um die Investitionen zu amortisieren. Umso mehr sollte man aber die Enden der Investitionszyklen nutzen, um Veränderungen in Richtung extensiver und zirkulärer Systeme anzustossen. Umstellungen auf reduzierte Düngernutzung, biologischen Pflanzenschutz oder gesamthaft biologische Produktion benötigen ein adäquates Wissen und unterstützende Beratung.

Die Konsumentinnen und Konsumenten schliesslich müssen ihr Verhalten anpassen, damit die Nachfrage im Einklang mit einem zunehmend reduzierten Angebot tierischer Produkte bleibt. Verarbeitung, Handel und Detailhandel müssen entsprechende Alternativen bereitstellen und ihre Geschäftsmodelle so anpassen, dass sie auch mit viel weniger tierischen Produkten profitabel wirtschaften können.

Produktionsgrundlagen sichern

Um eine für die Ernährungssicherheit genügende Produktion zu gewährleisten, auch unter Berücksichtigung der Reduktion von Abfällen sowie der Futtermittelproduktion beziehungsweise von tierischen Lebensmitteln, muss auch die Verfügbarkeit von und der Zugang zu Produktionsgrundlagen in ausreichender Menge und guter Qualität sichergestellt werden. Dies umfasst gesunde fruchtbare Böden, Biodiversität, intakte Ökosysteme mit deren Leistungen wie Bestäubung und als Basis für biologischen Pflanzenschutz, aber auch gut ausgebildete Betriebsleiterinnen, Betriebsleiter und Mitarbeitende sowie eine breite innovative Wissensbasis und ein funktionierendes landwirtschaftliches Wissens- und Informationssystem.

Kurzfristig hängt Ernährungssicherheit natürlich davon ab, dass genug zu essen bereitgestellt werden kann. Längerfristig hängt sie aber viel mehr davon ab, dass die Produktionsgrundlagen in ausreichender Menge und Qualität vorhanden sind, um genug Lebensmittel zu produzieren, und zwar unter sich immer wieder verändernden Wetterbedingungen, auf unterschiedlichen Böden und mit der Fähigkeit, sich langfristig an den Klimawandel anzupassen. In dieser Hinsicht haben agrarökologische und biologische zirkuläre Produktionssysteme Vorteile, da sie auf gesunden Böden und geschlossenen Nährstoffkreisläufen basieren. Sie überschreiten die Tragfähigkeitsgrenzen der lokalen Ökosysteme nicht und stellen deren zentrale Leistungen für eine resiliente landwirtschaftliche Produktion sicher.

Alle müssen am gleichen Strang ziehen

Der Bericht schliesst wie folgt: „Ein alleiniger Fokus auf die Produktion wird nicht zu den notwendigen Veränderungen führen. Es braucht eine Politik und Institutionen, die dezidiert die Transformation zu einem zukunftsfähigen und in Bezug auf Nährstoffumsatz und Inputnutzung kleineren Ernährungssystem unterstützen. Ein solches Ernährungssystem wäre resilienter, fähig mit den zukünftigen Herausforderungen umzugehen und es wäre besser gewappnet gegen Krisen wie die heutigen.“

Heidis Frage: „Worauf warten wir noch?“

Fossils, Fertilizers, and False Solutions

7. Oktober 2022
Lesen Sie den Bericht bzw. mindestens die Zusammenfassung und schauen Sie sich das Video an mit Klick auf das Bild.

Lesen Sie den Bericht bzw. mindestens die Zusammenfassung und schauen Sie sich das kurze Video 1:58 an mit Klick auf das Bild.

Wie die fossile Düngemittelindustrie auf Scheinlösungen setzt und damit Klima und Menschenrechte in Gefahr bringt.

Die Zusammenfassung des am 6.10.22 veröffentlichten Berichts des Center for International Environmental Law (CIEL) endet wie folgt:

„… Angesichts der starken Abhängigkeit des globalen Nahrungsmittelsystems von chemischen Inputs, der weit verbreiteten Übernutzung und ungerechten Verteilung dieser Inputs sowie der Unterbrechung der Getreide- und Düngemittelausfuhren durch die russische Invasion in der Ukraine besteht Grund zur Sorge, dass eine weitere Verschlechterung des Zugangs zu Düngemitteln die durch die Invasion selbst verursachten kurzfristigen Bedrohungen der Ernährungssicherheit noch verstärken wird. Die Wurzeln des Problems liegen jedoch in den systemischen Fehlern der industriellen Nahrungsmittelproduktion und nicht in der Verknappung eines Produkts, das in Wirklichkeit nicht die Ernährungssicherheit fördert, sondern die Ernährungssouveränität untergräbt. Wie dieser Bericht im Einzelnen darlegt, gab es noch nie einen besseren Zeitpunkt und eine dringendere Notwendigkeit, das derzeitige System zu überdenken, insbesondere die Rolle von fossilem Dünger.

Da die Welt dringend von der fossilen Wirtschaft wegkommen muss, muss sie auch das derzeitige, auf fossilen Brennstoffen basierende Modell der intensiven, industriellen Landwirtschaft angehen und aufgeben, mit dem Ziel, widerstandsfähige, regenerative Modelle zu entwickeln, die die Nahrungsmittel- und Energiesouveränität verbessern, im Interesse der Ökosysteme und Menschen, die von ihnen abhängen. Ein solcher Übergang kann nur erreicht werden, wenn wir das mit fossilen Brennstoffen betriebene System, das die Erde und ihre Bewohner:innen über kritische planetarische Grenzen hinaus treibt, in den Blick nehmen. Vor dem aktuellen Hintergrund der multiplen Krisen war die Notwendigkeit für ein Umsteuern noch nie so klar wie heute.

Weil der Bericht so wichtig ist, kopiert Heidi die auch in Deutsch verfügbare Zusammenfassung vollständig:

In den letzten sechs Jahrzehnten hat sich die weltweite Produktion und Verwendung von Stickstoffdüngern verneunfacht: von 12,9 Millionen Tonnen im Jahr 1961 auf über 123 Millionen Tonnen im Jahr 2020. Länder mit hohem Einkommen wie Japan, die Vereinigten Staaten und Teile Westeuropas verbrauchen 85-135 Kilogramm (kg) Stickstoffdünger pro Kopf, während sich die Industrie darauf konzentriert, den Düngemitteleinsatz im globalen Süden drastisch zu erhöhen. Die Produktion und der Einsatz von Pestiziden haben sich ähnlich entwickelt, wobei sich der anfänglich dramatische Anstieg des Pestizideinsatzes in Nordamerika und Europa in den letzten Jahrzehnten zu einer starken Konzentration auf den Export von Pestiziden in den globalen Süden verschoben hat, da Verbraucher:innen und Regulierungsbehörden im globalen Norden sicherere Alternativen fordern. Seit 1960 ist der Wert der weltweiten Pestizidexporte um 15.000 Prozent gestiegen und wird im Jahr 2020 41 Milliarden US-Dollar erreichen.

Überwältigende wissenschaftliche Beweise zeigen, dass der jahrzehntelange übermäßige Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden – zusammenfassend als Agrochemikalien bezeichnet – und die allgegenwärtige Ausbreitung einer industriellen Landwirtschaft, die auf diesen Agrochemikalien basiert, zu einem katastrophalen Zusammenbruch der biologischen Vielfalt und einer Verschmutzung mit toxischen Chemikalien beiträgt, die Erde über kritische planetarische Grenzen hinaus belastet und zu weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen führt, insbesondere im globalen Süden. Diese übermäßige Nutzung hat auch Auswirkungen auf die Menschen, die direkt neben den Produktionsstandorten der Petrochemie leben – sowohl im globalen Norden als auch im Süden. Diese negativen Auswirkungen werden durch die bedeutende, aber oft übersehene, Rolle von Düngemitteln und Pestiziden bei der sich beschleunigenden Klimakrise noch verstärkt.

Die Landwirtschaft ist für etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, und fossiler Dünger – also chemische Düngemittel, die aus fossilen Rohstoffen gewonnen werden – tragen maßgeblich, jedoch unbeachteterweise, zu dieser Zahl bei. Eine im August 2022 veröffentlichte wissenschaftliche Studie ergab, dass allein die globalen Klimaauswirkungen von Stickstoffdünger die des kommerziellen Luftverkehrs übersteigen und etwa 2 Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen ausmachen. Diese Emissionen entstehen sowohl durch die emissionsintensive Düngemittelproduktion als auch durch die anhaltenden und vielfältigen Klimaauswirkungen, wenn Stickstoffdünger auf landwirtschaftliche Böden ausgebracht wird.

So werden beispielsweise bei der Herstellung des Ammoniaks (NH₃), auf dem Stickstoffdünger basiert, schätzungsweise 450 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Jahr freigesetzt – das entspricht den gesamten Emissionen des Energiesystems Südafrikas. Ebenso ist die Landwirtschaft für etwa zwei Drittel der weltweiten Lachgasemissionen (N2O) verantwortlich, ein Treibhausgas, das 265 Mal stärker wirkt als Kohlendioxid.

Landwirtschaftliche Böden, die mit Stickstoffdünger behandelt werden, sind eine der Hauptquellen dieser Emissionen. Jüngste Studien belegen, dass die beobachteten Lachgaskonzentrationen in der Atmosphäre selbst die pessimistischsten Klimamodelle des Weltklimarats (IPCC) der Vereinten Nationen zu übertreffen
beginnen.

Darüber hinaus könnte der anhaltende übermäßige Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu absorbieren und zu binden, beeinträchtigen. Trotz dieser Risiken geht die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) alarmierenderweise davon aus, dass der Einsatz von Stickstoffdüngern bis 2050 um weitere 50 Prozent steigen könnte.

Sowohl die agrochemische Industrie als auch die fossile Industrie werden davon profitieren. Schon jetzt verbraucht die Synthese von Ammoniak für Stickstoffdünger schätzungsweise 3 bis 5 Prozent des weltweiten fossilen Gases.

Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass die Petrochemie bis 2026 für mehr als zwei Drittel des weltweiten Ölnachfrageanstiegs und bis 2050 für mehr als die Hälfte (55 Prozent) des gesamten Erdölverbrauchs verantwortlich sein wird. Plastik und Düngemittel, die zusammen fast drei Viertel (74 Prozent) aller produzierten Petrochemikalien ausmachen, sind die Haupttreiber dieses Wachstums. Der IEA zufolge stellen Düngemittel den größten kurzfristigen Wachstumssektor für den Einsatz von Erdölrohstoffen dar, wobei für die Düngemittelproduktion im Jahr 2025 ein Bedarf von mehr als 100 Milliarden Kubikmetern (bcm) Erdgas prognostiziert wird und für die weltweite Ammoniakproduktion ein Anstieg bis 2050 um bis zu 30 Prozent.

Diese Interessenkonvergenz der fossilen und Agrarindustrie spiegelt sich in den tiefgreifenden und weitreichenden Verflechtungen zwischen den Konzernen selbst wider. Während die weitreichende Rolle der Öl- und Gasunternehmen beim Ausbau der Petrochemie und der anhaltenden Plastikkrise gut dokumentiert ist, haben die Verbindungen zwischen der fossilen Brennstoff- und der Agrochemieindustrie weit weniger Aufmerksamkeit erhalten. Von acht führenden Düngemittelunternehmen, die für diesen Bericht untersucht wurden, wiesen sieben in der Vergangenheit oder gegenwärtig weitreichende Verbindungen zur fossilen Industrie auf, und zwar durch Verflechtungen in den Aufsichtsräten, durch die Eigentumsstruktur des Unternehmens oder durch direkte Beteiligung an der Produktion fossiler Brennstoffe. Dies gilt zusätzlich zu den bekannten historischen Verbindungen zu fossilen Brennstoffen bei langjährigen Marktführern der Agrochemie wie DuPont und Dow.

Es überrascht daher vielleicht nicht, dass agrochemische Unternehmen immer stärker die Lobbystrategien der fossilen Industrie nachahmen und argumentieren, dass sie die massiven Auswirkungen der Düngemittelproduktion auf das Klima durch den weit verbreiteten Einsatz von Kohlenstoffabscheidung und –speicherung (CCS) und andere Scheinlösungen zum Verschwinden bringen können.

Noch beunruhigender – und von den Medien und der Zivilgesellschaft weitgehend unbemerkt – ist die Tatsache, dass Öl-, Gas- und Agrochemieunternehmen Partnerschaften für eine Vielzahl an neuen Projekte eingehen, bei denen CCS und verwandte Technologien eingesetzt werden, um sogenannten „blauen“ Ammoniak (und seinen Vorläufer „blauen“ Wasserstoff) auf der Basis von fossilem Gas nicht nur als wichtigen Düngemittelbestandteil, sondern auch als Energieträger und als brennbaren Kraftstoff für Transport und Energie zu produzieren.

Unternehmen aus dem Bereich Düngemittel und fossile Brennstoffe betreiben, entwickeln oder erforschen aktiv Dutzende solcher Projekte in mindestens neun Ländern weltweit. Dieser Bericht hebt insbesondere die Ausbaupläne in den USA hervor, wo Projekte in acht Bundesstaaten geplant oder unterwegs sind. Es überrascht nicht, dass dieselben Staaten und Gemeinden, die bereits mit den negativen Auswirkungen der petrochemischen und CCS-Produktion konfrontiert sind, auch die Hauptziele für die Expansion der fossilen Düngemittelindustrie in Richtung blauer Wasserstoff und blaues Ammoniak sind.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen eindeutig, dass solche Kraftstoffe nicht nur technisch und wirtschaftlich für die meisten Verwendungszwecke unbrauchbar sind, sondern dass sie für das Klima genauso schlecht oder noch schlechter sind als die direkte Verbrennung von fossilem Gas. Indem sie dieses fossile Gas mit CCS-abgeleitetem Ammoniak als saubere Energiequelle positionieren, nutzen beide Industrien nicht nur das Vermarktungspotenzial vermeintlich „sauberer“ und nachhaltiger Kraftstoffe, sondern auch massive staatliche Subventionen für Infrastrukturinvestitionen im Namen des Klimaschutzes. Vereinfacht ausgedrückt, arbeiten die Düngemittelindustrie und die Industrie für fossile Brennstoffe zunehmend zusammen, um fossile Brennstoffe – insbesondere Erdgas – als eine ständig wachsende Quelle sowohl für „saubere“ Energie als auch für „saubere“ Agrochemikalien zu vermarkten. Doch wirklich sauber, grün oder nachhaltig ist keines von beidem. Die Beschleunigung dieser Vorschläge und die ihnen zugrundeliegenden Narrative drohen jedoch, die globale Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und industrieller Landwirtschaft auszuweiten und zu vertiefen, während weltweit die Erkenntnis wächst, dass beides dringend reduziert werden muss. Abgesehen von den Gefahren für die biologische Vielfalt, die menschliche Gesundheit und das globale Klima stellt die tiefe Verflechtung von fossilen Brennstoffen und industriellen Agrochemikalien eine tiefgreifende Bedrohung für die globale Ernährungssicherheit dar – wie die Marktschocks von 2022 bei den Lebensmittel-, Kraftstoff- und Düngemittelpreisen eindrucksvoll zeigen. Bei Redaktionsschluss dieses Berichts Mitte September 2022 haben akute Benzinknappheit und massive kurzfristige Preisspitzen führende Düngemittelhersteller dazu veranlasst, kurzfristige Produktionskürzungen anzukündigen, während gleichzeitig langfristige Investitionspläne ausgeweitet werden

Der letzte Absatz steht am Anfang!

Lesen Sie den Bericht report.

Schauen Sie das kurze Video an: explanatory video.

Fossils, Fertilizers, and False Solutions: How Laundering Fossil Fuels in Agrochemicals Puts the Climate and the Planet at Risk (October 2022). Center for International Environmental Law (CIEL) 6.10.22

UNO-Weltdatenforum: 5 Persönlichkeiten setzen sich per Videobotschaft für Nachhaltigkeit ein

30. September 2021
UN-Nachhaltigkeitsziel 6: Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen. Video mit Ernst Bromeis, Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer

UN-Nachhaltigkeitsziel 6: Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen. Video mit Ernst Bromeis, Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer

Vom 3. bis 6. Oktober 2021 findet in Bern das dritte UNO-Weltdatenforum 2021 (UNWDF) statt, das von der Schweizer Eidgenossenschaft zusammen mit den Vereinten Nationen organisiert wird. Diese in hybrider Form durchgeführte internationale Konferenz mit rund 700 Teilnehmenden aus 110 Ländern in der Schweizer Bundesstadt ist im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wegweisend, da diese nur mit qualitativ hochstehenden, zugänglichen, aktuellen und zuverlässigen Daten umgesetzt werden kann. Voraussichtlich werden UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern Alain Berset das Forum eröffnen.

Im Rahmen des UNWDF, lassen das Bundesamt für Statistik (BFS) und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) fünf Schweizer Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Hintergründen und aus allen Sprachregionen zu Wort kommen. Diese engagieren sich für nachhaltige Entwicklung und haben jeweils ein Ziel der Agenda 2030 ausgewählt, um die Bevölkerung für eine nachhaltigere Zukunft in der Schweiz zu sensibilisieren.

Die fünf kurzen Videos enthalten Botschaften folgender Persönlichkeiten:

  • Der Politiker und Landwirt Fernand Cuche erzählt, wie die Nachkriegszeit zu einem grossen Biodiversitätsverlust beigetragen hat. Seine Karriere und seine Leidenschaft für die Wälder haben ihn gelehrt, dass wir am Beispiel der Forstwirtschaft produzieren müssen, ohne zu zerstören.
  • Anna Giacometti, Nationalrätin und ehemalige Gemeindepräsidentin von Bregaglia, hat aus ihren Erfahrungen gelernt, dass jede Anstrengung zählt. Seit dem Erdrutsch am Pizzo Cengalo im Jahr 2017 hat sie die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur und die Bevölkerung aus nächster Nähe miterlebt.
  • Der Architekt Mario Botta hält fest, dass sich der Wandel beschleunigt hat und die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt in den vergangenen Jahren komplexer geworden ist. Aus seiner Sicht braucht es ein neues Verantwortungsbewusstsein.
  • Laut der Orientierungsläuferin Simone Niggli müssen rasch Massnahmen ergriffen werden, um unsere Lebensräume zu schützen. Der Wald ist das Stadion ihrer Sportart und sie durfte in ihrer Karriere durch die verschiedensten Ökosysteme laufen. Sie hofft, dass die zukünftigen Generationen dies weiterhin tun können.
  • Ernst Bromeis, Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer, hält fest, dass die Schweiz zwar in Bezug aufs Wasser zu den privilegierten Ländern der Welt gehört, vor Verschmutzung jedoch nicht verschont wird. Er findet, dass wir unser Verhältnis zum Wasser überdenken müssen, denn indem wir Wasser sparen, sparen wir auch Energie.

Die Videos werden am Stand der Schweiz am UNO-Weltdatenforum präsentiert, d.h. von Sonntag, 3. bis Mittwoch, 6. Oktober 2021, in Bern.

Das UNO-Weltdatenforum in Bern unterstützt die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Medieninformation Bundesamt für Statistik (BFS) vom 28.9.21

THE 17 GOALS. United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Sustainable Development

Das United Nations World Data Forum 2021.

30.9.21 HOME

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