Posts Tagged ‘Per- und Polyfluorierte Alkylverbindungen’

Heute ist Weltumwelttag: Chemikalien in Plastik sind eine versteckte Gefahr für unsere Gesundheit und die Umwelt

6. Juni 2023
Zu den Bereichen, wo Chemikalien in Plastik in hohem Mass besorgniserregend sind, zählen Spielzeuge, Möbel, Textilien und Lebensmittelverpackungen. Foto: Adobe Stock

Zu den Bereichen, wo Chemikalien in Plastik in hohem Mass besorgniserregend sind, zählen Spielzeuge, Möbel, Textilien und Lebensmittelverpackungen. Foto: Adobe Stock. Klick auf das Foto führt zur Medieninformation der Empa.

Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa informiert:

Kunststoffe enthalten tausende von Chemikalien, die die Umwelt und die menschliche Gesundheit gefährden können. Doch über rund die Hälfte davon wissen wir zu wenig. Ein neuer technischer Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), mitverfasst von Empa-Forschenden, zeigt nun das Ausmass des Problems auf.

Der heutige Weltumwelttag steht im Zeichen des Kampfes gegen die Plastikverschmutzung. Die Belastung der Umwelt durch Plastikabfälle und die Gefahr von Mikroplastik sind vielen Menschen ein Begriff. Weniger Bewusstsein besteht hingegen über die chemische Belastung, die von Kunststoffen ausgeht. Einzelne problematische Stoffe, beispielsweise Bisphenol A (BPA), haben zwar die mediale Aufmerksamkeit erregt – doch es handelt sich nur um die Spitze des Eisbergs.

Ein kürzlich veröffentlichter technischer Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) bietet einen Überblick über die Chemikalien in Plastik und identifiziert besonders dringende Handlungsfelder. Die Empa-Forschenden Zhanyun Wang und Narain Ashta haben den Bericht mitverfasst. «Wir konnten aufzeigen, dass über 13’000 unterschiedliche Chemikalien in Kunststoffen verwendet werden», sagen die Wissenschaftler. «Ein Viertel davon ist nachweislich problematisch, und über weitere rund 50 Prozent wissen wir viel zu wenig.»

Handlungsfelder identifiziert

Die Substanzen sind enorm vielfältig. Viele davon kommen bei der Herstellung von Plastik zum Einsatz, etwa als Ausgangsstoffe oder Lösungsmittel. Dazu kommen zahlreiche Zusatzstoffe, etwa Weichmacher, Flammschutzmittel oder Pigmente. Die Autorinnen und Autoren identifizieren im Bericht zehn Gruppen von Chemikalien, die in hohem Masse besorgniserregend sind, weil sie nachweislich toxisch sind oder sehr leicht aus Kunststoffen in die Umwelt gelangen können. Dazu zählen zum Beispiel gewisse UV-Licht- und Flammschutzmittel, Biozide sowie per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS).

Ferner priorisiert der Bericht zehn Bereiche, in denen die bedenklichen Chemikalien besonders schnell zu einer Gefährdung von Mensch und Umwelt führen. Dies ist beispielsweise bei Plastikprodukten für die Landwirtschaft und Fischerei der Fall sowie bei Spielzeugen, Nahrungsmittelverpackungen, elektronischen Geräten, Möbeln, Textilien, Fahrzeugen, Baumaterialien und mehr. Die Forschenden schlagen Massnahmen vor, mit denen die chemische Belastung insbesondere in diesen Produkten reduziert werden soll.

«Chemikalien in Plastik sind eine versteckte Gefahr, die unsere Gesundheit und die Umwelt weltweit beeinflussen können», erklären Wang und Ashta. «Ihre Verwendung sollte dringend international geregelt werden.»

Chemikalien in Plastik – Eine unbekannte Seite der Plastikverschmutzung. Medieninformation Empa 5.6.23

Chemicals in Plastics – A Technical Report

Hohe Krankheitslast und Kosten durch PFAS

29. Juli 2022

Am 21.3.22 schrieb der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) im Rahmen des Weltwassertags 2022: „Grundwasser – ein unsichtbarer Schatz … Zunehmend Sorge bereiten die so genannten Per- und Polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS). Diese PFAS sind in Outdoor- und Arbeitskleidung, Papier und Pizzakartons, Teppichen, Schmiermitteln, sowie Baustoffe und Löschschäumen enthalten. PFAS sind kaum abbaubar und manche gefährden die Gesundheit.“

Interpellation im Kanton Solothurn

Bereits am 8.3.22 hatte Marlene Fischer im Kanton Solothurn eine Interpellation zu den Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen eingereicht: „… Das Auftreten von PFAS im Grundwasser der Schweiz wurde im Rahmen einer Pilotstudie der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA (2007-2008) analysiert. An 21 der 49 beprobten Messstellen wurden PFAS nachgewiesen. Die betroffenen Grundwassermessstellen lagen oft in der Nähe von Flüssen – denn PFAS können durch die üblichen Abwasserreinigungsverfahren nicht abgebaut werden, gelangen via Kläranlage in Flüsse und schliesslich ins Grundwasser. Jedoch gibt es Möglichkeiten, PFAS durch Aktivkohlefilterung grösstenteils aus dem Abwasser zu entfernen.“

Aus der Stellungnahme des Regierungsrates: „… Das Beispiel der hier genannten PFAS unterstreicht die grundsätzliche Bedeutung langlebiger Mikroverunreinigungen für die Sicherung der Wasserversorgung. Die Chemisierung unserer Umwelt gepaart mit der grossen Vielzahl verschiedener Substanzen, die in unsere Umwelt und speziell den Wasserkreislauf gelangen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Einzelsubstanzen oder deren Kombinationen neu beurteilt werden und Risiken für die menschliche Gesundheit plötzlich nicht mehr auszuschliessen sind …“

Interpellation im Nationalrat

Auch im Nationalrat waren die PFAS kürzlich ein Thema: 21.3873 Interpellation von Ursula Schneider Schüttel vom 17.6.21: Welche in der Schweiz zugelassenen Wirkstoffe und Abbauprodukte gelten als „forever-chemicals“? „… Die Umweltorganisation „ohneGift“ hat an mehreren Standorten in der Schweiz die Konzentration von Trifluoracetat (TFA) im Seewasser und im daraus gewonnenen Trinkwasser gemessen. Wie gefährlich das „forever-chemical“ ist – es baut sich weder in der Umwelt, noch in Lebewesen ab -, ob es krebserregend ist oder wie es mit anderen chemischen Rückständen reagiert (Cocktail-Effekt), ist weitgehend unklar …“

In seiner Antwort schreibt der Bundesrat u.a. „Der Begriff „forever chemicals“ wird umgangssprachlich für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) verwendet, zu welchen auch das Trifluoracetat (TFA) zählt … Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) stuft TFA als einen sogenannten toxikologisch nicht-relevanten Metaboliten (Abbauprodukt) von Pflanzenschutzmitteln (PSM) ein … Aufgrund der Ergebnisse der Risikobeurteilung bei der Zulassung von PSM erwartet das BLW keine Konzentrationen von TFA über 10 Mikrogramm pro Liter im Grund- oder Trinkwasser. Das Auftreten von TFA als Abbauprodukt schliesst also eine Zulassung nicht generell aus …“

Studie zur Krankheitslast und den Kosten von PFAS

Ein Forscherteam des Department of Pediatrics, NYU Grossman School of Medicine, New York, USA hat die Krankheitslast und der Kosten der Exposition gegenüber Per- und Polyfluoralkylsubstanzen in den Vereinigten Staaten untersucht und kommt zu folgendem Ergebnis:

„In der vorliegenden Studie werden die jährliche Krankheitslast und die damit verbundenen sozialen Kosten der gegenwärtigen jährlichen Exposition gegenüber langkettigen PFAS mit mindestens 5,52 Milliarden Dollar beziffert, wobei unsere Sensitivitätsanalysen sogar bis zu 62,6 Milliarden Dollar ergeben. Regulierungsmassnahmen zur Begrenzung der laufenden Verwendung von PFAS und zur Sanierung kontaminierter Wasservorräte können erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen.“

Im Weiteren schreiben Vladislav Obsekov et al.: „Immer mehr Beweise bestätigen den Beitrag von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) zur Krankheitslast und Behinderung über die gesamte Lebensspanne. Angesichts der Tatsache, dass politische Entscheidungsträger die hohen Kosten für die Sanierung und den Ersatz von PFAS durch sicherere Alternativen in Verbraucherprodukten als Hindernisse für die Bewältigung nachteiliger gesundheitlicher Folgen im Zusammenhang mit PFAS-Belastungen anführen, ist es wichtig, die Kosten der Untätigkeit zu dokumentieren, selbst wenn Unsicherheiten bestehen. Daher haben wir die Krankheitslast und die damit verbundenen wirtschaftlichen Kosten aufgrund von PFAS-Altlasten in den USA im Jahr 2018 quantifiziert.

Wir nutzten systematische Übersichten und verwendeten, wann immer möglich, meta-analytische Inputs, identifizierten zuvor veröffentlichte Expositions-Wirkungs-Beziehungen und berechneten die PFOA- und PFOS-bedingten Zunahmen bei 13 Erkrankungen. Diese Zuwächse wurden dann auf Zensusdaten angewandt, um die gesamten jährlichen PFOA- und PFOS-zuordenbaren Krankheitsfälle zu bestimmen, aus denen wir die wirtschaftlichen Kosten aufgrund von medizinischer Versorgung und Produktivitätsverlusten unter Verwendung zuvor veröffentlichter Daten zu den Krankheitskosten berechneten.

Obwohl weitere Arbeiten erforderlich sind, um die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zu bewerten und die Auswirkungen der breiteren Kategorie von PFAS mit grösserer Sicherheit festzustellen, bestätigen die Ergebnisse erneut, dass Massnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Politik nach wie vor erforderlich sind, um die Exposition gegenüber PFOA und PFOS und ihre endokrinschädigenden Auswirkungen zu verringern.

Diese Studie zeigt die grossen potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen der Untätigkeit der Behörden.“

Obsekov, V., Kahn, L.G. & Trasande, L. Leveraging Systematic Reviews to Explore Disease Burden and Costs of Per- and Polyfluoroalkyl Substance Exposures in the United States. Expo Health (2022).

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29.7.22 HOME

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