Posts Tagged ‘Pestizid-Reduktionsplan Schweiz’

Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft: Utopie oder Notwendigkeit?

29. Dezember 2021
Aus dem Schlussbericht "Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft"

Aus dem Schlussbericht „Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft“, Vision Landwirtschaft. 20.12.21

Im vergangenen Jahr wurde viel geschrieben und gesprochen über die enormen Schäden, welche Pestizide in Wasser, Boden, Luft, Flora und Fauna sowie in uns Menschen anrichten. Dieses Wissen gilt es in die Agrarpolitik hineinzutragen, denn ohne massive Veränderungen sieht die Zukunft düster aus.

Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft»

Aus der Kurzfassung des Schlussberichts «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» 2017 – 2021 von Vision Landwirtschaft:

Das Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» mit dem Ziel, in der Schweiz völlig auf Pestizide zu verzichten, wuchs aus dem im Mai 2016 von Vision Landwirtschaft veröffentlichten «Pestizid-Reduktionsplan Schweiz» heraus. Vision Landwirtschaft stand damals mit diesem Ziel noch weitgehend alleine da. Selbst bei vielen Partnerorganisationen galt ein Ausstieg aus der Pestizidwirtschaft eher als Utopie denn als eine realisierbare Vision. Die Meinung, dass Pestizide als letztlich unabdingbarer  Kompromiss einer modernen Nahrungsmittelproduktion nötig sind, war bis in Umweltkreise hinein tief verankert. So richteten sie ihre Bemühungen lediglich auf Optimierung und Reduktion beim Pestizideinsatz.

Mit dem neuen Projekt sollte die praktische Umsetzung der im «Pestizid-Reduktionsplan Schweiz» dargelegten Vorschläge für die Landwirtschaft konkretisiert werden.

Ziel des Projektes war, den Weg hin zu einer von Pestiziden unabhängigen landwirtschaftlichen  Nahrungsmittelproduktion konkret aufzuzeigen. Die agrarpolitischen Weichen sollten durch das Projekt so gestellt werden, dass sich für Landwirte und Landwirtinnen ein Pestizidverzicht lohnt und dieser bis 2027 in allen Kulturen umsetzbar wird. Im Parlament sollten die Möglichkeiten eines weitgehenden Pestizidverzichtes durch Vorstösse regelmässig thematisiert werden. Im Weiteren sollten neben Bioprodukten zunehmend pestizidfrei produzierte Nahrungsmittel im Ladenregal zu kaufen sein. Diese sollen bei den Konsumenten sowie dem Handel und in den Medien eine gute Aufnahme finden. Die angestrebte Wirkung, bei den Zielgruppen einen Bewusstseinswandel auszulösen, wurde mehrheitlich erreicht.

Nicht zuletzt war der Stimmungswandel ganz wesentlich der Lancierung der beiden Agrarinitiativen zu verdanken, vor allem der Trinkwasserinitiative (TWI). Das Projektteam hat das Initiativkomitee der TWI von Beginn an fachlich, konzeptionell und medial intensiv unterstützt. Die TWI wie auch die Pestizidinitiative trugen wesentlich dazu bei, dass der grossflächige Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und die damit verbundenen massiven Schäden zu einem medialen Dauerthema wurden. Gleichzeitig haben die beiden Agrarinitiativen stark mitgeholfen, auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben einen Bewusstseinswandel auszulösen.

Mit unzähligen praktischen Massnahmen, die im Rahmen des vorliegenden Projektes regelmässig aufgearbeitet und kommuniziert wurden, versuchten etliche Betriebe vom Pestizideinsatz wegzukommen. Dieser ansonsten wenig kommunizierte, hoffnungsvolle Prozess stand in auffallendem Kontrast zur Kommunikation der grossen landwirtschaftlichen Verbände und der mit diesen eng zusammenarbeitenden Agroindustrie. Diese versucht bis heute, den Pestizideinsatz als unumgänglich darzustellen, damit die Ernährung der Bevölkerung gewährleistet sei.

Während der dreieinhalbjährigen Projektlaufzeit setzte ein Sinneswandel gegenüber Pestiziden ein in Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung, wie er noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Das vorliegende Projekt leistete dazu einen wesentlichen Beitrag. Heute, nach Abschluss des Projektes «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft», bekennen sich breite Kreise zur Notwendigkeit eines Ausstiegs aus dem bisher praktizierten Pestizideinsatz zur Nahrungsmittelproduktion …

Erfahrungen aus dem Projekt

Entscheidend für den Erfolg im Projekt war Vision Landwirtschaft als treibende Kraft, die Biss, Unabhängigkeit und ein ausgewiesenes Fachwissen hat sowie ein starker, in die Organisation integrierter Projektleiter mit klaren Zielvorgaben. Gleichzeitig hat Vision Landwirtschaft mit mehreren, vom Projekt unabhängigen, Reports Schwachpunkte der offiziellen Berichterstattung über die Gesamtkosten der Landwirtschaft aufgearbeitet. Damit wurde Zahlenmaterial auch für das Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» erarbeitet und u.a. gezeigt, welch grosse Lücken bei der Erfassung des Pestizidverbrauchs und dessen Auswirkungen auf die Umwelt bestehen.

Durch das Projekt entstand ein einzigartiges Netzwerk, welches in der Lage war, auf allen Ebenen neue Erkenntnisse zu den Pestiziden in kürzester Zeit zu kommunizieren. Dies war nur möglich durch ein umfassendes Kommunikationskonzept, welches alle Zielgruppen akribisch analysierte und daraus Handlungsfelder ableitete. Entscheidend bei der Umsetzung war eine sorgsame und schrittweise Vorgehensweise. Um die betroffenen Akteure für Veränderungen zu gewinnen, sollten sie nicht überfordert und unter Druck gesetzt werden …

Höhepunkte im Projektfortlauf

Vision Landwirtschaft war eine wichtige Drehscheibe und deckte den Bedarf an fundierten Informationen für Medien, Politik, Handel und die Initiativkomitees der beiden Agrarinitiativen ab. Den Projektverantwortlichen gelang es, Ressourcen verschiedener Akteure zu bündeln und gewinnbringend für alle einzubeziehen. Dadurch wurde das Pestizidthema fachlich breit abgestützt und besonders attraktiv für die mediale Berichterstattung. Die breite Vernetzung mit Politikern und Organisationen aus dem Bereich Landwirtschaft ermöglichte einen regelmässigen Informationsaustausch und förderte die öffentliche Diskussion über Pestizide.

In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass fundierte Informationen über die unzähligen Pestizidwirkstoffe kaum zugänglich sind. Vor allem Medienvertreter sind aber an detaillierten Fakten zu Pestiziden sehr interessiert. In einem eigenen Teilprojekt trug Vision Landwirtschaft deshalb verfügbare Informationen zu Wirkungsart, Toxizität in den verschiedenen Umweltbereichen und der menschlichen Gesundheit, Verkaufsmengen, etc. aus verschiedensten Quellen zusammen.

Herausforderungen

Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass landwirtschaftliche Produzentenverbände und der Detailhandel an einer konstruktiven Zusammenarbeit wenig interessiert waren – dies trotz dem zunehmenden Druck aus der Öffentlichkeit gegenüber Pestiziden. Aus diesem Grund entschied sich das Projektteam, einen eigenen Vertriebskanal für pestizidfreie Nahrungsmittel zu entwickeln. Anfang 2021 gründeten überzeugte und engagierte Bauern mit Unterstützung von Vision Landwirtschaft die Firma NatuRegio AG. Diese verfolgt das Ziel, zukünftig pestizidfrei produzierende Produzenten und pestizidfrei produzierte Nahrungsmittel unter der neu geschaffenen Marke «Intakt» zu bündeln und zu vermarkten.

Wichtige Erfahrung für zukünftige Projekte

Das Projekt hat aufgezeigt, dass ohne Druck und Hartnäckigkeit nichts geht. Die Agrarpolitik wird sich ohne öffentlichen Druck nicht wirklich bewegen und ein wesentliches Umdenken in bäuerlichen Kreisen und dem Detailhandel findet nur sehr zaghaft statt. Ein wichtiges Ziel wurde aber trotzdem erreicht: Der Begriff Pestizide (anstatt Pflanzenschutzmittel) hat sich heute in der öffentlichen Meinungsbildung fest etabliert.

In der Kommunikationsstrategie wurde das Hauptgewicht auf die Suche und Publikation von BestPractice Beispielen gelegt. Die Kernbotschaft lautet: Eine pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft ist wirtschaftlich möglich und erlaubt es ihr, höhere Produzenten- wie auch höhere Konsumentenpreise gegenüber dem Ausland zu erklären. Während der Projektlaufzeit wurden 116 Beiträge zum Thema Pestizide auf der Homepage von Vision Landwirtschaft veröffentlicht. Viele davon wurden von den Medien aufgenommen und über Social-Media Kanäle weiterverbreitet. Mindestens 60 Medienbeiträge erwähnten Vision Landwirtschaft im Kontext «pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» und etwa 35 Beiträge zum landwirtschaftlichen Pestizideinsatz nahmen Bezug zu Informationen von Vision Landwirtschaft.

Ausblick

Die Diskussion um den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft wird weitergehen, da breite Kreise der Bevölkerung die Situation im Bereich Pestizide in der Landwirtschaft als problematisch beurteilen. Sie erwarten, dass die Politik, die landwirtschaftlichen Branchen und der Detailhandel die offensichtlichen Probleme angehen und den Einsatz von Pestiziden stark reduzieren. Mit dem Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» hat Vision Landwirtschaft die Diskussionen um den Einsatz von Pestiziden mitgeprägt. Die Entwicklungen im Detailhandel machen deutlich, dass die Nachfrage von nachhaltig und pestizidfrei produzierten Lebensmitteln immer stärker wird. Das verstärkt den Druck auf die Landwirtschaft und ihre Branchenorganisationen, Alternativen für Pestizide zu entwickeln und umzusetzen.

Vision Landwirtschaft wird sich auch in den kommenden Jahren mit einer pestizidfreien Lebensmittelproduktion in der Schweizer Landwirtschaft auseinandersetzen. Mit konkreten Projekten wie z.B. der Etablierung einer breit abgestützten «Plattform Pestizide» wollen wir die Entwicklung einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft weiter mitgestalten. Im Fokus haben wir auch die zentralen Themenbereiche «Verursacherprinzip und Kostenwahrheit». Ziel des Projekts «Kostenwahrheit in
Landwirtschaft und Ernährung» ist es, die zentrale Bedeutung von Kostenwahrheit für eine nachhaltige, faire, konsensfähige Landwirtschaft und Ernährung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufzuzeigen. Denn die heutige Zielverfehlung in der Schweizer Landwirtschaft und die zu hohen Preise für nachhaltig produzierte Lebensmittel ist ursächlich eine logische Folge fehlender Kostenwahrheit …

Ralph Hablützel, Projektleiter Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft

Schlussbericht Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» 2017 – 2021. Vision Landwirtschaft

NatuRegio AG

Öpfelchasper

28.12.21 HOME

Datenschutzerklärung

Unabhängige Zulassungsstelle für Pestizide gefordert

2. Oktober 2017

In einem offenen Brief fordern 13 Organisationen der Allianz Pestizidreduktion am Donnerstag, 27. September 2017, Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann dazu auf, eine unabhängige Zulassungsstelle für Pestizide zu schaffen und sie nicht im Bundesamt für Landwirtschaft zu belassen. Wichtig ist den unterzeichnenden Organisationen, dass auch andere und vor allem unabhängige Akteure und Ämter in den Prozess eingebunden werden. Begründet wird die Forderung durch Aussagen von Mitarbeitenden des Bundesamtes für Landwirtschaft, welche eine Befangenheit befürchten lassen. Dazu kommt, dass eine unabhängige Zulassungsstelle mit transparenten Prozessen in verschiedenen anderen Ländern als Best Practice erachtet wird. Der Sonntagsblick hat am 1. Oktober 2017 über die Aktion berichtet.

Zeitlich passt dazu perfekt die am 29. September eingereichte Interpellationen von NR Tiana Moser, welche das Zulassungsverfahren kritisch hinterfragt.

Die Allianz Pestizidreduktion ist ein Bündnis aus Landwirtschafts-, Trinkwasserversorger-, Gewässerschutz-, Umwelt-, Gesundheits- und Konsumentenkreisen, zu dem auch der SVGW zählt. Der SVGW führt derzeit das Sekretariat der Allianz Pestizidreduktionsplan. Die Allianz verfasste 2016 unter der Federführung von Vision Landwirtschaft den Pestizid-Reduktionsplan Schweiz. Bereits in diesem forderte das Bündnis mehr Transparenz und Unabhängigkeit beim Zulassungsverfahren von Pestiziden.

Quelle: Allianz Pestizidreduktion. Unabhängige Zulassungsstelle für Pestizide gefordert, Aqua & Gas, News vom 1.10.17.

2.10.17 HOME

Kritik am Aktionsplan Risikoreduktion Pflanzenschutzmittel des Bundes

2. Oktober 2016
Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes, Seite 9: "... Erst als letzte Massnahme sollen chemische PSM zur Anwendung gelangen. Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind."

Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes, Seite 9: „… Erst als letzte Massnahme sollen chemische PSM zur Anwendung gelangen. Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind.“

Die Direktzahlungsverordnung schreibt gemäss Art. 11 Grundsatz vor: Beiträge werden ausgerichtet, wenn die Anforderungen des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) nach den Artikeln 12-25 auf dem gesamten Betrieb erfüllt sind. Art. 18 Gezielte Auswahl und Anwendung der Pflanzenschutzmittel lautet wie folgt:

1 Beim Schutz der Kulturen vor Schädlingen, Krankheiten und Verunkrautung sind primär präventive Massnahmen, natürliche Regulationsmechanismen sowie biologische und mechanische Verfahren anzuwenden.

2 Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln müssen die Schadschwellen sowie die Empfehlungen von Prognose- und Warndiensten berücksichtigt werden.

Der Ökologische Leistungsnachweis wird oft nicht erfüllt …

Der Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln des Bundes weist darauf hin, dass Art. 18 der Direktzahlungsverordnung oft missachtet wird: „… Der Einsatz von chemischen PSM wird heute aber oftmals vorgezogen, da die Alternativen weniger wirtschaftlich, weniger effizient oder nicht vorhanden sind.“

Das heisst konkret, dass offenbar zahlreiche Bauern Direktzahlungen beziehen, obwohl sie gar kein Anrecht darauf hätten. Heidi hat von sehr unterschiedlichen Seiten gehört, dass Bauern oft Pflanzenschutzmittel (PSM) unter Missachtung von Art. 18 der Direktzahlungsverordnung spritzen. Kontrolliert wird kaum, doch Direktzahlungen werden trotzdem ausgeschüttet.

… das Reduktionsziel PSM-Einsatz des Bundes wäre heute schon erreicht

Fachleute weisen darauf hin, dass allein durch das Einhalten der Vorschriften der Direktzahlungsverordnung eine Reduktion des PSM-Einsatzes von 12% erreicht werden könnte, d.h. soviel wie der Aktionsplan des Bundes innerhalb von 10 Jahren vorsieht! Es ist bekannt, dass z.B. nach der Ernte oft Herbizide vor dem Pflügen auf die Stoppeln ausgebracht werden. Zitat aus dem Aktionsplan des Bundes:

„… Mit den in Kapitel 6.1.1 beschriebenen Massnahmen, kann in gewissen Fällen auf die Anwendung von PSM zum Schutz der Kulturen verzichtet werden. Das in den nächsten 10 Jahren umsetzbare Potential zur Reduktion der Anwendungen wird auf 12% berechnet. Dieses Potential soll genutzt werden. Die Zielerreichung wird mit einem Indikator, der die Reduktion der behandelten Fläche beschreibt, überprüft (siehe 7.1)…“

Dies ist zwar nicht das einzige Ziel des Aktionsplans, aber ein Zeichen dafür, dass die Ziele nicht hoch gesteckt sind.

Zukunftsweisender Pestzid-Reduktionsplan Schweiz

Der Pestizid-Reduktionsplan Schweiz der Vision Landwirtschaft, der von den Trinkwasserversorgern (SVGW) und einem breiten Bündnis von weiteren Organisationen unterstützt wird, geht wesentlich weiter. Er sieht als langfristige Perspektive einen weitgehenden Verzicht auf PSM vor, d.h. PSM sollen nur im Notfall eingesetzt werden.

Abbildung 4 aus dem Aktionsplan PSM der Vision Landwirtschaft: Pflanzenschutzpyramide: Pestizide nur im Notfall

Abbildung 4 aus dem Aktionsplan PSM der Vision Landwirtschaft: Pflanzenschutzpyramide: Pestizide nur im Notfall

Es würde den Rahmen dieses Artikel sprengen, wenn Heidi den Aktionsplan des Bundes (75 Seiten) detailliert mit jenem der Vision Landwirtschaft (76 Seiten) vergleichen würde. In Anbetracht der mit PSM stark verschmutzten Gewässer und dem steten massiven Rückgang der Biodiversität tut ein grundsätzliches Umdenken Not.

Auswirkungen von PSM zu wenig bekannt

Über die Probleme im Boden, den Einfluss auf das Bodenleben usw. weiss man wenig. Es ist aber bekannt, dass PSM, welche schlecht abgebaut werden, langsam ins Grundwasser „wandern“ können, wie das aktuell bei Chloridazon geschieht, das als Herbizid für den Anbau von Rüben und Randen zugelassen ist. Die Abbauprodukte Desphenyl-Chloridazon und Methyl-Desphenyl-Chloridazon wurden mit Abstand am häufigsten in Konzentrationen von mehr als 0,1 μg/l im Grundwasser nachgewiesen. Beide Substanzen werden erst seit 2010 im Rahmen von NAQUA analysiert. Liste der PSM und ihrer Abbauprodukte im Grundwasser, soweit heute untersucht. Es ist zu hoffen, dass durch Massnahmen, wie Sonderbewilligungen im Zuströmbereich, die Wasserqualität von betroffenen Trinkwasserfassung verbessert werden kann. Doch langfristig ist auch dies keine Lösung des Problems.

Bereits 2006 wurde Desphenyl-Chloridazon vornehmlich in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in anderen Deutschen Bundesländern in Gewässern gefunden. Aus diesem Grund ist der Wirkstoff vor allem bei den Trinkwassergewinnungsunternehmen verstärkt in die Kritik geraten. Chloridazon und seine Metaboliten, Umweltbundesamt Österreich.

Wir müssen also in Zukunft mit „Überraschungen“ rechnen. Die gezielten Überprüfung von in der Schweiz bewilligten Pflanzenschutzmitteln des Bundesamts für Landwirtschaft führt dies drastisch vor Augen, mussten doch 2015 für 88 PSM neue Anwendungsvorschriften eingeführt werden.

Eine besonders schlechte Erfahrung hat man schon mit Atrazin und dessen Abbauprodukt Desethylatrazin gemacht, die noch heute in vielen Grundwasserleitern nachgewiesen werden. Atrazin im Grundwasser, Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit des Kantons Graubünden, 9.7.14:

„Die Proben widerspiegeln die Ergebnisse der letzten Jahre einer insgesamt geringfügigen Belastung unserer Grundwässer. Allerdings spricht der Nachweis des Herbizids Atrazin und dessen Abbauprodukts Desethylatrazin in zehn von elf Messstellen für die unerwünschte Persistenz dieser Stoffe in der Umwelt und deren langsame aber stete Infiltration ins Grundwasser. In der Schweiz ist Atrazin deshalb seit dem Jahr 2008 nicht mehr zugelassen. Bis Ende 2011 durfte Atrazin allerdings noch eingesetzt werden. Der Wirkstoff wurde vorwiegend im Maisanbau verwendet.

Zusätzlich zu einem Verbot von Atrazin sind weitere Massnahmen zum Schutz der Grundwässer vor Pflanzenschutzmitteln erforderlich. Zu diesen Massnahmen gehört beispielsweise ein Verbot für deren Ausbringung in Risikozonen wie den Grundwasserschutzzonen S2.“

Volkswirtschaftliche Kosten höher als Nutzen?

Es wäre schön, wenn die Behörden aus alten Problemen lernten. Vorsorge ist ein wichtiges Prinzip!

PSM verursachen hohe Kosten durch Umwelt- und Gesundheitsschäden sowie Verlust an Biodiversität. Diese Kosten fallen der Öffentlichkeit an, werden nicht als Aufschlag bei der Berechnung der entsprechenden Lebensmittelpreise berücksichtigt. Eine exakte Gesamtkostenrechnung ist zwar nicht möglich, aber es ist wahrscheinlich, dass die volkswirtschaftlichen Kosten des Einsatzes von PSM höher sind als ihr Nutzen.

Breites Bündnis für eine starke Reduktion des Pestizideinsatzes, Heidis Mist 24.5.16

GÜ – Neue Anwendungsvorschriften für 88 Pflanzenschutzmittel, Heidis Mist 3.2.16

Pflanzenschutzmittel: Kosten sie uns mehr als sie nützen? Heidis Mist 23.3.16

Pestizid-Cocktail in Schweizer Äpfeln, Dani Müller SRF Kassensturz 27.9.16

Mach mit bei der Volksvernehmlassung! Greenpeace zum Aktionsplan des Bundes 27.9.16

55 von 68 in Südtirol verwendete Pestizide auf „EU-Pestizid-Blacklist“, Alexander Schiebel, Das Wunder von Mals, 27.9.16

2.10.16 HOME


%d Bloggern gefällt das: