
Seit 2018 stieg die im Hamburger Hafen eingesetzte Menge von Sulfurylfluorid sehr stark an. Quelle: Der Hamburger Energietisch 20.1.20
Ende Oktober läuft die Genehmigung für den Wirkstoff aus, doch der Hersteller hat eine erneute Zulassung beantragt. Auf EU-Ebene wird daher in den nächsten Monaten über eine Zulassungsverlängerung abgestimmt. Eine Verlängerung der Genehmigung von Sulfurylfluorid wäre jedoch fatal in dem Jahrzehnt, in dem wir alles daransetzen müssen, um unsere Treibhausgasemissionen radikal zu reduzieren…“
Dies war der Anstoss für Heidi den folgenden Artikel aus dem Ordner „Entwurf“ zu holen und endlich fertigzuschreiben.
Wie sieht es in der Schweiz aus?

Quelle: CLIMGAS-CH. Kontinuierliche Messung der Nicht-CO2-Treibhausgase auf dem Jungfraujoch und in Beromünster, Schlussbericht Juli 2022. EMPA
Heidi hat beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) nach der Bedeutung von Sulfurylfluorid bei uns gefragt. Die Antwort:
„In der Schweiz ist Sulfurylfluorid sowohl als Pflanzenschutzmittel als auch als Biozidprodukt noch zugelassen, wird aber nach unserem Wissen heute nicht mehr verwendet.
Als Pflanzenschutzmittel wurde dieser Stoff in der Schweiz zwischen 2008 und 2020 nicht verkauft. Verkaufszahlen für Sulfurylfluorid als Biozidprodukt liegen noch nicht vor, da erst die im März 2021 vom Parlament beschlossene Änderung des Chemikaliengesetzes die nötige Grundlage für deren Erhebung schaffte. Nach unserem Kenntnisstand wird aber Holz in der Schweiz nicht mit Sulfurylfluorid behandelt.
Messungen der EMPA im Auftrag des BAFU von Sulfurylfluorid auf dem Jungfraujoch deuten darauf hin, dass dessen Emissionsquellen ausserhalb der Schweiz liegen.“
Es scheint, dass das BAFU die Probleme der Exportbranche noch nicht kennt.
Schweizer Exporte?
Im Bericht über die Folgen des Klimawandels im Kanton Basel-Stadt (2011) steht Seite 18 in der Tabelle Übersicht über die Treibhausgase, Verweildauer und GWP, unter dem Zwischentitel Neue klimaaktive Substanzen: Sulfurylfluorid, Schädlingsbekämpfungsmitte „In Abklärung“.
Für die Fracht AG ist das Sulfuryfluorid aber inzwischen längst ein Thema, denn auch die Schweizer Transporteure sind verpflichtet, Exporte z.B. nach Australien, Neuseeland, China usw. gegen Schädlinge zu behandeln. Die Fracht AG schreibt in ihrem Newsletter vom Herbst 2019: „Die australische Regierung (Department of Agriculture and Water Resources) und die neuseeländische Regierung (Ministry of Primary Industries) haben beschlossen, dass Seefrachtsendungen mit bestimmten Warengruppen, die zwischen dem 1. September 2019 (Abfahrtsdatum) und dem 30. April 2020 nach/via Australien und Neuseeland importiert/verladen werden, begast oder hitzebehandelt werden müssen. Die Marmorierte Baumwanze („brown marmorated stinkbug“) soll damit aus Australien und Neuseeland ferngehalten werden, da sie die dortige Landwirtschaft stark beeinträchtigen könnte. Diese Regelung wurde bereits in früheren Jahren für einen begrenzten Zeitraum erlassen. Auf der Liste der Ursprungsländer, die von der Massnahme betroffen sind, war die Schweiz bisher nicht vermerkt. Neu ist nun aber die Schweiz auf die Liste der kritischen Abgangsländer aufgenommen worden.“
Die drei zugelassenen Behandlungsoptionen sind Wärmebehandlung (Heat Treatment) und Begasung (entweder mit Sulfurylfluorid oder mit Methylbromid). Methylbromid ist in der Schweiz verboten. Je nach Ware ist Hitzebehandlung nicht möglich. Bei der Durchführung der geforderten Massnahmen für Seefracht nach Australien und Neuseeland zwischen 1. September 2019 und 30. April 2020 gab es noch offene Fragen. Eine Anfrage von Heidi über die aktuelle Regelung blieb unbeantwortet.
Heidi vermutet, dass auch bei uns die Verwendung von Sulfurylfluorid zunimmt, denn die Schweiz exportiert Holz z.B. nach China.
Hamburger Hafen
Erst durch eine Schriftliche Kleine Anfrage des LINKEN-Abgeordneten Stephan Jersch scheint die Hamburger Umweltbehörde (BUE) auf den sehr stark gestiegenen Einsatz des extrem klimaschädlichen Insektizids Sulfurylfluorid (SO2F2, kurz SF) aufmerksam geworden zu sein, mit dem im Hamburger Hafen, aber wohl ebenso in anderen Häfen, vor allem Holzexporte begast werden. Bei den Berechnungen der BUE zum viel diskutierten neuen Hamburger Klimaplan blieb SF völlig unberücksichtigt. Das berichtete der Hamburger Energietisch am 20.1.20.
Bei 203,65 Tonnen SF geht es im Jahr 2019 daher um 1’418 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das ist mehr als der Ausstoss des Hamburger Steinkohle-Heizkraftwerks Tiefstack von 1,21 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2017. Doch auch die Einsatzmenge von 51,20 Tonnen SF im Jahr 2018 entspricht schon 357’000 Tonnen CO2-Äquivalenten. Das ist ungefähr so viel, wie beim geplanten Ersatz des Heizkraftwerks Wedel an CO2 pro Jahr eingespart werden soll. Beim damals vorgelegten neuen Hamburger Klimaplan wurde bisher überhaupt nur CO2 berücksichtigt, nicht dagegen alle anderen klimaschädlichen Stoffe wie Sulfurylfluorid, aber auch Methan.
Deutschland verbraucht mehr Holz, als es selbst erzeugt. Dass nun auch in den zuständigen Behörden die Frage auftaucht, warum überhaupt Holz, noch dazu insektenbefallenes, in grossen Mengen um den halben Erdball geschickt werden muss – ob der freie globale Handel in jedem Fall wichtiger ist als globaler Klimaschutz – das sei positiv, das schreiben die Leute vom Hamburger Energietisch. Man dürfe gespannt sein auf Ergebnisse.
Die Schuld an diesem krassen Klimaschutz-Versagen wird nun hin und her geschoben. Von den Behörden zum Hafen und weiter.
„Es wird Zeit“, so meint Heidi, „ernsthaft und schnell an der Lösung solcher Probleme zu arbeiten.
Umweltinstitut München 12.5.23
Bericht über die Folgen des Klimawandels im Kanton Basel-Stadt, 2011
Exporte von Holz. Verband Holzwerkstoffe Schweiz
Der extensive Einsatz des Klimakillers Sulfurylfluorid in Hamburg wirft viele Fragen auf. Der Hamburger Energietisch 20.1.20
Sulfurylfluorid: Der Stoff, aus dem Albträume sind. Global Magazin 3.4.23
Ozonschicht: Werte von fünf verbotenen FCKW steigen. Heidis Mist 6.4.23
Sulfurylfluorid: Dieses Klimagift muss verboten werden. Heidis Mist 5.4.23
Sulfurylfluorid ist Ersatzgift für den Ozonkiller Methylbromid. Heidis Mist 4.4.23
Sulfurylfluorid: starkes Treibhausgas und giftiger Luftschadstoff. Heidis Mist 2.4.23

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13.5.23 HOME