
Die Beruhigungspille: Trotz hoher Belastung der Flüsse mit Pestiziden sei das Essen von Fischen unbedenklich, sagt ein Kantonschemiker.
Die Sprache der EAWAG-Forschenden ist – für eine Bundesanstalt – erfreulich klar, pflegen doch viele offizielle Stellen den Verschleierungs-Jargon: Pestizidcocktail in Schweizer Flüssen, Medieninformation EAWAG, Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs, 5.3.14.
Ein Fischer, aufgeschreckt durch diese schlechte Nachricht in seiner Zeitung, fragte die Redaktion: „Sind die Forellen unter diesen Umständen überhaupt noch bedenkenlos geniessbar?“ Die Antwort des Kantonschemikers: „Moderne Pflanzenschutzmittel sind rasch abbaubar und reichern sich in Fischen kaum an.“ Er verwies auf andere Probleme wie Tierarzneimitteln in Zuchtfischen, Schwermetalle, Dioxine, PCB usw., Pestizidcocktail in den Flüssen soll Fischen und Fischessern nicht schaden, Solothurner Zeitung vom 26.3.14.
Also beruhigt weiterschlafen, wo die Sommerzeit uns soeben eine Stunde gestohlen hat? Nein, denn die neuen Bestimmungen betreffend Gewässerraum bringen den Acker und somit die Pestizide näher an die mittleren und kleinen Bäche, jene Bäche also, die in der Schweiz vorherrschen. Zum Beispiel wurde die Messmethode von Pufferstreifen an Gewässern per 1.1.14 so geändert, dass die Masse besser in den „Pestizid-freien Gewässerraum“ passen. Und auch dort, wo ausdrücklich kein Gewässerraum ausgeschieden wird, schrumpft der Pufferstreifen – quasi als Geschenk für die Bauern – beachtlich. Nachfolgend die bauernfreundliche Änderung der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, Anhang 2.5, Pflanzenschutzmittel, 1.1 Verbote und Einschränkungen:
1 Pflanzenschutzmittel dürfen nicht verwendet werden:
….. Punkt e
- „in oberirdischen Gewässern und in einem Streifen von drei Metern Breite entlang von oberirdischen Gewässern, wobei der Streifen bei Fliessgewässern, für die ein Gewässerraum nach Artikel 41a GSchV2 festgelegt wurde oder bei denen nach Artikel 41a Absatz 5 GSchV ausdrücklich auf die Festlegung eines Gewässerraums verzichtet wurde, ab der Uferlinie und bei den übrigen Fliessgewässern sowie bei stehenden Gewässern ab der Böschungsoberkante gemäss Pufferstreifenmerkblatt «Pufferstreifen richtig messen und bewirtschaften», KIP/PIOCH 2009,3 gemessen wird;“
Alles klar? Passt dies in die neue Agrarpolitik, welche, wie es heisst, ökologisch sein soll? Selbst wenn tatsächlich die Flussfische bedenkenlos konsumiert werden können, was ist mit der übrigen Bach-Flora und -Fauna? Darf man sie bedenkenlos den Pestizid-Bädern aussetzen, die direkt nach einer Sprühaktion (evtl. mit Wind und anschliessendem Regen) noch konzentrierter sein können, als das von der EAWAG entnommene Probenwasser? Ist dies die „neue Biodiversitätsstrategie“? Das Recht des Stärkeren? Heidi meint: „Das darf nicht sein!“ Es gibt noch weitere Probleme mit Gewässerraum und Pestiziden, Heidi bleibt dran!
Noch etwas: Wie stellen sich die Gesetzesschreiber den Vollzug der neuen Pufferstreifen-Regelung vor, wo doch die alte, wesentlich einfachere, vielerorts nicht vollzogen wurde? Akzeptiert man weiterhin den Nicht-Vollzug?
Nachtrag: Fast hätte Heidi die DirektzahlungsempfängerInnen vergessen, das sind etwa 94% der Bauern, für sie gilt weiterhin ein 6 m breiter Pestizid-Pufferstreifen, siehe Direktzahlungsverordnung. Wenn also das Grünland zwischen Bach und Acker keine 6 m breit ist, was Heidi häufig sieht, dann ist dies meist eine widerrechtlich Situation. Nur schaut niemand hin, ausser Heidi natürlich.
Mit dem Wasser macht man keine Kompromisse! Heidis Mist, 11.6.13
Der Acker rückt näher an den Bach, Heidis Mist, 29.5.13
Heidis Artikel-Serie über Pufferstreifen
Wer mehr über den zerstörerischen Menschen und seine Tätigkeit lesen will, dem sei George Monbiot empfohlen. Im neuesten Artikel schreibt er zwar über die Ausrottung grosser Tiere, aber betreffend Konsequenzen menschlichen Handelns ist kaum ein Unterschied zwischen den grossen Tieren und den kleinen Wassertierchen, siehe
Destroyer of Worlds, George Monbiot, Guardian 25th March 2014
„New research suggests there was no state of grace: for two million years humankind has been the natural world’s nemesis.
You want to know who we are? Really? You think you do, but you will regret it. This article, if you have any love for the world, will inject you with a venom – a soul-scraping sadness – without an obvious antidote…“
30.3.14 HOME