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Unsere erfolgreichen Lobbyisten: Fonduefestival und Käseexport

23. November 2022
Heidi tischt ein- bis zweimal jährlich Fondue auf, denn es ist eine üppige Mahlzeit. Sie verrät ihr (variables) Rezept nicht. Es kann auch einmal Bündner Käse drin sein!

Heidi tischt ein- bis zweimal jährlich Fondue auf, denn es ist eine üppige Mahlzeit. Sie verrät ihr (variables) Rezept nicht. Es kann auch einmal Bündner Käse drin sein!

In der Freiburger Käseindustrie ist der Klimawandel noch nicht angekommen, erst die Energiekrise. Vom 17. bis 20.11.22 fand in Fribourg das erste Schweizer Fonduefestival statt. Es soll künftig alle zwei Jahre wiederholt werden. Der Erfolg war gross, gab es doch vor dem Eingang des riesigen Zelts lange Schlangen und die Wartezeit betrug bis zwei Stunden.

Kritik kommt nicht nur von den MarkthändlerInnen, welche seit einem Monat in die kleinen engen Seitenstrassen ausweichen mussten und Umsatzeinbussen bis 30% erleiden, sondern auch von der Politik, denn das Fonduezelt wird mit Öl beheizt. «Heizöl schadet der Umwelt. Das Zelt ist riesig. Es hat ein Volumen von mehreren Familienwohnungen», moniert der SP-Lokalpolitiker Marc Vonlanthen gegenüber SRF. «Wir sind mitten in einer Energiekrise. Wir sprechen ständig von Nachhaltigkeit. Aber so eine Infrastruktur ist definitiv nicht nachhaltig.»

Erstaunlich ist die Antwort des ehemalige Freiburger Stadtpräsidenten und Nationalrat, Dominique de Buman, der das Fonduefestival organisiert. Er sagte zu SRF: „Wir haben bereits vor vier Jahren mit der Planung des Festivals begonnen. Da war die Energiekrise noch kein Thema.“ Hallo, Herr Buman, aber die Folgen der Klimaerwärmung sind schon viel länger sichtbar.

40% des Schweizer Käses wird exportiert

Die Schweizer Bauern und die Milchindustrie produziert gerne Käse für den Export. Die Umweltkosten dieses nicht nachhaltigen Wirtschaftens bleiben in der Schweiz. Seit einiger Zeit bringt man sogar den Chinesen das Fondue-Essen bei. Für wen ist der Exportkäse? Für die Hungernden in aller Welt? Profitieren davon die ausgebeuteten und vom Auslöschen bedrohten Uiguren?

Interpellation zur Exportfinanzierung

Die Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel reichte am 17.3.22 die Interpellation 22.3291 ein. Der Bundesrat wurde gebeten, Transparenz für die Steuerzahlenden bei der Finanzierung der Milchproduktion für den Käseexport, aber auch bei weiteren exportierten Produkten herzustellen.

Begründung: Der Selbstversorgungsgrad mit pflanzlichen Produkten liegt bei rund 40 Prozent, jener von Milch und Fleisch bei 100 Prozent. Das liegt daran, dass die Tierproduktion im Gegensatz zur Pflanzenproduktion stark gefördert wird. Heute werden rund 40 Prozent der Käseproduktion exportiert. Der Export nimmt zu und damit auch die Subventionen in Form von Direktzahlungen und Absatzförderungsmassnahmen, welche für eine exportorientierte Milchproduktion eingesetzt werden. Diese Subventionen durch die Schweizer Steuerzahlenden kommen schlussendlich gut situierten Personen in den Exportländern zugute.

Gleichzeitig ist die Auslandabhängigkeit für pflanzliche und besonders proteinreiche pflanzliche Lebensmittel besonders gross. Auch die Abhängigkeit von Butter hat durch die steigende Nachfrage nach Käse zugenommen. Tausende von Tonnen Butter wurden seit 2020 in die Schweiz importiert.

Der pro-Kopf-Fleischkonsum in der Bevölkerung ist seit Jahren rückläufig. Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung isst heute sogar überwiegend (20,5%) oder ausschliesslich vegetarisch (4,1%) oder vegan (0,6%). Die Anzahl der Veganer hat sich im Jahr 2021 verdoppelt. Vor diesem Hintergrund würde die vermehrte Produktion von pflanzlichen (statt tierischen) Eiweissen einen wichtigen Beitrag an die Versorgungssicherheit in der Schweiz und zur Erreichung der Ziele des Absenkpfads Stickstoff leisten.

Der Bundesrat wird gebeten, Transparenz für die Steuerzahlenden bei der Finanzierung der Milchproduktion für den Käseexport, aber auch bei weiteren exportierten Produkten herzustellen. Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:

1. Wie hoch ist die Gesamtsumme an Direktzahlungen, Absatzförderungen und weiteren Produktionsstützungsmassnahmen, welche in die Produktion und den Absatz des Export-Käses fliessen?

Antwort Bundesrat:

1. Der Bund richtet für sämtliche Verkehrsmilch eine Zulage von 5 Rp. pro Kilogramm vermarktete Milch aus. Für Milch, die zu Käse verarbeitet wird, wird zudem eine Zulage von 10 Rp. pro Kilogramm bezahlt. Die Zulage für verkäste Milch soll seit der Liberalisierung des Käsemarktes mit der EU die Milchpreisdifferenz zwischen der Schweiz und der EU ausgleichen. Wird die Milch ohne Fütterung von Silage produziert und zu Rohmilchkäse verarbeitet, kommt zusätzlich noch die Zulage für Fütterung ohne Silage von 3 Rp. pro Kilogramm hinzu. All diese Milchzulagen sind nicht an eine Exportleistung gebunden. Im 2021 hat der Bund die verkäste Milchmenge mit Zulagen in der Höhe von total 318,7 Mio. Fr. unterstützt.

In der Schweiz wurden 2021 rund 3,4 Millionen Tonnen Milch vermarktet. Knapp 47% dieser Milchmenge wurde zu total 207’155 Tonnen Käse verarbeitet. Davon wurden rund 77’779 Tonnen exportiert, was einem Exportanteil von 38% an der Käseproduktion entspricht. Aus der Exportstatistik lässt sich mit der Annahme einer Ausbeute von 10% bei der Käseherstellung und aufgrund des Anteils von Rohmilchkäse abschätzen, dass ca. 134 Mio. Fr. der Zulagen dem exportierten Käse zugekommen sind. Im 2021 hat die Schweiz auch 75’788 Tonnen Käse importiert. Mit den zunehmenden Importen konnte in den letzten Jahren ein grosser Teil des steigenden Käsekonsums in der Schweiz abgedeckt werden.

Für gemeinsame Marketingaktivitäten für Schweizer Käse im Ausland wurden 2021 im Rahmen der Absatzförderung 22,9 Mio. Fr. (inkl. Exportinitiativen) ausbezahlt.

Mit der Agrarpolitik 2014-2017 wurden die sogenannten Tierbeiträge grösstenteils in die Versorgungssicherheitsbeiträge umgelagert, weil sie zu einem Intensivierungsanreiz in der Tierhaltung führten. Die Direktzahlungen werden seither mit Ausnahme der Tierwohlbeiträge als flächenbezogene Zahlungen ausgerichtet. Betriebe mit Milchkühen würden somit für ihre Flächen auch Direktzahlungen erhalten, wenn sie aus der Milchproduktion aussteigen würden.

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat die Daten zu den Direktzahlungen der Betriebe mit Milchkühen ausgewertet. Dabei wurden die Direktzahlungen dieser Betriebe für ihre Grünflächen und Maisflächen auf die von ihnen gehaltenen Milchkühe und die anderen Rauffutterverzehrer umgelegt. Daraus ergibt sich eine grobe Schätzung von rund 900 Mio. Fr. an Direktzahlungen (inkl. Sömmerungs- und Alpungsbeiträge), die 2021 an die Betriebe mit Milchkühen in der Schweiz ausgerichtet wurden. Die Summe an Direktzahlungen, die an Milchkühe mit Verkehrsmilchproduktion fliesst ist, wird damit jedoch überschätzt, da nicht alle Betriebe mit Milchkühen auch Verkehrsmilch abliefern. Für die weitere Zuordnung dieser Direktzahlungssumme auf die exportierte Käsemenge fehlen verlässliche Daten. Die resultierende Schätzung wäre aufgrund der Fehlerfortpflanzung kaum sinnvoll zu interpretieren.

2. Wie gross ist die für den Käseexport benötigte Nutzfläche in der Schweiz? Wie viel Fläche im Ausland kommt durch das importierte Kraftfutter für die Milchkühe, welche Milch für den Export-Käse produzieren, dazu?

Antwort Bundesrat:

2. Gemäss der Auswertung des BLW bewirtschafteten Betriebe mit Milchkühen 2021 eine Grünfläche von rund 520’000 Hektaren und bauten auf rund 30’000 Hektaren Mais an. Wie bei der Beantwortung der Frage 1 wird hier angenommen, dass die Erträge dieser Flächen hauptsächlich zur Fütterung der auf den Betrieben gehaltenen Milchkühe verwendet werden. Der gesamte Kraftfutterverbrauch beträgt in der Schweiz jährlich rund 1,6 Millionen Tonnen Trockenmasse, davon werden 60% importiert. Etwa 0,45 Millionen Tonnen werden an Rinder verfüttert. Bei unterstellten Anteilen von 70% Getreide und 30% eiweissreichen Produkten wie Sojaschrot (Nebenprodukt aus der Sojaölgewinnung) resultiert ein Bedarf an Getreide von rund 315’000 Tonnen und an Sojabohnen von rund 170’000 Tonnen. Dies entspricht bei mittleren Erträgen von 7 Tonnen Futtergetreide und 3 Tonnen Sojabohnen je Hektar einer Getreideanbaufläche von 45’000 Hektaren und einer Sojabohnenanbaufläche von 57’000 Hektaren im Ausland für die Rindviehfütterung. Schätzungsweise 75 % des importierten Kraftfutters für die Rindviehfütterung wird für Milchkühe verwendet. Für eine weitergehende Aufschlüsselung auf die exportierte Käsemenge fehlen verlässliche Daten.

3. Wie hoch sind die Umweltkosten wie Ammoniak-Emissionen, Stickstoffbelastung, Antibiotikaeinsatz, Biodiversitätsverlust etc. welche der Milchproduktion zugunsten des Käseexportes zugewiesen werden kann? Falls diese Kosten nicht bekannt sind, warum nicht und bis wann kann das Bundesamt für Landwirtschaft BLW diese Umweltkosten ausweisen?

Antwort Bundesrat:

3. In seiner Antwort auf die Interpellation Weibel 16.3512 hat der Bundesrat die Folgekosten von Stickstoffemissionen (N) für die Gesundheit und die Umwelt auf der Basis der Emissionen von 2014 im Bereich von 860-4300 Mio. Fr. pro Jahr geschätzt. Die umweltrelevanten Stickstoffemissionen der Landwirtschaft von ca. 80’000 Tonnen N pro Jahr tragen zu rund 60 % zu diesen Folgekosten bei. Davon sind ca. 50’000 Tonnen N auf Ammoniak- und Nitratemissionen zurückzuführen, die mit der Rindviehhaltung einschliesslich der Futterproduktion verbunden sind. Die externen Kosten, welche der Anbau von importiertem Futter im Ausland verursacht, müssen zusätzlich berücksichtigt werden. Einen verlässlichen und wissenschaftlich abgestützten Schlüssel zur Verteilung der externen Kosten auf die Produkte Milch und Fleisch aus der Schweizer Rindviehhaltung oder sogar auf die exportierte Käsemenge gibt es nicht. Zu den Umweltkosten des Antibiotikaeinsatzes liegen keine Studien vor.

4. Stimmt es, dass wegen den stark gestiegenen Käseexporten mehr Butter importiert werden muss, weil für die Butterproduktion aus Schweizer Milch die Milchmenge fehlt? Falls das stimmt, was sagt der Bundesrat dazu?

Antwort des Bundesrats:

4. In den vergangenen Jahren konnte ein stetiger Anstieg der Käseproduktion verzeichnet werden. Aufgrund der eher rückläufigen Milchproduktion stand somit weniger Milch für die Herstellung von Butter zur Verfügung. Die tiefere Produktionsmenge an Butter im Inland und die gleichzeitig höhere Nachfrage im Inland (u.a. wegen der Corona-Massnahmen) haben bereits in den Jahren 2020 und 2021 zu Butterknappheit und einem entsprechenden Importbedarf geführt. Die Butterimporte im 2020 und 2021 haben rund 14 % bzw. 6 % der in der Schweiz produzierten Buttermenge ausgemacht.

Mit einer leichten Zunahme der Milchproduktionsmenge wird erst mit Beginn der neuen Grünfuttersaison ab Mai 2022 gerechnet. Gleichzeitig geht die Branche von einem weiteren Wachstum bei der verkästen Milchmenge von 1,5 % im Vergleich zu 2021 aus. Somit fliesst momentan weniger Milch in die Butterherstellung als in den Vorjahren, was gegen Ende Jahr ohne Importe zu einer Butterknappheit führen würde. Die Wertschöpfung pro Kilogramm Milch ist höher, wenn daraus Käse hergestellt wird als wenn die Milch beispielsweise zu Butter oder Milchpulver verarbeitet wird. So gesehen kann die steigende Käseproduktion als positive Entwicklung gewertet werden.

5. Wie hoch sind die Exportfördermassnahmen und Anschubfinanzierungen des Bundes für weitere Schweizer Qualitätsprodukte wie Teigwaren mit Schweizer Freilandeiern, Bergkräuter, Früchte und weitere Schweizer Produkte?

Antwort des Bundesrats:

5. Im Rahmen von Exportinitiativen werden verschiedene Projekte bei Marketing-Kommunikationsmassnahmen unterstützt. Im 2020 waren es neben dem Käseexport Vorhaben in der Höhe von rund 0,24 Mio. Fr. in den Bereichen Rindergenetik, Marketinggrundrauschen China und Plattform Agrarexport. Für 2021 wurden Vorhaben in der Höhe von rund 0,8 Mio. Fr. in den Bereichen Fleisch, Rindergenetik und Plattform Agrarexport verfügt.

6. Sind diese Subventionen WTO-kompatibel?

Antwort des Bundesrats:

6. Die verschiedenen Milchzulagen sowie die Absatzförderung von Käse sind kompatibel mit dem WTO-Übereinkommen über die Landwirtschaft. Erstere bleiben unter dem rechtlich verbindlichen, jährlichen Maximalbetrag der Schweiz. Letztere sind aufgrund ihrer nicht-handelsverzerrenden Natur nicht eingeschränkt. Darüber hinaus verstossen die Zahlungen nicht gegen das Verbot von Exportsubventionen (insbesondere im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmassnahmen), da sie nicht von einer Ausfuhrleistung abhängig sind. Es gibt grundsätzlich die Möglichkeit für einen Handelspartner, diese internen Stützungsmassnahmen der Schweiz anzufechten und gegebenenfalls Ausgleichszölle zu erheben, falls er eine Schädigung seiner Produktionsbranche durch diese Zahlungen nachweisen kann. In jüngerer Zeit erhielt die Schweiz im WTO-Agrarausschuss Fragen zur WTO-Rechtmässigkeit dieser Zahlungen.

Heidis Frage: „Wollen wir die Reichen im Ausland subventionieren und den Selbstversorgungsgrad für pflanzliche Produkte weiterhin künstlich tief halten?“

Freiburger Käse Das erste Schweizer Fonduefestival sorgt für Ärger. SRF 18.11.22

Die Herkunft des Schweizer Käse-Fondues ist unklar. NZZ 11.12.17

22.3291 Interpellation Mehr Transparenz beim Lebensmittelexport und -import, eingereicht von: Schneider Schüttel Ursula

Ein Schweizer kreiert in Schanghai das Käsefondue à la chinoise. Matthias Müller, NZZ 26.1.21

Hohe Krankheitslast und Kosten durch PFAS

29. Juli 2022

Am 21.3.22 schrieb der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) im Rahmen des Weltwassertags 2022: „Grundwasser – ein unsichtbarer Schatz … Zunehmend Sorge bereiten die so genannten Per- und Polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS). Diese PFAS sind in Outdoor- und Arbeitskleidung, Papier und Pizzakartons, Teppichen, Schmiermitteln, sowie Baustoffe und Löschschäumen enthalten. PFAS sind kaum abbaubar und manche gefährden die Gesundheit.“

Interpellation im Kanton Solothurn

Bereits am 8.3.22 hatte Marlene Fischer im Kanton Solothurn eine Interpellation zu den Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen eingereicht: „… Das Auftreten von PFAS im Grundwasser der Schweiz wurde im Rahmen einer Pilotstudie der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA (2007-2008) analysiert. An 21 der 49 beprobten Messstellen wurden PFAS nachgewiesen. Die betroffenen Grundwassermessstellen lagen oft in der Nähe von Flüssen – denn PFAS können durch die üblichen Abwasserreinigungsverfahren nicht abgebaut werden, gelangen via Kläranlage in Flüsse und schliesslich ins Grundwasser. Jedoch gibt es Möglichkeiten, PFAS durch Aktivkohlefilterung grösstenteils aus dem Abwasser zu entfernen.“

Aus der Stellungnahme des Regierungsrates: „… Das Beispiel der hier genannten PFAS unterstreicht die grundsätzliche Bedeutung langlebiger Mikroverunreinigungen für die Sicherung der Wasserversorgung. Die Chemisierung unserer Umwelt gepaart mit der grossen Vielzahl verschiedener Substanzen, die in unsere Umwelt und speziell den Wasserkreislauf gelangen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Einzelsubstanzen oder deren Kombinationen neu beurteilt werden und Risiken für die menschliche Gesundheit plötzlich nicht mehr auszuschliessen sind …“

Interpellation im Nationalrat

Auch im Nationalrat waren die PFAS kürzlich ein Thema: 21.3873 Interpellation von Ursula Schneider Schüttel vom 17.6.21: Welche in der Schweiz zugelassenen Wirkstoffe und Abbauprodukte gelten als „forever-chemicals“? „… Die Umweltorganisation „ohneGift“ hat an mehreren Standorten in der Schweiz die Konzentration von Trifluoracetat (TFA) im Seewasser und im daraus gewonnenen Trinkwasser gemessen. Wie gefährlich das „forever-chemical“ ist – es baut sich weder in der Umwelt, noch in Lebewesen ab -, ob es krebserregend ist oder wie es mit anderen chemischen Rückständen reagiert (Cocktail-Effekt), ist weitgehend unklar …“

In seiner Antwort schreibt der Bundesrat u.a. „Der Begriff „forever chemicals“ wird umgangssprachlich für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) verwendet, zu welchen auch das Trifluoracetat (TFA) zählt … Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) stuft TFA als einen sogenannten toxikologisch nicht-relevanten Metaboliten (Abbauprodukt) von Pflanzenschutzmitteln (PSM) ein … Aufgrund der Ergebnisse der Risikobeurteilung bei der Zulassung von PSM erwartet das BLW keine Konzentrationen von TFA über 10 Mikrogramm pro Liter im Grund- oder Trinkwasser. Das Auftreten von TFA als Abbauprodukt schliesst also eine Zulassung nicht generell aus …“

Studie zur Krankheitslast und den Kosten von PFAS

Ein Forscherteam des Department of Pediatrics, NYU Grossman School of Medicine, New York, USA hat die Krankheitslast und der Kosten der Exposition gegenüber Per- und Polyfluoralkylsubstanzen in den Vereinigten Staaten untersucht und kommt zu folgendem Ergebnis:

„In der vorliegenden Studie werden die jährliche Krankheitslast und die damit verbundenen sozialen Kosten der gegenwärtigen jährlichen Exposition gegenüber langkettigen PFAS mit mindestens 5,52 Milliarden Dollar beziffert, wobei unsere Sensitivitätsanalysen sogar bis zu 62,6 Milliarden Dollar ergeben. Regulierungsmassnahmen zur Begrenzung der laufenden Verwendung von PFAS und zur Sanierung kontaminierter Wasservorräte können erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen.“

Im Weiteren schreiben Vladislav Obsekov et al.: „Immer mehr Beweise bestätigen den Beitrag von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) zur Krankheitslast und Behinderung über die gesamte Lebensspanne. Angesichts der Tatsache, dass politische Entscheidungsträger die hohen Kosten für die Sanierung und den Ersatz von PFAS durch sicherere Alternativen in Verbraucherprodukten als Hindernisse für die Bewältigung nachteiliger gesundheitlicher Folgen im Zusammenhang mit PFAS-Belastungen anführen, ist es wichtig, die Kosten der Untätigkeit zu dokumentieren, selbst wenn Unsicherheiten bestehen. Daher haben wir die Krankheitslast und die damit verbundenen wirtschaftlichen Kosten aufgrund von PFAS-Altlasten in den USA im Jahr 2018 quantifiziert.

Wir nutzten systematische Übersichten und verwendeten, wann immer möglich, meta-analytische Inputs, identifizierten zuvor veröffentlichte Expositions-Wirkungs-Beziehungen und berechneten die PFOA- und PFOS-bedingten Zunahmen bei 13 Erkrankungen. Diese Zuwächse wurden dann auf Zensusdaten angewandt, um die gesamten jährlichen PFOA- und PFOS-zuordenbaren Krankheitsfälle zu bestimmen, aus denen wir die wirtschaftlichen Kosten aufgrund von medizinischer Versorgung und Produktivitätsverlusten unter Verwendung zuvor veröffentlichter Daten zu den Krankheitskosten berechneten.

Obwohl weitere Arbeiten erforderlich sind, um die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zu bewerten und die Auswirkungen der breiteren Kategorie von PFAS mit grösserer Sicherheit festzustellen, bestätigen die Ergebnisse erneut, dass Massnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Politik nach wie vor erforderlich sind, um die Exposition gegenüber PFOA und PFOS und ihre endokrinschädigenden Auswirkungen zu verringern.

Diese Studie zeigt die grossen potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen der Untätigkeit der Behörden.“

Obsekov, V., Kahn, L.G. & Trasande, L. Leveraging Systematic Reviews to Explore Disease Burden and Costs of Per- and Polyfluoroalkyl Substance Exposures in the United States. Expo Health (2022).

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Chemikalien kommen, gehen, bleiben …

28. April 2022
Diesen Bericht sollten wir Menschen ernst nehmen.

Diesen Bericht sollten wir Menschen ernst nehmen.

Die Veröffentlichung des Beitrags Umweltrisiko TFA – So landet der Problemstoff in unserem Trinkwasser von SRF Impact bewirkte zahlreiche weiteren Beiträge in verschiedenen Medien. Das Problem ist schon länger bekannt, nur wurde es von den Behörden beiseite geschoben.

Es wurde sogar am 17.6.21 eine Interpellation im Nationalrat von Ursula Schneider Schüttel eingereicht: „Welche in der Schweiz zugelassenen Wirkstoffe und Abbauprodukte gelten als „forever-chemicals“? Die Umweltorganisation „ohneGift“ hat an mehreren Standorten in der Schweiz die Konzentration von Trifluoracetat (TFA) im Seewasser und im daraus gewonnenen Trinkwasser gemessen …“ Der Bundesrat antwortete am 1.9.21, aber der Nationalrat hat die Diskussion am 1.10.21 verschoben. Wenn es um Umweltprobleme geht, dann pressiert es in der Politik nicht!

Welche Stoffe sind gefährlich?

Es gibt etwa 100’000 verschiedene synthetische Chemikalien. Viele sind harmlos. Andere sind es nicht. Sobald sie in der Umwelt sind, können Chemikalien mit anderen Verbindungen reagieren und von lebenden Organismen umgewandelt werden. Es entstehen Mischungen und Abbauprodukte. Wenn man dies berücksichtigt, dann gibt es Grössenordnungen mehr Chemikalien, über die wir uns Sorgen machen müssen.

Über die meisten wissen wir nichts und z.B. bei neueren Arzneimitteln und Pestiziden weiss man sehr wenig über die Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Viele Informationen sind zudem unter Berufung auf geistige Eigentumsrechte der Industrie vertraulich. Über die Wirkung von Mischungen und Abbauprodukten wissen wir praktisch nichts.

Dritte grosse planetarische Krise

Der erste UNEP-Synthesebericht (United Nation environment programme) trägt den Titel: „Making Peace With Nature: Ein wissenschaftlicher Plan zur Bewältigung der Notlagen in den Bereichen Klima, biologische Vielfalt und Umweltverschmutzung“. Er stützt sich auf Erkenntnisse aus globalen Umweltbewertungen.

Die ersten synthetischen Chemikalien, die in der Natur nicht vorkommen, wurden Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Aber wie bei den meisten menschlichen Aktivitäten, die den Planeten zerstören, begann die Geschwindigkeit, mit der wir neue Schadstoffe erzeugten und unsere Abfallprodukte in die Umwelt einleiteten, nach dem Zweiten Weltkrieg exponentiell anzusteigen.

Heute! Morgen?

Heute beschäftigen wir uns mit TFA im Trinkwasser, PCB im Engadiner Fluss Spöl … Und morgen? Das alles kostet viel Geld. Geld für Analysen, Administration, Forschung, Monitoring und es kostet Nerven und kann unserer Gesundheit schaden! Wollen wir so weitermachen? Oder funktioniert Wohlstand auch ohne die vielen Chemikalien mit unbekannten Eigenschaften?

Umweltrisiko TFA – So landet der Problemstoff in unserem Trinkwasser. SRF Impact 26.4.22

21.3873 Interpellation von Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel. Welche in der Schweiz zugelassenen Wirkstoffe und Abbauprodukte gelten als „forever-chemicals“?

Why chemical pollution is turning into a third great planetary crisis. Graham Lawton, New Scientist 21.7.21

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