Ausschnitt aus dem Video: Pestizide an der Mosel: welche Stoffe verteilen die Hubschrauber? Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V. In den Steilhängen der Mosel-Rebberge werden Pflanzenschutzmittel mit Helikopter oder Drohnen ausgebracht. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD) veröffentlicht jeweils wann, wo und was gespritzt wurde.
In Deutschland ist das Versprühen von Pflanzenschutzmittel mit dem Helikopter aufgrund der sehr hohen Abdrift in umliegende Flächen grundsätzlich verboten. Weil aber die Rebberge an der Mosel sehr steil sind, haben die Winzer eine Ausnahmebewilligung erhalten. Während der von Mai bis August andauernden Spritzsaison ist jede beabsichtigte und genehmigte Behandlung aus der Luft mindestens 48 Stunden zuvor der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD) per E-Mail oder Fax anzuzeigen.
Die ADD stellt der Öffentlichkeit während der Flugzeiten Informationen über die genehmigten Hubschrauber-und Drohnenspritzungen zur Verfügung. Hierzu zählen insbesondere die eingesetzten Pflanzenschutzmittel, Anwendungszeitpunkte und Gemarkungen, in denen eine Anwendung stattfindet.
In der Schweiz sind Helikoptersprühflüge erlaubt, es braucht keine Bewilligung. Air Glaciers veröffentlicht die Termine für die Behandlungen zu Beginn der Behandlungssaison. Für 2024 liegen noch keine Daten vor. Die betroffenen 30 Flächen sind hier eingezeichnet: ZONES DE TRAITEMENT PAR HÉLICOPTÈRE. Es fällt auf, dass es sich nicht einfach um Rebberge handelt, sondern es herrscht Vielfalt der Strukturen: Rebberge, Strassen, Häuser, Wald, Gehölze und Gewässer wechseln sich ab. Heidi kann sich nicht vorstellen, dass der Sprühregen immer nur auf den anvisierten Rebberg fällt. In der Vollzugshilfe Ausbringen aus der Luft von Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Düngern sind Rechtsbegriffe konkretisiert und Abstandsvorschriften aufgezeichnet.
Air Glaciers gibt an, dass 80 Prozent der gespritzten Mittel biologische seien. Heidi hat noch keine Antwort auf ihre Fragen betreffend Spritzmittel erhalten z.B. ob es sich bei den 80 Prozent um Kilogramm handelt. Das ist entscheidend, denn Kilogramm sagen gar nichts über die Toxizität aus.
Mosel-Apollofalter kurz vor dem Aussterben
UBA: Steilhänge sind typischer Lebensraum des Apollofalters im unteren Moseltal Foto: Daniel Müller
Das Deutsche Umweltbundesamt (UBA) schreibt: „An diesen Steilhängen lebt auch der Mosel-Apollofalter (Parnassius apollo vinningensis), eine Unterart des Apollofalters. Der schöne Falter, 2024 zum Schmetterling des Jahres gekürt, ist endemisch. Das heisst, sein Vorkommen im unteren Moseltal ist weltweit das Einzige und Deutschland hat somit eine besondere Verantwortung für den Erhalt dieser Unterart…
Der Falter ist in der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) im Anhang IV gelistet und somit streng geschützt. Laut Bundesnaturschutzgesetz § 44 Absatz 4 darf sich der Zustand der in Anhang IV gelisteten Arten durch eine Bewirtschaftung der Flächen nicht verschlechtern. Trotzdem gehen die Bestände des Mosel-Apollofalters stark zurück, an manchen Orten um bis zu 90 Prozent im Zeitraum von 1981 bis 2020. Insbesondere seit 2012 sinken die Bestände fortwährend dramatisch. Der Schmetterling ist auf der Roten Liste Deutschlands als stark gefährdet und auf der Roten Liste von Rheinland-Pfalz als extrem selten eingestuft.“
Neue Fungizide ohne zusätzliche Auflagen bewilligt
Aktuell war das UBA in 26 Genehmigungsverfahren zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen in deutschen Weinbausteillagen eingebunden. Eine spezifische Bewertung der Risiken für den weltweit nur noch im Weinbaugebiet des unteren Moseltals vorkommenden Mosel-Apollofalter ergab für 16 der Mittel eine so hohe Toxizität, dass eine Anwendung nur mit einem Sicherheitsabstand von – je nach Mittel – 5 bis 30 Metern zu Vorkommen des Schmetterlings vertretbar ist.
Das UBA kann in Anbetracht der aktuellen Datenlage zum dramatischen Bestandsrückgang des Falters bei der Beurteilung der neuen Anträge nicht mehr auf die Forderung nach Mindestabständen verzichten. Alle bisher genehmigten Pflanzenschutzmittel zur Anwendung mit Luftfahrzeugen haben solche Auflagen nicht. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung dieser Mittel schienen diese nicht nötig zu sein. Die bereits genehmigten Mittel sind also vorerst weiter für die Anwendung an Weinbausteilhängen verfügbar.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat am 11.3.24 in einer Fachmeldung bekannt gegeben, dass es die aktuellen Genehmigungen für die Anwendung von Fungiziden mit Luftfahrzeugen in Weinbausteillagen ohne Anwendungsbestimmungen zum Schutz des vom Aussterben bedrohten Mosel-Apollofalters erteilt hat. Damit wurde eine Entscheidung gegen das hier dargelegte Votum des Umweltbundesamtes getroffen.
Informationen über die Pestizide
Die Herkunft der Daten werden im Video erklärt. Die z.T. hohe Halbwertszeit (Fluopyram) dürfte zu einer Akkumulation führen.
Der schmetterlingskundliche Verein Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V. wehrt sich gegen die Helikoptersprühflüge, die immer noch neben und über den besonders geschützten Lebensräumen des Mosel-Apollofalters Pestizide versprühen. Sie sind froh, dass sie wenigstens das Umweltbundesamt auf ihrer Seite haben, aber es wird trotzdem weiter gemacht wie bisher, weil die Fungizide angeblich dem Artenschutz dienen, weil durch den Weinbau die Landschaft offen gehalten wird. Es werde also selbst vor den absurdesten Rechtfertigungen nicht zurückgeschreckt, sagen die Schmetterlingsfachleute.
Tim Laußmann vom Verein hat ein fundiertes Video über die an der Mosel eingesetzten Pestizide verfasst. Heidi hat beim Ansehen viel gelernt:
Pestizide an der Mosel: welche Stoffe verteilen die Hubschrauber? „In diesem Video zeigen wir Euch, wie Ihr Euch selbst über die an der Mosel per Luftfahrzeug verteilten Pestizide informieren könnt.“
Dem Insektensterben in Echtzeit zusehen
Mosel-Apollofalter – Parnassius apollo. Valvig (Mosel) Brauselay. © Tim Laußmann
Die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen hat eine ausführliche Dokumentation über den Mosel-Apollofalter zusammengestellt. Heidi veröffentlicht hier nur einen kleinen Teil.
„Benannt nach Apollon, dem Gott des Lichtes, macht der Apollofalter seinem Namen alle Ehre, denn er ist fast ausschliesslich bei Sonnenschein aktiv. Doch die Überlebensaussichten für diese wunderschöne Schmetterlings-Art sind an der Mosel alles andere als sonnig. Die dort vorkommende Unterart – der nach dem Weinort Winningen benannte Mosel-Apollofalter (Parnassius apollo ssp. vinningensis), ist weltweit einzigartig, es gilt, ihn vor dem Aussterben zu bewahren!
Mit der Wahl des weltweit und europarechtlich besonders geschützten Mosel-Apollofalters zum Schmetterling des Jahres 2024 will die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. und die BUND NRW Naturschutzstiftung auf den rücksichtslosen und flächendeckenden Umgang mit Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft aufmerksam machen.
Solche Pestizide sollen die Nutzpflanzen schützen, wirken jedoch oft auch schädlich auf Organismen, gegen die sie eigentlich nicht gerichtet waren. So sind zum Beispiel viele der im Weinbau verwendeten chemisch-synthetischen Fungizide (Mittel gegen Pilzbefall) bekanntermassen mehr oder weniger schädlich für Nutzinsekten. Die Wirkung auf Schmetterlinge ist weitgehend unerforscht. Zudem ist mittlerweile bewiesen, dass sich Pflanzenschutzmittel auch weit entfernt von ihrem Anwendungsort auf Insekten auswirken.
In Rheinland-Pfalz, im unteren Moseltal, liegen die letzten vom Apollofalter besiedelten Felsen inmitten von zumeist konventionell bewirtschafteten Weinbergen. Die dort eingesetzten Spritzmittel werden in den Steillagen mit Hubschraubern ausgebracht, verteilen sich besonders weiträumig in der Landschaft und treffen auch die Felsen, auf denen die Raupen und Falter des Schmetterlings des Jahres 2024 leben. Seit dem Jahr 2012 beobachten Schmetterlingskundler einen dramatischen Einbruch der Population des Mosel-Apollofalters. Man kann dem „Insektensterben“ in Echtzeit zusehen!
Tourismus: Am Apolloweg nur noch einzelne Falter
…Einige ehemalige Lebensräume an der Mosel sind in der Tat mittlerweile durch Aufgabe der Bewirtschaftung und fehlende Offenhaltung zugewachsen und daher nicht mehr besiedelt. Warum der Mosel-Apollofalter auch im Bereich offener Felsen verschwunden ist, blieb jedoch rätselhaft.
In den vergangenen Jahren etwa seit 2020 war der Apollofalter an der Untermosel eine Ausnahmeerscheinung! An berühmten und sogar touristisch beworbenen Flugstellen wie dem „Apolloweg“ in Cochem-Valwig werden aktuell nur noch einzelne Exemplare beobachtet! Der Mosel-Apollo steht kurz vor dem Aussterben!
Schädlichkeit von SDHI-Wirkstoffen
In der Schweiz sind z.B. Succinatdehydrogenase-Inhibitoren (SDHI) mit dem Wirkstoff Fluopyram (Moon Experience) und Fluxapyroxad (Rondo Sky, Sercadis, Tofa) für die Luftapplikation zugelassen. Diese Stoffe blockieren die Zellatmung. Fluopyram, wird an der Mosel aktuell grossflächig im Weinbau gegen Pilzkrankheiten wie Grauschimmelfäule (Botrytis) und Echten Mehltau eingesetzt. Fluopyram ist besonders persistent, verbleibt also sehr lange in der Umwelt. Es ist seit 2012 im Einsatz und seit 2013 für die Anwendung mit Helikopter zugelassen. Der Stoff verursachte anfangs durch fehlerhafte Anwendung schwere Wachstumsstörungen bei Weinreben (auch in der Schweiz). Fluopyram, das auch gegen Fadenwürmer (Nematoden, „Wurzelälchen“) eingesetzt wird, steht in Verdacht, auch noch andere Organismengruppen zu schädigen.
Der zeitliche Zusammenhang zum Niedergang des Mosel-Apollofalters fällt deutlich ins Auge. Allein dies sollte genügen, die konkrete Auswirkung der Substanz auf Tagfalter wie den Apollofalter zu untersuchen und bis zur Vorlage von Ergebnissen von einer Anwendung dieser Stoffklasse im Umfeld der Vorkommen abzusehen. Der Niedergang des Mosel-Apollofalters als Indikator für den Zustand seines Lebensraums ist ein eindeutiges Warnsignal, das nicht unbeachtet bleiben sollte, schreiben die Lepidopterologen.
Heidis Frage: „Und wie steht es mit den Auswirkungen der Pestizide in der Schweiz, z.B. den SDHI-Wirkstoffen? Vermutlich kann man unendlich viel Geld in diese Forschung stecken … die Pestizide werden von der Industrie und einem erheblichen Teil der Landwirtschaft heftig verteidigt.“
Mosel-Apollofalter: Weinbau und Artenschutz zusammenbringen. Umweltbundesamt
Der Mosel-Apollofalter – Schmetterling des Jahres 2024. Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V. 30.11.23
Pestizide an der Mosel: welche Stoffe verteilen die Hubschrauber? Video Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V.
Hubschrauber- und Drohneneinsatz zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Steillagenweinbau im Jahr 2023. Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD) 5.5.23
Ausbringen aus der Luft von Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Düngern. Vollzugshilfe für Vollzugsbehörden und Anwendung. Bundesamt für Umwelt (BAFU) 2016
Heidis zahlreiche Artikel über Helikoptersprühflüge
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